Müssen wir Feiertage an die Gesellschaft anpassen?

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Feiertage – was bedeuten sie heute eigentlich noch? Wer an Pfingsten oder Himmelfahrt denkt, der freut sich in erster Linie auf ein weiteres langes Wochenende. Es steckt aber mehr dahinter, auch wenn das in Vergessenheit gerät. Feiertage sind Teil von Religionen und haben meist eine lange Tradition. Nun gibt es Stimmen, die fordern, es müsse in Deutschland nicht bloß christliche Feiertage geben, sondern zum Beispiel auch muslimische. Aber ist das überhaupt machbar und notwendig? Anja Lordieck und Christina Joswig haben ihre Meinung dazu.

Es ist eine Frage des Respekts, 

findet Christina Joswig

Es gibt elf gesetzliche Feiertage, die für ganz Deutschland gelten. Davon sind bis auf zwei (Tag der Arbeit und Tag der Deutschen Einheit) alle christlicher Herkunft. Kennen wir überhaupt ihre Bedeutung? Weihnachten und Ostern – das kriegt man noch zusammen. Aber kaum einer kennt die genaue Bedeutung von Pfingsten oder Allerheiligen, geschweige denn, warum er an diesem Tag in die Kirche gehen müsste.

Klar, gibt es viele tatsächlich gläubige Menschen in Deutschland, die diese Feiertage mit einem Kirchenbesuch oder einem Gebet ehren. Für die große Mehrheit bedeuten sie aber vor allem eins: Frei haben. Keine Arbeit, keine Schule und keine Einkaufsmöglichkeiten.

Anzahl an Muslimen steigt – Feiertage bleiben gleich

Die zweite Frage die sich stellt, warum gibt es neun gesetzliche Feiertage für Christen und keinen einzigen für Muslime? Laut einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung lebten 2009 ungefähr 5% Muslime in Deutschland, für 2030 werden 7% prognostiziert. Das mag auch mit den hohe Flüchtlingszahlen zusammenhängen. Viele geflüchtete Personen stammen aus dem Irak, Syrien oder Afghanistan und sind Muslime. Wenn wir diesen Menschen eine würdige Heimat bieten wollen, in der sie sich wohlfühlen, sollten ihnen auch ihre eigenen Feiertage gewährt werden. Es würde niemandem weh tun, zum Beispiel auch das Zuckerfest zu einem Feiertag zu erklären.

Anstatt darüber zu debattieren, ob Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, nachgeholt werden sollen, sollte man lieber darüber diskutieren, was Feiertage überhaupt noch für eine Bedeutung tragen. Die Frage ist, ob es mehr darum geht, einen Tag frei zu haben und sich zu erholen, oder den Feiertag an sich zu zelebrieren.

Keine Kultur ignorieren

Im Kern sollte es doch darum gehen, dass jede Kultur, die in Deutschland lebt, hier auch ihren Platz findet. Und wenn das bedeutet, auch einen gesetzlichen Feiertag zusätzlich zu haben, warum nicht.

Neben den gesetzlichen Feiertagen, die für die gesamte Bundesrepublik gelten, können die Bundesländer selbst entscheiden, welche Feiertage sie feiern. Das Bundesland hat nicht nur die Verantwortung, die Wünsche und Bedürfnisse der deutschstämmigen Bevölkerung zu erfüllen, sondern die der gesamten Bevölkerung, egal welcher Herkunft und welche Religion. In Bundesländern, in denen sehr viele Muslime leben, wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder Hamburg, sollten ihre Bräuche auch berücksichtigt werden. Genauso bei andere Religionsgruppen.

Feiertage müssen modernisiert werden

Unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter und das müssen auch die Feiertage tun. Es geht dabei nicht darum, einfach einen weiteren freien Tag zu haben, sondern einer Kultur einen Platz in unserer Gesellschaft einzuräumen. In einer zunehmend multinationalen Bevölkerung wie in Deutschland, ist es eine Frage des Respekts, auch die hinzugekommenen Kulturen zu berücksichtigen. Sie aufzunehmen, bedeutet nicht nur, sie zu beherbergen. Sie aufzunehmen bedeutet, sie zu integrieren und dafür brauchen auch ihre Religion und Kultur Platz, den wir endlich schaffen sollten, auch auf politischer Ebene.

Die Umsetzung ist unrealistisch,

findet Anja Lordieck

In Deutschland haben die Arbeitnehmer nur an christlichen Feiertagen frei – keine andere Religion wird dabei berücksichtigt. Ist das eigentlich fair? Wenn man sich diese Frage stellt, gibt es zwei mögliche Lösungen: Entweder es werden alle christlichen Feiertage abgeschafft oder auch jede andere Religion bekommt ihre eigenen Feiertage.

Abschaffung könnte zu Streik führen

Beide Lösungen sind nicht sinnvoll. Nehmen wir mal an, alle Feiertage würden abgeschafft: Ein Streik der Arbeitnehmer würde dem anderen folgen. Schließlich gibt es die meisten Feiertage seit Jahrzehnten. Mal abgesehen davon, dass auch die Kirche auf die Barrikaden gehen würde. Die christliche Religion ist nun mal die größte in Deutschland – die, die die meisten Menschen betrifft. Sie ist Teil unserer Kultur. Könnten diese Menschen ihre Religion nicht mehr an ihren höchsten Feiertagen ausüben würde das gegen die Religionsfreiheit verstoßen würde. Also: Feiertage abschaffen? Geht nicht.

Niemand kann Entscheidung über neue Feiertage treffen

Warum sollten die Feiertage also nicht angepasst werden? Ganz einfach: Das ist nicht machbar. Als erstes müsste definiert werden, was als Religion gilt und was nicht. Also welche Religion es „wert“ ist, ihre Feiertage in ganz Deutschland zu etablieren. Gilt das nur für das Judentum, den Islam, vielleicht noch den Hinduismus und den Buddhismus? Was ist dann mit Untergruppen, Sekten, oder religiösen Gemeinschaften? Sind diese zu „jung“? Muss eine Religion ein bestimmtes Alter haben, damit ihr Glaube als „richtig“ und „wahr“ gilt? Wer kann so etwas entscheiden? Welche Voraussetzungen muss eine Religion erfüllen, damit sie ihre Feiertag ungestört in Deutschland feiern kann?

Ich denke, dass niemand so anmaßend ist, diese Entscheidung zu treffen. Dazu ist keiner objektiv in der Lage. Abgesehen davon, dass es dann wahrscheinlich so viele Feiertage gäbe, dass wir öfter frei hätten, als wir arbeiten.

Keine Minderheit beschwert sich

Die Feiertage anzupassen, ist also ebenfalls nicht machbar. Das ist vielleicht nicht fair. Kein Muslim beschwert sich darüber, dass er frei hat, auch wenn er mit dem Feiertag nichts anfangen kann. Die Argumente für eine Änderung der Feiertagsregelung sind vielleicht nachvollziehbar – die Umsetzung aber ist unrealistisch.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/Marco Verch

Beitragsbild: Jo N/flickr.com/Creative Commons

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