Die Sound-Doktoren: Erst der Ton macht sportlich

Für das Design eines Tons spielt auch die Psychoakustik eine wichtige Rolle. Schließlich sollen Emotionen beim potentiellen Käufer geweckt werden. Foto: BMW

Für das Design eines Tons spielt auch die Psychoakustik eine wichtige Rolle. Schließlich sollen Emotionen beim potentiellen Käufer geweckt werden. Foto: BMW

Für die Lokalisierung dieser lästigen Motoräußerungen brauchen Sounddesigner Messinstrumente wie zum Beispiel eine „akustische Kamera“. Sie messen damit die Frequenz und Geräuschzusammensetzung des Sounds im Originalzustand. Dirk Grundke nennt die Einflussgrößen: „Die analysierten Parameter wie Kanalität, Rauigkeit, Schärfe und Pfeifverhalten bilden die Grundlage für das akustische Design.“ Es gibt also Größen wie Schalldruckpegel, Schallschnelle und viele mehr, außer dem Dezibel, was man landläufig als Schallpegeleinheit kennt. Die „akustische Kamera“ weist nach, wie nahe die bearbeitete Konstruktion dem vorher festgelegten Zielsound gekommen ist.

Antischall löscht störende Geräusche

Da Sounddesigner manchmal wegen beschränkten Raumes wenig mit Dämmmaterialien arbeiten können, konzentrieren sie sich darauf, wie sie die Entstehungsmechanismen des Schalls verändern können. Das heißt, dass sie hauptsächlich mechanische Teile beeinflussen: Hier und da eine Bohrung, eine Kammer oder ein Blech mehr oder weniger geben der Motorakustik den Feinschliff. Das ist der herkömmliche Weg.
Der neueste Trend im Sounddesign heißt jedoch „active noise control“. Hierbei nutzen die Designer die physikalische Gesetzmäßigkeit, dass sich zwei Schallwellen mit unterschiedlicher Phase gegenseitig aufheben können, wenn sie aufeinandertreffen.

Prof. Becker-Schweitzer: „Im Prinzip ist es einfach: Wir haben eine ganz normale Sinuswelle. Ein Buckel, ein Tal, ein Buckel, ein Tal, die folgen immer in festen Abständen aufeinander. Wenn man jetzt die Gegenwelle erzeugt, dann sorgt man dafür, dass sie genau an der Stelle ein Tal hat, wo die erste Welle einen Buckel hat.“ Zum natürlichen Schallfeld des Motors wird also Antischall erzeugt, so dass bestimmte Geräuschkomponenten gedämpft oder ganz gelöscht werden.

Aber auch die Verstärkung kann dem guten Ton dienlich sein: „Bei Italienern werden die mechanischen Geräusche der Ventilstellung verstärkt, um diesen aggressiven Sound nach vorn zu bringen“, erklärt Ingenieur Grundke. So verstärkt zum Beispiel ein lautes Ansauggeräusch der Luftzufuhr im Motorraum die subjektive Sportlichkeit – ein „heiseres Fauchen“ beim Beschleunigen entsteht.

Der richtige Ton kann bestimmen, ob wir etwas gut oder schlecht finden. Foto: Franziska Weigt

Der richtige Ton kann bestimmen, ob wir etwas gut oder schlecht finden. Foto: Franziska Weigt

Psychoakustik: Krach oder Sound?

Genau diese Subjektivität macht den Sounddesigner die Arbeit schwer. Ist es nun schlimmer Krach oder sonorer Sound, der einem da um die Ohren weht? Ob man am Nürburgring schreiend wegrennt, wenn Gasbegeisterte über die Strecke jagen oder extra eine Trillerpfeife mitbringt, um das Rennen anzufeuern, hängt laut Psychologen von Vorerfahrungen und der jeweiligen Stimmung ab. Vorauszubestimmen, wie der Fahrer den Sound empfindet, und dann die Gefühle zu manipulieren, fällt in den Bereich der Psychoakustik. So bewertet eine eigens für Sounddesigner entwickelte Software die psychoakustischen Aspekte eines Geräusches.

Da dieser Bereich des Sounddesigns noch sehr jung und wenig entwickelt ist, befragt man anschließend Probanden, nach deren Urteil ein Ranking der verschiedenen Zielsounds erstellt wird. Prof. Becker-Schweitzer: „Letztendlich versucht man da irgendwo den Geist der Zeit oder den Geist des Kunden zu erfragen und dem dann sein Zielgeräusch aufzuprägen, also das beste Geräusch auszuwählen.“
Und falls der Nachbar mal wieder nur Krach hört, wenn man spät abends rückwärts in die Parklücke rangiert, dann steht nun wenigstens fest: Der „Krach“ wurde höchst wissenschaftlich kombiniert und der Nachbar wurde einfach in die falsche Zielgruppe geboren. Was man ja schon immer ahnte.

Text: Franziska Weigt

Mehr zum Thema:

Zum Hören: Blinkergeräusche aus dem Soundlabor von Prof. Jörg Becker-Schweitzer:

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