Duell: Müssen wir Angst vor Aluminium-Deo haben?

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Aluminium im Deo oder Pestizide auf der Weintraube – Irgendwie schlummern überall Gefahren, die Zahl der Warnungen scheint schier unendlich. Alles nur Angstmache? Oder müssen wir genau hinhören? Die pflichtlektüre-Autorinnen Vanessa Martella und Mona Ameziane sind da geteilter Meinung. 

Ja!

Ich bin kein An-der-Tankstelle-die-Nase-Zuhalter und ich habe auch keine Angst vor verbranntem Toast. Kurzum: Ich glaube nicht, dass überall wo wir gehen und stehen der Krebs nur so lauert. Trotzdem passe ich ganz gerne auf mich auf. Besonders wenn Dinge so einfach sind: Anstatt Weintrauben also ungewaschen in mich reinzustopfen, nehme ich mir die zwei Minuten am Waschbecken. Ich versuche nicht ständig nur E-Nummern auf meinen Teller zu bringen, sondern koche lieber frisch. Und ja, ich mache einen Bogen um Shampoo mit Silikonen. Warum auch nicht? Meine Frisöse hat’s empfohlen und ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass meine Haare tatsächlich davon profitieren. Bin ich übervorsichtig? Das glaube ich nicht. Ich passe eben ganz gern auf mich auf. Und ich bin kein Freund von dieser allgemein verbreiteten Egal-Stimmung.

Käse ohne echte Milch? Egal. Mit Antibiotika vollgepumptes Fleisch? Auch egal. Metalle im Deo, irgendwie unerforschte Zutaten in Energydrinks, gefärbtes Fleisch, dazu wahnwitzige Haltbarkeitsdaten, und völlig ungenierte Versprechungen, die von Wunderdeos oder wochenlanger Haarspraywirkung sprechen – dem Konsumenten ist heute doch wirklich alles egal. Warum? Es ist schlichtweg einfacher, sich nicht um Warnhinweise zu kümmern. Und nicht nur das: Es ist in den meisten Fällen auch billiger.

So hat die Deutsche Krebsgesellschaft bereits 2004 vor dem Konservierungsstoff Paraben gewarnt, der in vielen Deos und Pflegeprodukten enthalten ist, denn er könnte in Zusammenhang mit Brustkrebs stehen. Ebenso ist es nun mit besagtem Aluminium im Deo. ‚Könnte‘ reicht den meisten Menschen aber eben nicht. Die probieren es lieber aus. Mir dagegen ist das genug, um nach Produkten zu gucken, die dieses Risiko eben nicht mit auf meine Haut sprühen. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker – ich glaube nicht, dass jede Frau, die ein handelsübliches Deo benutzt, auf der Stelle Brustkrebs bekommt. Aber ich verstehe auch nicht, warum kaum jemand darauf reagiert.

Natürlich gibt es Spannenderes, als sich mit Aluminium im Deo zu beschäftigen. Es gibt auch schöneres als sich durch hunderte von angeblich krebserregenden Lebensmitteln zu kämpfen und sich zu überlegen, was nehme ich ernst und was nicht. Aber ich versuche es wenigstens. Warnungen, die mir so offensichtlich über den Weg laufen, ignoriere ich eben nicht. Wer bin ich, mein Urteil über das der Deutschen Krebsgesellschaft zu stellen? Dabei bin ich nicht immer konsequent. Auch ich kann mir schwer vorstellen, dass am Joghurtdeckel lecken wirklich gefährlich ist, sofern man kein Joghurt-Junkie ist. Aber immerhin versuche ich mir über jeden Hinweis eine Meinung zu bilden, ohne alles über einen Kamm zu scheren. Immerhin ist mir nicht alles egal.  

Nein!

6.30 Uhr, der Wecker meines Handys klingelt auf dem Nachttisch. Ich schlage die Bettdecke zurück, in der mindestens ein giftiges Halbmetall lauert und putze mir die Zähne mit Zahnpasta, deren Inhaltsstoffe Antibiotikaresistenz fördern sollen. Unter der Dusche benutze ich mein Shampoo mit beschwerenden Silikonen und sprühe mir danach Deo unter die Arme, das mit Sicherheit Aluminium enthält. Bevor ich zur Uni fahre schmiere ich mir schnell ein Toast, störe mich nicht an der kleinen angebrannten Stelle und nasche auf dem Weg nach draußen noch ein paar Weintrauben – ungewaschen natürlich.

Ich war sieben Jahre alt, als ich das erste Mal entschied die Warnung „Das ist krebserregend!“ konsequent zu ignorieren. Damals konnte ich nicht genug bekommen von diesen bunten, eingerollten, 180 cm langen Kaugummis in den runden Dosen, die auch in der Schule total angesagt waren. Irgendwann las meine Mama dann wohl einen Artikel, der die Dinger als schädlich einstufte und von da an war Schluss mit cool sein. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass ein harmloses pinkes Streifchen Kaugummi etwas mit einer so furchtbaren Krankheit wie Krebs zu tun hat und kaufte mir heimlich hin und wieder eine Packung auf dem Schulweg am Kiosk. 

Es ist nicht so, dass ich lebensmüde, unvorsichtig oder ignorant bin. Echt nicht. Aber mein Leben wäre um einiges anstrengender, wenn ich sämtliche Ratschläge und Warnungen ernst nehmen und auf alles verzichten würde, was schädliche Stoffe enthält, eventuell giftig ist oder krank machen kann. Was nicht bedeutet, dass auf jeden Fall alle Warnhinweise Quatsch sind! Es wäre schwachsinnig zu behaupten, dass Aluminium unter den Achseln oder verbranntes Essen nicht ungesund ist. Mein Problem ist jedoch, dass ich langsam den Überblick verliere, was wirklich gefährlich ist und was vielleicht nur nicht zu 100 Prozent gesund. Vor allem, weil sich oft die Geister scheiden, wenn es um den Alltag als Giftcocktail geht. 

Internetforen quellen über vor Fragen wie „Ist das Ablecken von Joghurtdeckeln jetzt schädlich oder nicht?“, „Erhöht Süßstoff echt das Krebsrisiko?“ oder „Darf ich nachts neben meinem Iphone schlafen?“. In diversen TV-Sendungen werden dann fleißig die Gerüchte und Mythen um gesundheitsschädliche Stoffe wieder aufgelöst und hinterher weiß man überhaupt nicht mehr was man glauben soll. Denn selbst wenn ich auch die letzte Milbenfamilie aus meiner Matratze verjagt und mein Obst zum dritten Mal mit Desinfektionsmittel gesäubert hätte, würde irgendjemand herausfinden, dass Würstchenwasser schlecht für die Nieren ist, von Wattestäbchen gefährliche Strahlen ausgehen oder zu viel Nachdenken über Schadstoffe juckende Ausschläge fördert. 

 

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Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Mona Ameziane

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