Doktorandenschmiede Deutschland

Ausschlaggebend für die Promotionsneigung sind laut dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 außerdem Faktoren wie die „Verfügbarkeit von Forschungsmitteln und Doktorandenstipendien“ sowie die Stellensituation der Hochschule. Denn in einem Beschäftigungsverhältnis befinden sich die meisten Promovierenden: Im Wintersemester 2010/11 waren es 83 Prozent, davon 76 Prozent an einer Hochschule und 8 Prozent in außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Promovend an der Arbeit: Nils Wittenbrink ist Doktorand der theoretischen Chemie. Foto: Nils Wittenbrink

Promovend bei der Arbeit: Nils Wittenbrink studierte schon während des Abis Chemie. Drei Jahre plant er für den Doktortitel ein. Foto: Nils Wittenbrink

Auch Nils ist an der Uni Bielefeld als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt, bekommt eine halbe E13-Stelle. Das sind rund 1.600 Euro Bruttoverdienst im Monat. Er teilt sich ein Büro mit einem Kollegen, arbeitet an chemischen Berechnungsmethoden – das geht auch mal von zu Hause. Zu seinen Aufgaben gehört es außerdem, selbstständig zu lehren, ein vorlesungsbegleitendes Tutorium zu leiten und etwa ein Computerpraktikum zu betreuen.

Dabei ist der 24-Jährige nicht viel älter als einige der Studierenden die er unterrichtet. Nur elf Prozent der Promovierenden ist 25 Jahre und jünger, in der Regel sind mehr als die Hälfte zwischen 26 und 30 Jahre alt – und männlich (circa 60 Prozent).

Sammeldissertation – „meine Vorstellung einer wissenschaftlichen Arbeitsweise“

Aus dem Raster fällt Nils nicht nur auf Grund seines Alters, auch durch die Art und Weise wie er promoviert. Am Ende seiner Forschungszeit reicht er nicht wie üblich eine dicke Monografie beim Promotionsausschuss ein. Stattdessen sammelt er bereits vorher publizierter Aufsätze in Fachzeitschriften zu einer sogenannten kumulativen Dissertation. „Das entspricht meinen Vorstellung einer wissenschaftlichen Arbeitsweise: Man schreibt nicht nur alle paar Jahre ein Buch, sondern publiziert direkt nach Abschluss eines Forschungsbereichs“, hebt er die Vorzüge der Sammeldissertation hervor. Aufwendig sei diese dennoch. Schließlich passen in einen Aufsatz nicht ansatzweise so viele Details und Grundlageninformationen wie in eine Standardarbeit.

Zeitung, Zeitschriften, Stapel, Sammlung - kumulative Dissertation. Foto: Katharina Scherer  / pixelio.de

Mehrere Aufsätze statt dickem Schinken: Die kumulative Promotion ist "ein Auslaufmodell". Foto: Katharina Scherer / pixelio.de

Die kumulative Promotion ist laut Dr. Daniel Müller vom Graduiertenprogramm der TU Dortmund mittlerweile zum Auslaufmodell geworden, in vielen Promotionsordnungen nicht mehr vorgesehen. „Nur in den Naturwissenschaften ist eine solche Journal-Kultur zu finden. Hier kommt es in erster Linie auf das fachlogische Zusammenschreiben der Forschungsergebnisse an, nicht auf die Stilistik.“

Für Nils ein Vorzug bezüglich der Qualität seiner Dissertation. „Da es in den Naturwissenschaften nicht so sehr auf das genaue Wort ankommt, sondern auf exakte Ergebnisse und Grafiken, sind Plagiate generell nicht so ein großes Problem.“ Denn authentisch zu fälschen sei aufwändiger als vernünftig zu erheben.

Externe Promotionen nach Feierabend können die Qualität schmälern

Dennoch gibt es sie, die Fälscher. Qualität und deren Sicherung ist ein generelles Problem, das mit der Welle an Promotionen auf das deutsche Hochschulsystem zukommt. Nicht zuletzt wegen der Plagiatsaffäre um fragwürdig  betitelte Politiker, losgetreten von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Denn in der Masse ist es Titelhaschern und Verlegenheitspromovierenden ein Leichtes, unbemerkt unterzutauchen – und so das Gesamtniveau zu untergraben.

Eine Schwachstelle sieht Daniel Müller in der unzureichenden Anbindung an die Hochschule. Obwohl im Wintersemester 2010/11 noch 67 Prozent intern promoviert haben, das heißt wie Nils in einem Anstellungsverhältnis zu der Uni stehen, geht der Trend zur externen Promotion. Nach Feierabend zum Doktortitel nennen es die einen, Müller sagt Hobbypromovierende, Titelerpichte, Karriereorientierte. „Wer extern promoviert ist oft schon im Berufsleben, sitzt in Kanzlei oder Büro und will den Titel nebenbei machen. Ganz ohne wissenschaftliche Motivation.“

Darunter leide nicht zuletzt der Kontakt zum Betreuer. Denn wer nur selten zu einem Zwischengespräch „vorbeischneit“, vergeude Synergiepotenzial wie es die Internen nutzen.

Harry Hautumm  / pixelio.de

Titelhaschern ist es ein Leichtes, in der Masse an Promovierenden unterzutauchen. Foto: Harry Hautumm / pixelio.de

Seite drei: Qualität sichern  in der Masse an Promotionen – Betreuungsverhältnis und Struktur

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