Denkst du, du fühlst es?

Ein flauer Referats-Magen, der dich auf Leistung pusht. Das kribbelige Gefühl, wenn du an einem Bungee-Seil baumelst. Wie es zieht im Herz, wenn du einen Freund verlierst. Und das gute Gefühl, wenn du über eine Mohnblumenwiese rennst – Gefühle machen unser Leben erst spannend, ja retten uns manchmal sogar das Leben.

Gefühle machen unser Leben erst spannend, sind manchmal sogar überlebenswichtig. Quelle: Tim Reinhart, pixelio.de

Gefühle machen unser Leben erst spannend, sind manchmal sogar überlebenswichtig. Foto: pixelio.de/Tim Reinhart, Teaserfoto: pixelio.de/Dieter Schultz

Ekel schützt uns vor giftigen Happen im Mund. Angst setzt eine gute Portion Stresshormone frei, wir rennen, so weit uns unsere Beine tragen. Blicken wir plötzlich einem zähnefletschenden Bullterrier ins Maul, reagiert unser Körper. Wir röcheln nervös und schwitzen, unser Herz pocht schneller. Bisher schwirrten in der Wissenschaft zwei Emotionstheorien durch den Raum. Die einen sagen: Der Mensch hat Angst, weil er zittert. Unsere Emotion ist also bloß die Reaktion auf unseren veränderten Körperzustand. Die anderen sagen: Der Hund ist gefährlich, weil er die Zähne fletscht. Wir bewerten unsere Angst-Situation mit dem Verstand.

Gefühle und Gedanken brauchen sich

„Eine Emotion ist aber die Einheit aus beiden Puzzleteilen – Gefühle und Denken.“, erklärt Prof. Dr. Albert Newen vom BochumerInstitut für Philosophie. Gemeinsam mit Dr. Luca Barlassina entwarf er ein neues Emotionsmodell. Sie fügten die zwei antiquierten Theorien zu einer neuen zusammen. Natürlich, eine Emotion stütze sich zunächst auf ein Gefühl, „sie ist aber erst komplett, wenn das Gefühl und die Einschätzung einer Situation miteinander vereint sind.“, sagt Prof. Dr. Albert Newen. Der Terrier ist das Objekt meiner Angst – ich merke, dass ich zittere und wenn ich ihn mir so anschaue mit seinem sabbernden Gebiss, denke ich, puh, der ist gefährlich. Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren ist die Emotion. Das alles in einer einzigen Theorie zu verweben, ist neu.

Zusammen mit Dr. Luca Barlassina von der RUB Bochum hat Prof. Dr. Albert Newen eine neue Emotionstheorie aufgestellt. Foto: privat

Zusammen mit Dr. Luca Barlassina hat Prof. Dr. Albert Newen eine neue Emotionstheorie aufgestellt. Foto: privat

Unsere Gefühle sind automatisiert

Basisgefühle wie Angst, Ekel, Freude und Trauer sind evolutionär verankert: „Alle Menschen machen bei diesen Gefühlen das gleiche Gesicht.“, erklärt er. Im sabbernden Bullterrier-Fall ist das Vernunft-Warnsignal „Ouh, der ist gefährlich, ich muss schnell wegrennen“ schon automatisiert. Bei komplexeren Gefühlen wie der Prüfungsangst hängt ein ganzer Rattenschwanz an Erwartungen und Umwelteinflüssen mit hinten dran. Die Prüfung ist wichtig. Wenn ich durchfalle, muss ich ein Semester hinten dranhängen.
Es ist noch nicht lange her, da kehrten die großen Denker die Emotionen einfach unter den Tisch, belächelten sie als animalisch, dumm und gefährlich. Von der Antike bis zu Aufklärung – meist war es doch die Vernunft, die der Philosoph umgarnte und auf das Podest hob, nicht das schwankende Gefühl. „In den letzten 20 Jahren haben sich Wissenschaftler intensiv den Gefühlen zugewandt.“, erklärt Dr. Luca Barlassina von der RUB Bochum.

Unser Bauchgefühl ist oft nützlich

Das Bauchgefühl führt uns im Alltag intuitiv zur richtigen Entscheidung. Foto: pixelio.de/Sigrid Rossmann

Das Bauchgefühl führt uns im Alltag intuitiv zur richtigen Entscheidung. Foto: pixelio.de/Sigrid Rossmann

„Die meisten Entscheidungen fällt der Mensch aus dem Bauch heraus.“, sagt Albert Newen. Auch das Bild des kalkulierenden Börsenhändlers, der pragmatisch und rational abwägt, ist in sich zusammengefallen. Das Fundament unser Alltagsentscheidungen sei das Gefühl, so Newen. Manchmal werfen unsere Emotionen uns auch Steine in den Alltag: Wenn ich aus Eifersucht über alle Bekanntschaften meines Partners wache, der flaue Magen vor dem Referat nur noch lähmt statt anfeuert oder die Tränendrüse im falschen Moment abfeuert. Können wir lernen, unsere Gefühle zu kontrollieren? „Lerne, die Reaktionen deines Körpers zu kontrollieren“, schlägt Dr. Luca Barlassina lachend vor. Aber wie soll das schon gehen? Unseren Herzschlag jedenfalls können wir nicht herunterkurbeln. Aber zumindest ein Pokerface aufsetzen.

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert