Die Welt steht still, oder?

Manuel Neuer macht einen weiten Abstoß, Miroslav Klose nimmt den Ball an, läuft sich frei und zieht ab. Alle starren wie gebannt auf die Bildschirme und Leinwände. Und dann: Toooor! Deutschland führt 1:0 gegen England. In dem Moment, bevor der Jubel ausbricht, scheint die Welt für einen kurzen Moment still zu stehen. Doch irgendwo gibt es noch eine Welt außerhalb des Fußballs. Die pflichtlektüre stellt drei Menschen vor, die dafür sorgen, dass sich die Welt auch während der WM weiter dreht.

Sonja Rustemeier plant die Einsätze der Polizei auch bei dieser WM. Dabei guckt sie zwar während der Spiele auf den Friedensplatz, die Leinwand kann sie aber nicht sehen.

Sonja Rustemeier plant die Einsätze der Polizei auch bei dieser WM. Dabei guckt sie zwar während der Spiele auf den Friedensplatz, die Leinwand kann sie aber nicht sehen. Foto: Laura Millmann

Das Erste, was Sonja Rustemeier mitbekommt, sind Freudenschreie von über 10.000 Menschen. Sofort stürzt sie zum Balkon und sieht eine riesige Menschenmasse in Schwarz-Rot-Gold, die auf dem Friedensplatz ausgelassen tobt und jubelt. Es ist ein gigantisches, überwältigendes Bild, das sich ihr dort bietet, doch auf die Leinwand kann sie nicht gucken. Sie weiß zwar, dass ein Tor gefallen sein muss, die Bilder dazu wird sie aber erst später sehen können. „Natürlich hätte ich lieber frei“, gibt die 27-Jährige zu, „aber ich habe es immer schon geliebt, im Einsatz zu sein. Man erhält so andere Eindrücke.“ Und man kann eben nicht alles haben.

Einsatz auf dem Friedensplatz

Sonja Rustemeier ist seit 2003 bei der Polizei Dortmund und arbeitet inzwischen als „Sachbearbeiterin Einsatz“. Das heißt, sie ist für die Organisation und Koordination von Einsätzen zuständig. Zu Fußballspielen ist immer besonders viel los, so sind bei der WM jeden Tag 50 bis 200 Polizisten im Einsatz. Die 27-Jährige ist während dieser Zeit entweder Führungsassistentin und begleitet einen der Einsatzleiter oder sitzt in der Befehlsstelle – in diesem Fall am Friedensplatz – und ist die Bindungsstelle bei allen Problemen, die auftreten.
2006 stand sie noch selbst auf dem Friedensplatz, diesmal erlebt sie die WM einmal anders. „Das Gemeinschaftsgefühl ist beeindruckend“, sagt Sonja Rustemeier. Sie scheint eine zielstrebige Frau zu sein und bleibt recht sachlich, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Aber während sie das Bild beschreibt, das sich vor ihrem Balkon bietet, lächelt sie fast verliebt. In Dortmund kommt man ja auch kaum darum herum, Fußballfan zu sein. Deswegen ist Sonja Rustemeier froh, überhaupt die Stimmung der WM mitzubekommen, wenn auch nicht hautnah. So viel Glück haben nicht alle.

Zeit für die Patienten

Krankenschwester Caterina Cosentino muss sich auch während der Deutschlandspiele um ihre Patienten kümmern

Krankenschwester Caterina Cosentino muss sich auch während der Deutschlandspiele um ihre Patienten kümmern. Foto: Laura Millmann

In Dortmund Hörde, im St.-Josef-Hospital, wird gerade das Essen verteilt, als das erste Tor fällt. Und die Krankenschwester Caterina Cosentino befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Gang der Abteilung „Gynäkologie und Geburtshilfe“ und teilt es aus. Sie ist eine sanfte Frau, mit freundlichen Augen und ruhigen Händen. Die Patienten fühlen sich wohl bei ihr, sie strahlt eine innere Gelassenheit aus. Dass sie vielleicht gerade lieber auch das Deutschlandspiel gucken würde, lässt sie sich nicht anmerken. „Natürlich ist man aufgeregt, wenn die eigene Mannschaft spielt, aber ich mag meine Arbeit und die Arbeit geht eben immer vor“, sagt sie. Außerdem würden die Patienten ja in ihren Zimmern auch das Spiel verfolgen, da könne sie sich nach dem Spielstand erkundigen.

Als die Krankenschwester also das nächste Zimmer betritt, steht es schon 1:0 für Deutschland. Sie hat Glück und kann gerade die Wiederholung in Zeitlupe sehen. „Ich freue mich einfach mit den Patienten. Außerdem ist die WM auch gut, weil ich dann direkt ein Gesprächsthema mit den einzelnen Leuten habe“, sagt Caterina Cosentino. Denn sie nimmt sich gerne Zeit für ein persönliches Gespräch.

Sie ist genau so, wie man sich eine Krankenschwester vorstellt. Seit 1994 arbeitet sie schon auf der gynäkologischen Station und hat inzwischen die kommissarische Leitung inne. Sie sagt selbst, dass sie schon immer mit Menschen arbeiten und ihnen helfen wollte. „Ich habe es mir selbst ausgesucht, jetzt muss ich auch die Konsequenzen tragen“, so die Krankenschwester. Aber eines ist sicher, ohne sie wäre der Aufenthalt im Krankenhaus für ihre Patienten nicht so erträglich. Es ist gut, dass sie sich auch während der WM immer auf sie verlassen können.

Fußball und Bier im Sonnendeck

Wenn es ihn nicht gäbe wären die WM-Spiele nur halb so schön. Reza Balaghi versorgt die Leute im Sonnendeck mit Bier.

Wenn es ihn nicht gäbe wären die WM-Spiele nur halb so schön. Reza Balaghi versorgt die Leute im Sonnendeck mit Bier. Foto: Laura Millmann

Auch Reza Balaghi sorgt dafür, dass sich die Menschen während des Deutschlandspiels möglichst wohl fühlen. Aber in einem ganz anderen Bereich, in einem ganz anderen Teil von Dortmund. Reza Balaghi ist Kellner im Sonnendeck an der Universität und kriegt die Emotionen zwar hautnah mit, zusammen mit vielen anderen Fans, sieht das Tor aber trotzdem erst nach dem erlösenden Aufschrei. Denn als Miroslav Klose schießt, befördert er gerade das Bier durch das überfüllte Sonnendeck. „Ich kann mir den Spielverlauf durch den Jubel vorstellen“, sagt der gebürtige Iraner.

Seitdem er 1998 sein Diplom an der Uni Dortmund gemacht hat, arbeitet er in dem Studentencafé. Er ist mit für die Theke verantwortlich, trägt Getränke aus, kassiert und räumt Tische ab. Um auf den Fernseher zu gucken, fehle ihm die Zeit. Vor allem, da es zu den Deutschlandspielen natürlich besonders voll ist im Sonnendeck. „Natürlich würde ich gerne die deutsche Mannschaft anfeuern. Ich liebe Fußball. Aber es geht nicht“, sagt Reza Balaghi. Denn die Arbeit gehe nun mal vor.

Arbeit geht vor WM

Und das geht nicht nur den Dreien so. Unzählige Menschen müssen während der WM arbeiten, einige gerade wegen der WM noch mehr. So spannend die Spiele auch sind, irgendwer muss dafür sorgen, dass das Leben normal weiter läuft. Sonja Rustemeier hilft, dass die WM auch sicher für die Fans ist. Caterina Cosentino steht für gesundheitliche Notfälle bereit. Und Reza Balaghi sorgt dafür, dass alle Zuschauer im Sonnendeck genug zu trinken haben. Es ist also gut und wichtig, dass nicht alle Leute Fußball gucken. Denn mal ehrlich, was wäre Fußball ohne Bier?

2 Comments

  • Anja Willner sagt:

    Hallo Paul,

    deinen Link zum T-Shirt-Shop habe ich herausgenommen. Wir möchten nicht, dass in den Kommentaren Werbung für kommerzielle Angebote gemacht wird. (Wer ein eigenes Blog hat oder dergleichen und das hier angeben möchte: Gern angeben, das dient ja auch der Transparenz.)

    Mit freundlichen Grüßen
    anja willner (Redaktion)

  • Paul Bangemann sagt:

    Ist Euch schon mal aufgefallen, dass MIRO bei jeder Interview-Frage an einem kleinen MAUSRAEDCHEN hinter seinem linken Ohr dreht? Damit SCROLLED er durch eine Datenbank mit passenden Fußballer-Antworten.
    Schaut mal hier
    http://www.youtube.com/watch?v=6QFk_mCPsbg

    Viele Grüße Paul

    shirtgenössische kunst

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