Tischlein, tausch dich

In 20 Jahren das durchgelegene Sofa zurückgeben, obwohl die Füllwatte schon rausquillt? Geht. Der Star auf dem nächsten Polterabend sein, weil das gesamte Porzellan aus der örtlichen IKEA-Filiale kommt? Könnte klappen.

So selbstlos gibt sich das Unternehmen gegenüber seinen Kunden. (Fotos: Tobias Lawatzki)

So selbstlos gibt sich das Unternehmen gegenüber seinen Kunden. (Fotos: Tobias Lawatzki)

Kürzlich hat das schwedische Möbelhaus IKEA sein Rückgaberecht extrem gelockert. Zur Freude von Geizkragen und Sparfüchsen: Wer nach dem 26. August 2014 dort eingekauft hat, kann seine Errungenschaften ein Leben lang zurückgeben. Wenn – das sagt IKEA – die Ware einem nicht mehr gefällt.

Aber in letzter Zeit kamen vermehrt Stimmen auf, die das Konzept anzweifelten. Niemand konnte so recht glauben, dass das lebenslange Rückgaberecht wirklich funktionieren wird. Die meisten vermuteten eine Falle im Kleingedruckten. Womöglich könnte der Konzern seine Entscheidung bald sogar zurücknehmen. Doch ein Selbstversuch zeigt: Es klappt tatsächlich!

Im Grunde genommen kennen wir dieses Modell ja schon. Einkaufen, wenn man alles umtauschen kann, das geht beim Online-Shopping schon lange. Und viele Anbieter haben damit riesigen Erfolg. Warum sollte das also nicht auch im „echten Leben“ funktionieren?

„Du kannst es ja umtauschen“

Ganz anders als auf dem Internet-Marktplatz ist das Gefühl, wenn man durch ein Möbelhaus schlendert und den Einkaufswagen mit allem vollpacken kann, was man mal gebrauchen könnte. Auch mit Dingen, die einem vielleicht in zwei Tagen schon nicht mehr gefallen. Ein Teppich mit gewagtem Muster, ein Spiegel, für den eigentlich kein Platz ist – „Nimm’s mit, du kannst es ja umtauschen!“ Der Kunde muss keine Kaufentscheidung mehr fällen. Es ist wie Leihen auf Zeit – vorausgesetzt, man möchte sich die Mühe mit dem Umtauschen wirklich machen. 

In einem offiziellen Statement, das uns vorliegt, bestätigt IKEA die Gültigkeit des Rückgaberechts: „Da wir unseren Kunden die Möglichkeit bieten möchten, bei uns gekaufte Produkte in Ruhe zuhause auszuprobieren, ist also keine Originalverpackung nötig, das Produkt darf auch Gebrauchsspuren aufweisen.“

Gebrauchsspuren? Bis zu welchem Grad? Das wollten wir überprüfen; und haben einen kleinen Beistelltisch gekauft und ihn „in Ruhe ausprobiert“. 

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Ergebnis: Der Tisch gefällt uns nicht mehr. Wir sind nicht mehr glücklich mit ihm. Wirklich! Er bleibt nicht mehr stehen und der Versuch ein Wasserglas darauf abzustellen, hat nur zu einer Pfütze auf dem Teppich geführt. Dass wir mit einem Hammer darauf eingeprügelt haben, verschweigen wir lieber. Aber: Wir haben allen Grund dazu, den Tisch im wunderschönen Blau-Türkis zurückzugeben – finden wir. 

Lange Schlangen bei der Rückgabe

Wir machen uns also erneut auf zum Möbelparadies. Nach einer großen Portion Kötbullar fühlen wir uns gestärkt für die Schlange an den Rückgabe-Schaltern. Nett, dass uns der Automat, aus dem die Wartenummern kommen, darauf hinweist, dass 30 Kunden vor uns warten. Um halb eins. An einem Dienstag.  

Die ganze Arbeit hat nichts genützt. Der Tisch sagt uns einfach nicht zu.

Die ganze Arbeit hat nichts genützt. Der Tisch sagt uns einfach nicht mehr zu.

Vor uns gibt eine junge Frau zehn originalverpackte Handtücher zurück. Vielleicht gefielen ihr die Farben doch nicht. Die wirken im Laden wohl wirklich ganz anders als zu Hause. Zur Sicherheit hatte die Kundin gleich vier verschiedene Versionen gekauft. Das Licht bei IKEA muss besonders schlecht sein. 

Doch nicht nur sie macht vom lebenslangen Rückgaberecht Gebrauch. Die Möbelhaus-Kette kann uns zwar auf Anfrage noch keine Zahlen und Erfahrungen aus den vergangenen Wochen nennen. Doch am Umtausch-Schalter bekommt man schnell das Gefühl, dass kaum jemand vor einem erneuten Ausflug zum Möbelhaus zurückschreckt. Das Marketing wird sich freuen. Wer noch einmal herkommt, wird das vermutlich auch für eine weitere Shoppingtour nutzen. 

Ping! „141“, unsere Nummer leuchtet auf, wir sind dran. 

„Oh!“

Wir hatten uns im Bus auf dem Weg zum Möbelhaus genau überlegt, was wir bei der Rückgabe sagen werden. Wir haben uns eine Geschichte überlegt, wie unser Tisch beim Transport versehentlich kaputt gegangen ist. Dass er ganz doof durch den Kofferraum geflogen ist, weil unser Fahrer so wild um die Kurven gefahren ist. Und wie er dabei gegen einen spitzen Gegenstand geschleudert wurde, der zufällig ein Hammer war. Doch all die Gedanken hätten wir uns sparen können. Denn, dass es so einfach sein würde, einen mutwillig zerstörten Tisch zurückzugeben, hätten wir uns nicht ausmalen können. 

„Oh“, lautet die Reaktion der Mitarbeiterin, als wir ihr sagen, dass uns der Tisch kaputt gegangen ist. Ohne weiter nachzufragen, scannt sie unseren Kassenbon. Sie versichert sich nur, ob noch alle Einzelteile dabei sind, ohne einen genauen Blick auf Tischbeine- und platte zu werfen. Nicht mal 30 Sekunden später haben wir unser Geld wieder. Ob wir es aufs Konto haben wollen oder als Geschenkkarte, können wir uns aussuchen. Wir nehmen die Kohle aufs Konto. Aus sicherer Entfernung können wir uns ein Lachen dann nicht verkneifen. 

IKEA sagt uns auf Anfrage, es vertraue seinen Kunden, dass sie gekaufte Ware nur zurückgeben, wenn sie ihnen wirklich nicht mehr gefällt. Dieses Vertrauen reicht also auch für zwei pflichtlektüre-Autoren mit Hang zu roher Gewalt.

Musik: Leap Forth (Throcke) / CC BY-NC-SA 3.0

„The Complex“ Kevin MacLeod (incompetech.com) / Creative Commons: By Attribution 3.0

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