An der Uni unter Männern

Frauen, die als Professorin in den „harten Ingenieursfächern“ wie Maschinenbau lehren, sind immer noch äußerst selten. Meist arbeiten sie nur mit männlichen Kollegen oder Studenten zusammen. Wie fühlt es sich an, in einer Männerdomänen zu arbeiten? Zwei Professorinnen erzählen.

„Also, der erste Moment, in dem ich 72 jungen Männern gegenüberstand, da floss schon jede Menge Adrenalin durch mich durch.“ So beschreibt Anna Usbeck ihre allererste Vorlesung als Professorin für Maschinenbau. Das war vor vier Jahren. Damals ist sie froh, dass die jungen Studenten in dem Seminarraum in einer Ebene sitzen und nicht in einem Audimax wie in einem steil aufragenden römischen Amphitheater aus großer Höhe auf sie herabschauen.

Die Maschinenbauprofessorin Dr. Anna Usbeck Foto: Usbeck

Es muss auch nicht gender-korrekt Studierende heißen, vor ihr warten tatsächlich nur Männer auf den Beginn ihrer Vorlesung. Anna Usbeck fühlt sich wie ein Jockey in der Startbox auf seinem vor Unruhe tänzelnden Rennpferd, dessen Anspannung sich langsam überträgt. Ruhig wirken, trotz nervösen Wartens auf das Schlagen der Startglocke.

Das Gefühl eine der ganz wenigen oder sogar die einzige Frau zu sein, kennt Anna Usbeck schon von ihrem Maschinenbaustudium. In ihrem Studium gab es gerade mal 10 Prozent Frauen. Ihr Professor begrüßte sie und ihre Mitstudentin noch mit: „Sehr geehrte Herren, herzlich willkommen zur Vorlesung“. Aber auch in den letzten Jahrzehnten ist der Anteil an Frauen, die ein sogenanntes „hartes“ Ingenieursfach wie Maschinenbau studieren, nur sehr langsam angestiegen.

Wie werden Schrauben und Motoren für Frauen etwas ganz Normales?
Warum wagen sich überhaupt einige wenige Frauen an die Konstruktion von Automotoren oder Schrauben und studieren ein technisches Fach wie Maschinenbau oder Elektrotechnik? Das wollten Forscherinnen und Forscher der TU Rostock in einer Studie von 42 Maschinenbau- und Elektrotechnikstudentinnen wissen. Karin ist eine davon und bringt ihre Gründe im Gespräch so auf den Punkt: „Bei Stahlwerkern weiß ich, woran ich bin, besser als jeder Deutsch-Leistungskurs, in dem 20 Mädchen sitzen, lästern und unproduktiv rumzicken“. Im Ergebnis meinen die Forscher, dass es oft eben nicht die Lehrerinnen und Lehrer sind, die die Mädchen dazu motivieren ein technisches Fach zu wählen. Es seien eher Anregungen von den Eltern, die selber irgendwie mit Technik zu tun haben und den Mädchen vorleben, dass das etwas ganz Normales ist. Dabei ist es egal, ob der Vater Kindergärtner oder die Mutter Ingenieurin ist.

„Die wollten mal sehen, ob ich das schaffe“

Das Berufsziel „Maschinenbauprofessorin“ ist bei den meisten Frauen allerdings gar nicht vorhanden. Auch Anna Usbeck fängt nach dem Studium sofort als Ingenieurin bei einem der weltweit größten Pumpenhersteller an. An ihrem ersten Tag soll sie sofort eine Großpumpe testen. Drei Schlosser und zwei Elektriker warten auf die „Frau Ingenieurin“ und schauen erst mal, was passiert. Eine solche Großpumpe soll in einer Stunde ein mittelgroßes Schwimmbecken leerpumpen können. Schmutzig und ölig ist es, überall liegen gefettete Lager herum und am Boden bilden sich schmierige Wasserpfützen. Alle Beteiligten stehen auf Holzbrettern über einem großen Wasserbassin. „Da habe ich auch schon viel Adrenalin gespürt“, erinnert sich Anna Usbeck. „Die Männer wussten zwar, wie die Pumpe funktioniert, aber die haben mich machen lassen, weil die mal sehen wollten wie ich das so mache“. Als die Pumpe gleich anspringt und in ein gleichmäßig tiefes beruhigendes Brummen übergeht, atmet sie leise tief aus. Testlauf bestanden.

Von der Industrie an die Uni

Eigentlich durch Zufall landet die Usbeck später an der Universität, promoviert und wird im Wintersemster 2013/14 die erste Professorin in der Abteilung Maschinenbau und Produktion an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg.

Auch Prof. Dr. Tamara Appelt arbeitet erst in der Industrie bevor sie an die Fachhochschule in Dortmund berufen wird. Während Anna Usbeck an der Universität Familie und Beruf besser vereinbaren kann, will Tamara Appelt an der Hochschule mehr Freiräume, sie will mehr gestalten. Ein Arbeitsumfeld mit fast nur männlichen Kollegen sind beide Frauen in der Industrie lange gewöhnt. Als erstes bekommen  beide zuerst die Erstsemestervorlesungen von den Kollegen übergeben. Bei Tamara Appelt begründen die männlichen Kollegen es so: „Dann hast Du es nicht so Dicke. Und es ist einfacher für Dich am Anfang!“ Das Gegenteil ist der Fall, beide Frauen in Hamburg und Dortmund stellen schnell fest: Das sind die Veranstaltungen mit den meisten Studierenden, den meisten Klausuren und dem meisten Arbeitsaufwand.

„Eine Meisterin hatte ich noch nie“

Tamara Appelt ist an der Fachhochschule in Dortmund eine von drei Professorinnen mit 24 männlichen Kollegen. Sie unterrichtet im Fachbereich Maschinenbau. Ihre Vorlesungen sind meist rappelvoll. „So 300 – 400 Studierende habe ich meist in meinen Erstsemestervorlesungen, die machen natürlich deutlich mehr Arbeit. Und es stresst schon, Ruhe in so eine große Veranstaltung zu bekommen.“ Im Gegensatz zu Anna Usbeck hat Tamara Appelt in ihren Vorlesungen auch ein paar Studentinnen. Laut Statistik sind an der Fachhochschule in der Sonnenstrasse in Dortmund aktuell fast sieben Prozent Frauen im Maschinenbau eingeschrieben. Aber: „Die Studentinnen fallen weniger auf, die gehen weniger in kontroverse Diskussionen. Als Frau hat man schnell den Ruf, zickig zu sein.“ Außerdem studieren an der Fachhochschule auch gelernte und erfahrene Meister, aber eine Meisterin hat Tamara Appelt hier noch nicht erlebt.

Professorin Dr. Tamara Appelt lehrt im Fachbereich Maschinenbau Foto: FH Dortmund

Anders als Anna Usbeck hat es Tamara Appelt in ihrem Beruf in der Stahlindustrie vor ihrer Professur als Vorteil angesehen, die einzige Frau zu sein. Um wahrgenommen zu werden, brauche sie gar nicht zu dominieren, sie ist als Einzige einfach immer sichtbar. Sie empfindet es als Vorteil, allein unter Männern zu sein: „Während sich die Männer abstrampeln müssen, um vor dem Vorstand zu brillieren und aufzufallen, hatte ich einfach ein Alleinstellungsmerkmal. Ich war immer im Fokus.“ In ihrem Beruf ist sie ist fast zu jeder Baustelle im Ruhrgebiet unterwegs. Aber sie will mehr Freiheitsgrade: „Ich wollte selber gestalten, ich wollte in der Forschung dabei sein.“ Inzwischen überlegt sie vorher, ob sie Erstsemestervorlesungen übernehmen will. Sie konzentriert ihre Kräfte darauf, ihre Seminare zusammen mit den Studierenden neu zu gestalten und verbindet High-End Forschung zum Beispiel mit einer Schreibwerkstatt.

Manchmal muss man auch nein sagen 

Aber eines eint beide Professorinnen: Auch, wenn wenige Frauen an der Uni in diesem Fach lehren, sie werden überproportional mehr gebeten, die Arbeit in den Gremien der Verwaltung zu machen. „Wir sind  nur fünf Prozent Frauen und wir sollen in den Gremien 40 Prozent wiederspiegeln“, beschreibt Anna Usbeck den Aufruf der Verwaltung zusätzliche Arbeit in den Räten, Ausschüssen und Kommissionen zu leisten, die auch nicht auf ihre Stunden angerechnet werden. Tamara Appelt hat schnell gelernt: „So füllt sich der Teller und ich komme schnell zu: Land unter“. Inzwischen lehnt sie zusätzliche Verwaltungsarbeit auch mal ab. „Vor ein paar Tagen habe ich das erste Mal nein gesagt, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen“. Dafür gestaltet sie lieber die Vorlesungen um, für die sie auch gerne mal etwas Neues ausprobiert.

Die Anzahl an Professorinnen stagnieren seit einigen Jahren auf dem niedrigen Niveau. In Dortmund sind an der TU zwei von 19 Professoren Frauen, an der FH ist das Zahlenverhältnis nicht viel anders. Nur an der Ruhr-Universität-Bochum (RUB) fällt ein doppelt so hoher Frauenanteil auf. 1997 gab es hier noch keine Professorin, jetzt haben sie sechs. „Wir haben eine unglaublich engagierte Gleichstellungsbeauftragte“, begründet dies Bastian Neysters aus der Öffentlichkeitsarbeit. „Zum anderen handelt es sich bei den 20,7 Prozent Frauen im Maschinenbau auch um Juniorprofessorinnen, von denen die RUB überproportional viele hat. Betrachtet man nur die ordentlichen Professoren, so wären es in Bochum 13% mit drei Frauen.“ Immerhin erstellt die Pressestelle der RUB die ausführlichsten Auswertungen über ihren Frauenanteil im Maschinenbau. Dennoch: auch an der RUB stagnieren die Zahlen seit einigen Jahren.

 

Beitrags- und Titelbild: TU Dortmund/Roland Baege

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