Ein Leuchten am scheinbar dunklen Himmel

Der Dortmunder Norden wird häufig als Problemviertel dargestellt. Aber es gibt dort auch viele Angebote für die Anwohner, die das Leben dort lebenswerter machen. So auch den „Stern im Norden“, der unter anderem einen offenen Kindertreff anbietet.

Haltestelle Westfalenhütte. Wer bis hierhin gefahren ist, der ist im Dortmunder Norden angekommen. Das äußere Bild der Häuser ist eindeutig ein anderes als noch in der Innenstadt: Nicht mehr so schick, eher schon älter, Putz-Fassaden, aber auch nicht mehr, keine großen Verzierungen an den Häusern. Zwischen diesen Häusern fällt das große graue Gebäude in der Hirtenstraße 2 kaum auf. Nur ein paar bunt bemalte Fenster lassen erahnen, was sich hinter der Fassade befindet.

Es ist halb zwei. Acht Helfer haben sich heute in der Sofa-Ecke im Kindertreff des Vereins „Stern im Norden“ eingefunden. Auf den ersten Blick ein bunt durchmischtes Team, zwischen 14 und 32 Jahren alt. Zwei Hauptamtliche, Jugendliche, die hier ihr freiwilliges soziales Jahr absolvieren, Praktikanten, Ehrenamtliche. Sie sitzen auf Sofas, Sesseln und Stühlen in einem Kreis, sodass sie sich alle anschauen können. Gemeinsam bereiten sie heute den Kindertreff vor, ein Angebot für alle Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Die meisten Kinder stammen aus anderen Ländern. Für ihre Eltern ist es wegen ihrer eigenen Geschichte oft schwierig, sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern. Hier bekommen sie Aufmerksamkeit.

Zuerst die Arbeit…

Die Kinder werden nicht nur wortwörtlich an die Hand genommen. Sie können alles vergessen und einfach spielen.

Kathrin Beyer, eine der Hauptamtlichen hat heute die „Input-Runde“ vorbereitet: Sie hat ein Heft mitgebracht: „Spiele von gestern für Kinder von heute“. Jeder bekommt einen Zettel mit Spiel-Vorschlägen für den Kindertreff. Nachdem sie über ein paar Spiele gesprochen haben, beten alle zusammen: Kathrin dankt für die Kinder, die heute kommen und für die Möglichkeit, dass sie in den Park gehen können und betet, dass die Helfer heute alle gut aufpassen. Peter Keulertz, der zweite Hauptamtliche neben Kathrin Beyer, klärt daraufhin die Aufgaben für den Tag. Ein dunkelgrüner Bollerwagen steht schon bereit.

Als alles geklärt ist und der Wagen gepackt ist, kann es losgehen. Draußen vor der Tür warten schon eine handvoll Kinder. Anderen an der Bahnhaltestelle ruft Kathrin noch zu: „Wir sind heute im Park, falls ihr noch dazukommen wollt!“ Mittwochs gehen die Kinder mit den Helfern immer in den Hoesch-Park, der ganz in der Nähe ist.

Dort angekommen packen die Helfer den Wagen unter einem Baum im Schatten aus, der auf einer Wiese gegenüber von einer Seilbahn auf der anderen Seite des Weges steht. Bei dem Wetter heute, mindestens 30 Grad und Sonne, ist es im Schatten der grünen Blätter noch gut auszuhalten. Inzwischen ist auch die Gruppe der Kinder angewachsen, manche waren schon vorher im Park, schließlich haben sie Schulferien und können so das gute Wetter genießen. Neben dem Wagen stapeln sich Teppichfliesen, ein kleiner Wasserkanister mit Hahn wird aufgebaut, daneben bunte Klappkisten für die Plastikbecher und eine Rolle Kreppband, damit die Kinder die Becher mit ihrem Namen versehen können. Wenn sie Durst haben, können sie sich jederzeit bedienen.

Spielangebote und Hilfe bei kleinen Dingen

Bevor wirklich alle losstürmen können, braucht ein Kind noch Hilfe beim Schnürsenkel Binden. Annika Lenders, die beim „Stern im Norden“ ein FSJ absolviert, erklärt es gerne:

Die Kinder lernen im Kindertreff neben dem Spielen auch etwas, wie hier ihre Schnürsenkel richtig zuzubinden

„Schau mal, du musst ein Ohr machen und dann einmal mit dem anderen drumherum und noch ein Ohr machen. Jetzt hast du zwei Ohren und jetzt darfst du sie loslassen.“ Das Mädchen lässt los und kurz darauf stürmt sie los, denn auf der Wiese sind inzwischen schon einige Sachen aufgebaut: Eine Picknick-Decke, auf der fünf Kinder gemeinsam mit zwei Helferinnen UNO spielen, mitgebrachte Fußballtore sind aufgebaut, wieder andere toben auf dem Spielplatz.

Peter hat auch einen kleinen Drachen zum Steigenlassen mitgebracht. Auf dem Drachen ist Elsa aus dem Film „Frozen“ zu sehen. Als er in der kleinen Runde vorher berichtet hatte, dass er einen Drachen gekauft hat, wussten alle: Das wird ein Renner!

Einfach nur spielen

Die Kinder umringen Peter, fragen die ganze Zeit: „Darf ich gleich auch?“ Aber erst muss Peter den Drachen zusammenbauen. Wirklich windig ist es nicht, aber das ist egal. Hauptsache, die Kinder können sich etwas austoben und Spaß haben. Als alles aufgebaut und zusammengeknotet ist, probiert es Peter erst einmal aus: Ein Kind hält den Drachen fest, Peter ruft: „Los!“ Und schnell lässt das Mädchen los und Peter läuft. Der Drachen fliegt und bleibt sogar noch etwas in der Luft, während Peter schon wieder steht. Dann holt er ihn aber wieder ein, schließlich ist er nicht zum eigenen Vergnügen hier: Die Kinder stehen völlig im Fokus. Sie brauchen Aufmerksamkeit. Zuhause erfahren sie nicht alle so viel Zuwendung. Die Mädchen dürfen heute zuerst, Olesja nimmt den Drachen zuerst, ein Junge läuft hinter ihr her: „O-le-sja! O-le-sja! Lauf! Los!“, feuert er sie an. Und der Drachen fliegt.

Bei der Hitze ist Wasser bei den Kindern sehr beliebt – egal ob zum Trinken aus dem Wassertank oder zum Abkühlen aus der Spritzflasche.

So bietet der offene Kindertreff vom „Stern im Norden“ den Kindern die Möglichkeit, einfach Spaß zu haben, zu spielen, zu lernen und neue Freunde kennenzulernen. Wenn sie drinnen sind und keine Ferien haben, bietet der Kindertreff seinen kleinen Besuchern neben Spielen ein Kreativangebot, aber auch Hilfe bei den Hausaufgaben an. Etwa die Hälfte der sechs bis zwölf-Jährigen stammen aus Rumänien, die anderen Kinder stammen aus ganz unterschiedlichen Ländern. Für das Spielen ist das aber egal, außerdem sprechen die allermeisten auch gut Deutsch. Und egal woher sie kommen, eins haben alle gemeinsam: Bei dem heißen Wetter wollen sie alle von Kathrin mit Wasser nass gespritzt werden.

„Alle guten Gaben“

Nachdem alle eine Weile getobt und gespielt haben, werden sie zusammengerufen: „So! Wir machen jetzt Picknick! Alle können sich einen Platz suchen! Die Spiele wegpacken!“ Bald sitzen alle auf Picknick-Decken und den Teppichfliesen im Kreis auf dem Rasen. Dann fangen sie an, auf ihre Beine und in die Hände zu klatschen – im Rhythmus von „We will rock you“. Dazu singen sie: „Alle guten Gaben, alles was wir haben…“ Der „Stern im Norden“ ist ein christlicher Verein, und so werden auch noch einmal alle auf das Essen vorbereitet und sind nicht noch in Gedanken bei ihren Spielsachen.

Drei Helfer gehen jetzt herum und verteilen das Essen: Pizzabrötchen, Gurken, Möhren, Melone, Weintrauben, Stachelbeeren, Aprikosen – alles ist sorgsam vorbereitet, damit die Kinder auch satt werden. Für das Angebot müssen die Kinder nichts bezahlen, sowohl das Essen als auch die Spielangebote sind für alle kostenlos. Dabei hilft auch eine Förderung durch die Stadt Dortmund, die mit Geld den Kauf von neuen Spielsachen für die Ausflüge in den Park unterstützt hat. Vor den Schulferien waren so viele Kinder da, dass die Helfer gar nicht genug Sachen hatten, um alle Kinder zu beschäftigen. Heute können sie nach dem Essen den Kindern aber sogar die Gesichter bunt schminken – Batman, Hase, Schmetterling – je nachdem, was die kleinen Besucher sich wünschen.

Der Himmel ist inzwischen nicht mehr strahlend blau, sondern dunkelgrau. Es soll heute noch gewittern. Deshalb packen alle die Sachen zusammen und brechen etwas früher auf als geplant. Beim Einpacken macht Peter auf seiner Musik-Box „Happy Birthday“ an, denn Erik, ein ehrenamtlicher Helfer, der früher selbst beim Kindertreff war, hat heute Geburtstag und alle singen für ihn. So wird hier Gemeinschaft gelebt.

Und gerade das ist hier so wichtig: Die Kinder lernen zusammenzuhalten und dass es völlig egal ist, woher sie kommen. Sie lernen aufeinander zuzugehen, sie lernen die Sprache besser kennen. Und sie bekommen Aufmerksamkeit, die manche von ihnen zuhause nicht bekommen würden.

Fotos: Christina Strunck

Beitragsbild: Christina Strunck

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