Diplom nach 63 Semestern

Seine Oma hat es Werner Kahmann schon immer gesagt. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Dieses Jahr hat er gezeigt, wie Recht seine Oma damit hatte. Denn im Sommer hat der Kölner Student sein Ingenieursstudium abgeschlossen. Nach 63 Semestern, mit 61 Jahren.

Werner Kahmann heute an seinem Arbeitplatz - als stolzer Diplomingenieur. Foto: Jennifer Kotte

Werner Kahmann heute an seinem Arbeitplatz - als stolzer Diplomingenieur. Foto/Teaser: Jennifer Kotte

Technische Gebäudeausrüstung hieß der Studiengang, den Werner Kahmann mit 27 Kommilitonen zum Wintersemester 1973 an der Fachhochschule Köln begann. Zu einer Zeit, in der in der Mensa mit D-Mark bezahlt wurde, es statt Studiengebühren noch Hörerbeiträge gab und der marxistische Studentenbund Flugblätter verteilte.

Kein Bummelstudent

„Also ein Bummelstudent war ich nicht. Nur hab ich während des Studiums weiter in Siegburg gewohnt“, erzählt der 61-Jährige. Da hatte er seine Wohnung, seine Freundin, den Fußball- und Kegelclub.
„Wenn es dann freitags beim Kegeln spät wurde, hatte es sich mit der Vorlesung am Samstag erledigt, und wenn Sonntags Fußball war, dann hatte es sich auch am Montag erledigt“, erzählt Kahmann und lacht.
Schnell zogen die anderen Studierenden ihm davon, hatten mehr Kurse belegt, mehr Leistungsscheine erarbeitet und irgendwann auch das Studium abgeschlossen.

„Das Pendeln war auf jeden Fall auch ein Grund, dass es am Anfang so lange gedauert hat. Das würde ich so nicht nochmal machen. Ich kann nur jedem raten auch dort zu wohnen, wo man studiert“, meint der Siegburger. Sonst verpasse man zu viel.

Bauleiter ohne Diplomabschluss

Der Student Werner Kahmann mag gemütlich gewesen sein, aber keinesfalls faul. Allerdings legte er mehr Priorität auf die Arbeit und weniger auf das Studium. Bereits während seiner ersten Semester hat er selbstständig für Baufirmen gearbeitet. Als Bauleiter koordinierte er Bauprojekte und leitet Ingenieurteams – ohne selber den Ingenieurstitel zu tragen.

„Ich hab immer für Firmen gearbeitet. Nach einem Titel, hat mich da niemand gefragt. Ich brauchte mich auch nicht bewerben, sondern bin immer weitergereicht und empfohlen worden.“ So konnte er seinen Lebensstandard weiter halten, ganz ohne Diplom. Er plante eine Familie, wurde Vater und arbeitet weiter in Vollzeit. Kurse an der Uni belegte er kaum noch, aber eingeschrieben war er die ganze Zeit lang trotzdem. „Als dann die Studiengebühren kamen, hab ich mir gesagt, das machst du nicht mehr mit, das ist dir zu blöd“, erklärt Kahmann.

Leistungsscheine aus den Siebziger Jahren. Werner Kahmann hat sie alle aufgehoben.

Leistungsscheine aus den Siebziger Jahren. Werner Kahmann hat sie alle aufgehoben. Foto: Jennifer Kotte

Seine Rettung: Die alten Leistungsscheine

Doch letztes Jahr – als die Studiengebühren wieder gekappt wurden – war es dann soweit. Werner Kahmann ging noch einmal an die Uni, traf sich mit einem Professor. Sein Ziel: Das Studium endgültig abschließen. „Ich hab mir gedacht so blöd, und so dumm kann ich doch nicht sein, das ich als Einziger nicht fertig werde.“ Und er hat Recht behalten.

Die alten, vergilbten Leistungsscheine – er hatte nichts weggeworfen – konnten ihm noch angerechnet werden. 68 Prüfungen konnte er damit vorweisen, 38 brauchte er für den Abschluss. Für Werner Kahmann war damit die größte Hürde genommen und er konnte sich seiner Diplomarbeit widmen. Letztendlich betreute ihn ein Professor, der in den Siebzigern mit ihm zusammen studiert hatte. Es hat sich eben doch einiges verändert – seit 1973.

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