Die Parteichefs der großen Koalition haben sich am Donnerstag (28.01.2016) auf ein neues Asylpaket geeinigt. Es sieht unter anderem vor, den Familiennachzug für Flüchtlinge einzuschränken. Außerdem sollen abgelehnte Asylbewerber schneller ausgewiesen werden. Mit dem Asylpaket II hat die Regierung es endlich geschafft, weitestgehend auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Unser Autor findet: Das Ergebnis bietet trotzdem Anlass zur Kritik.
Obwohl Gabriel, Merkel und Seehofer seit Donnerstag wieder eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik gefunden haben, sind manche Beschlüsse des Asylpakets nicht nachvollziehbar. Bereits Anfang November hatten sich die drei Parteichefs auf eine Aussetzung des Familiennachzugs für eingeschränkt Schutzbedürftige geeinigt. Kaum war der Beschluss gefasst, meldeten sich kritische Stimmen aus den Reihen der SPD. Parteichef Sigmar Gabriel zog daraufhin seine Zustimmung zurück – und das neue Asylpaket ruhte.
Nach langem Streit kommt die Regierung zu einer Einigung
Viele peinliche Auftritte von CSU-Chef Horst Seehofer folgten. Frustriert über das Scheitern des Asylpakets führte er Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag in Wildbad Kreuth Ende November regelrecht vor. Zuletzt drohte er der Kanzlerin in einem Brief mit einer Verfassungsklage, falls sie ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht ändern werde. Sie selbst hatte mit den zunehmend kritischen Stimmen aus ihrer eigenen Partei, der CDU, zu kämpfen. Trotzdem behielt sie ihren Pro-Flüchtlings-Kurs bei. Wirkt das überzeugend? Wohl kaum. Mit dem neuen Asylpaket folgt jetzt der vermeintliche Befreiungsschlag. Erklärtes Ziel: Stärke demonstrieren und die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber reduzieren.
Die Pläne der #GroKo zum #Familiennachzug widersprechen allem, was wir über #Integration wissen. #Asylpaket
— K. Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) January 29, 2016
Ein bereits bekannter und eigentlich schon gefasster Beschluss im Asylpaket II ist die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär schutzbedürftige Menschen. Sahra Wagenknecht von den Linken kritisiert die Einführung von „Zwei-Klassen-Flüchtlingen“. Doch wer bestimmt, wer ein Flüchtling „erster Klasse“ und wer einer „zweiter Klasse“ ist? Darin zeigt sich das grundlegende Problem dieses Beschlusses. Es ist klar, dass Deutschland nicht noch einmal über eine Million Flüchtlinge aufnehmen kann. Die Kapazitäten der Kommunen sind schon jetzt erschöpft. Aber Menschen, die vor Verfolgung oder Folter fliehen, fürchten natürlich auch um das Leben ihrer Familien. Und ihnen sagt die Bundesregierung nun: Nein, ihr seid nur eingeschränkt schutzbedürftig und dürft deshalb eure Familien nicht nachholen. Das ist unmenschlich und ungerecht!

Bald können einige Flüchtlinge ihre Familien nicht mehr nachholen. Foto: flickr.com/David Lisbona
Statt die Familien nachzuholen und so für eine bessere Chance für eine Integration in Deutschland zu sorgen, sollen Flüchtlinge laut dem Asylpaket II in Zukunft finanziell an der eigenen Integration beteiligt werden. Zehn Euro soll jeder von ihnen monatlich für Integrationskurse bezahlen, beispielsweise für Sprachkurse. Diese Maßnahme soll die Menschen zur Integration verpflichten. Dabei haben wir doch ein Interesse daran, dass sich die Flüchtlinge integrieren. Diese jetzt zusätzlich zu belasten, ist definitiv ein falsches Signal.
Für Aufnahmezentren fehlt Personal
Eine weitere Strategie der großen Koalition, um die Flüchtlingszahlen einzudämmen, ist die Einrichtung von speziellen Aufnahmezentren. Prinzipiell ist das Konzept eines Aufnahmezentrums, vor allem für Flüchtlinge ohne Perspektive auf Asyl, keine schlechte Idee. Die Anträge können schneller bearbeitet, die Menschen schneller in ihre Heimatländer zurückgeschickt und der ganze Prüfungsprozess beschleunigt werden. Probleme wird es bei der Umsetzung des Konzepts geben. Schon jetzt sind Polizisten an den deutschen Grenzen überfordert von dem Ansturm der Menschen. In den Wintermonaten ist der Andrang zwar etwas zurückgegangen, aber spätestens im Frühjahr wird er wieder anschwellen.
Die Beamten bekämen durch die Einrichtung solcher Aufnahmezentren neue Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nähmen. Die Polizei müsste weiter an den Grenzen kontrollieren, wer nach Deutschland einreisen möchte und zusätzlich die Menschen, die eingeschränkt schutzbedürftig sind, in den Aufnahmezentren überprüfen und zurückschicken. Dafür bräuchte es aber ein viel höheres Kontingent an Beamten, die diese Aufgaben übernehmen können. In Zeiten des Personalabbaus bei der deutschen Polizei kann das nicht funktionieren!

Bald wird es Aufnahmezentren für Flüchtlinge geben. Foto: flickr.com/Metropolico.org
Bisher gab es außerdem viele Ausnahmen bei der Ausweisung abgelehnter Asylbewerber, beispielsweise bei gesundheitlichen Problemen. Flüchtlinge, die sich nicht in der Lage sahen aufgrund ihrer Verfassung in ihr Heimatland zurückzukehren, bekamen sozusagen eine Schonfrist. Diese soll laut dem neuen Asylpaket für noch weniger Menschen gelten. In Zukunft sollen nur noch Flüchtlinge mit schweren Krankheiten vor der Abschiebung geschützt werden. Doch wo wird die Regierung die Linie zwischen „weniger und schwer kranken Menschen“ ziehen? Ab wann definiert sie eine schwere Krankheit? Bei Fieber, bei Grippe, bei Krebs… Wer will das schon entscheiden? Ich nicht.
Weitere sichere Herkunftsländer
Marokko, Algerien und Tunesien sollen mit dem neuen Asylpaket zu sicheren Herkunftsländern werden. Zuletzt waren die Flüchtlingszahlen aus diesen Ländern merklich angestiegen. Die Entscheidung wirkt wie ein verzweifelter Versuch, ein großes Loch in der Flüchtlingskrise zu stopfen. Falls dieser Beschluss in Kraft tritt, hätten Menschen aus diesen Ländern geringere Chancen, Asyl in Deutschland zu bekommen.
Doch sind Länder wie Tunesien wirklich sicher? Nein. Das gesamte Gebiet ist seit dem Arabischen Frühling destabilisiert. Unklare politische Verhältnisse und Terroranschläge sind das Ergebnis. Gerade Tunesien hatte in der jüngsten Vergangenheit mit vielen Anschlägen, auch auf Touristen, zu kämpfen. Zusätzlich wird Marokko und Algerien vorgeworfen, Grund- und Menschenrechte regelmäßig zu verletzen oder gänzlich zu missachten. Der Beschluss ist lediglich ein Gewinn für die Schlepper und Schleuser, da den Flüchtlingen nur noch eine illegale Einreise als Alternative bliebe.
#Asylpaket II ist Teil unserer Gesamtstrategie, eine europ. Lösung zu suchen und das zu tun, was national notwendig ist, so #Kauder
— CDU/CSU (@cducsubt) January 29, 2016
Der Beschluss des Asylpakets II soll für die Einigung und Handlungsfähigkeit der großen Koalition stehen. Das Schicksal der Flüchtlinge findet dabei kaum Beachtung. Der Beschluss erweckt den Eindruck, die Regierung wolle mit allen Mitteln möglichst viele Flüchtlinge abschieben oder fernhalten – sei es durch Aufnahmezentren oder das Verbot des Familiennachzugs. Die große Koalition verkauft das neue Asylpaket als eine große Errungenschaft. Die Menschen, die es betrifft, kann das die Zukunft kosten.
Beitragsbild: flickr.com/Px4u by Team Cu29