Eine „Smombie“-Falle auf dem Campus

 

Dennis, Julia und Ruben appellieren für mehr Kommunikation abseits des Smartphones.

Seit Montag schnappt sie zu: Die „Smombie“-Falle. Vor allem zu den Stoßzeiten auf dem Campus der TU Dortmund lockt ein Wohnwagen zwischen der S-Bahn-Station und der Emil-Figge-Straße 50 mit ungewöhnlichen Tönen und einer Gestaltung à la Whatsapp viele Smartphone-Zombies an. „Piep, piep“, „Hallo?“, dröhnt es auf den eigentlich ruhigen Weg.

Die Töne sind durch die Kurznachrichten-Anwendung Whatsapp bekannt. Die Gespräche einer jungen Frau und ihre deutliche Unachtsamkeit in der Welt abseits ihres Smartphones kommen auch vielen der Studenten bekannt vor. Sie, die sonst so stark auf ihre Smartphones fokussiert sind, dass es scheint, als würden sie mit Scheuklappen durch die Welt gehen, bleiben stehen und betrachten das Projekt. 

Verantwortlich für diese Falle sind die drei Studenten Julia Bienenmann, Ruben Jacobowsky und Dennis Swienty. Sie stellen noch bis Freitag ihre Semesterarbeit im Seminar für Kulturanthropologie des Textilen in dem Wohnwagen aus. Sie sind die dritte und letzte Gruppe aus dem Seminar, die ihre Arbeit in der Kurzzeit-Galerie präsentiert. Mit ihrem außergewöhnlichem Konzept sorgten die drei schon einen Tag nach der Installation des Kunstwerkes für viel Aufsehen. Grund dafür ist vor allem die auditive Komponente der Ausstellung: Eine insgesamt 20-minütige Aufnahme einer jungen Frau schallt von 10 bis 16 Uhr aus dem Lüftungsschaft des Wohnwagens.

Die „Smombies“ glauben, sie haben eine neue Nachricht bei Whatsapp bekommen

Die "Smombie"-Falle

Die „Smombie“-Falle auf dem Weg zur EF50.

Die Aufnahme begleitet – im Zeitraffer – den Tag eines Mädchens, dass nur auf ihre neuen Whatsapp-Nachrichten konzentriert ist und dabei das echte Leben außer Acht lässt. Den Whatsapp-typischen Benachrichtungston bekommt fast jeder, der die mobile Galerie passiert, zu hören. Einige schauen direkt verwundert auf den Wohnwagen, den sie zuvor nicht richtig wahrgenommen haben. Andere greifen direkt nach ihrem Mobiltelefon in der Jackentasche oder tippen etwas hektischer als zuvor auf dem Smartphone, dass sie eh schon in der Hand halten. Nach wenigen Sekunden fällt den letzten beiden Arten von „Smombies“ auf, dass es keine neue Whatsapp-Nachricht zu überfliegen gibt. Nun ist auch ihr Blick auf den Wagen gerichtet.

Der Blick fällt auf die Scheiben des Anhängers. Die Farbkombinationen von gesendeten, empfangenen und zugestellten Nachrichten erkennt der gemeine „Smombie“ schnell. Vergrößerte und gedruckte Screenshots von Whatsapp-Chat-Verläufen sind von innen auf die Scheiben geklebt. Der nächste Blick geht auf die im Aussteller liegenden Postkarten. Ein ungewöhnlicher Anblick für die „Smombies“ der TU Dortmund: Auf der Postkarte ist ein Sticker mit einem rot durchgestrichenen Whatsapp-Symbol abgebildet – mitnehmen und aufkleben erwünscht.

Foto: Dorothea Schmitz

Chatverläufe am Fenster des „Dienstwagens“.

Diese Verhaltensweise der „Smombies“ beobachten die Fallen-Bauer mit Freude. Julia, Ruben und Dennis sind ja überhaupt erst durch die „Smombies“ dieser Welt auf die Idee zu dem Projekt gekommen, wie die drei berichten: „Der Einfall kam uns, weil „Smombie“ zum  Jugendwort des Jahres 2015 gewählt wurde.“. „Smombie“ setzt sich aus den Wörtern Zombie und Smartphone zusammen. Menschen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die den Blick von ihrem Smartphone in kaum einer Situation heben können. Sie laufen wie Zombies durch die Welt, ferngesteuert und dabei stets auf der Jagd nach einer neuen Nachricht, einem neuen Like oder einer neuen, uninteressantesten Twitter-Weisheit.

Man redet nicht mehr miteinander, man chattet

Die drei Studis stellen sich nicht über die „Smombies“: „Wir nutzen es selbst. Wir wollen Whatsapp nicht boykottieren, aber an die Nutzer appellieren, wieder mehr menschlichen Kontakt in der echten Welt zu haben! Wir haben einige unserer eigenen Chatverläufe vergrößert und an die Scheiben geklebt. Bei uns selbst ist uns aufgefallen, dass wir auch wenn wir nebeneinander sitzten, manchmal mehr über Whatsapp kommunizieren, als miteinander zu sprechen.“ Deshalb ist das Motto auch: „Communication? Communicate!“. Für einen Moment den Blick heben, die Umwelt und den Menschen vor sich erkennen. Mit ihm zu kommunizieren, wie es über eine Textnachricht trotz 1000 Emojios nicht möglich ist: Mit Betonung, Körpersprache, Blicken, Berührungen, Mimik und Geruch.

Julian, Ruben und Dennis haben es geschafft: Die eigentlich vorbeischleichenden „Smombies“ bleiben stehen, schauen sich um. Nehmen ihre Umwelt, Mitmenschen und den kleinen Weckruf wahr. Für den Moment und vielleicht – durch den Appell der drei Künstler – für weitere Augenblicke.

Der Dienstwagen
Der „Dienstwagen“ ist ein mobiler Ausstellungsraum für Projekte von Studenten. Die akademische Rätin für Gestaltung Silke Wawro am Seminar für Kulturanthropologie des Textilen hat den Wagen vor zwei Jahren auf eigene Faust gekauft und ihn zusammen mit und für Studenten zu einem „White Cube“ (einem leeren, weißen Ausstellungsraum) umgebaut. Wawro wollte etwas für ihre Studenten und das kleine, für ihren Geschmack viel zu unbekannte Fach tun.

Silke Wawro hat den „Dienstwagen“ eigens für ihre Studenten angeschafft

Fotos: Dorothea Schmitz

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