Bei der Schlammfußball-WM in Finnland kämpft man um einen der dreckigsten Pokale der Welt. Der TU-Student Dennis Holtkamp war auch mit seinem Team dabei und hat in den finnischen Sümpfen Deutschland vertreten. Im Interview erklärt er, wie viel Matsch und Spaß hinter dieser ungewöhnlichen Sportart steckt.
pflichtlektüre: Du hast die letzten Tage im finnischen Lehm verbracht. Ich habe gehört, das soll die Haut weicher und zarter machen. Merkst du Unterschiede?
Dennis Holtkamp: Das muss ich in den nächsten Tagen kontrollieren. Nach der Meisterschaft habe ich mich zehn Jahre älter gefühlt, jetzt ist es wieder normal. Vielleicht fühle ich mich morgen zehn Jahre junger.
Wie tief kann man denn beim Fußballspielen in den Schlamm sinken?
Unterschiedlich. Es kann von knöchelhoch bis hüfthoch sein.
Wie spielt man Fußball auf „dreckige Art“?
Im Grunde genommen ist das ganz normaler Fußball aber im tiefen-tiefen Schlamm. Auch die Regeln sind ganz normale Fußballregeln: kein Faul, kein Handspiel. Was wirklich anders ist, ist der kleinere Platz. Und die Freistöße werden aus der Hand hochgeworfen und erst dann wird geschossen. Im Gegensatz zum normalen Fußball kann man taktisch nicht spielen. Wenn du den Ball versuchst zu dribbeln, bleibt er im Schlamm stecken. Das heißt, du kannst nur versuchen den Ball irgendwie nach vorne zu schießen und hoffen, dass da einer ist. Eine Sache noch: Wenn man einen Schuh verliert, darf man keinen Ersatzschuh anziehen. Also wenn er irgendwo stecken bleibt, muss er dann da bleiben. Im nächsten Spiel darf man einen neuen anziehen, aber nicht während dieses Spiels.
Und macht man die Schuhe irgendwie besonders fest an dem Fuß?
Viele haben um die Schuhe einfach ein Tapeverband rumgeklebt. Das hilft aber nicht immer. In den letzten Jahren haben die Finnen ordentlich viele Schuhe in den Sümpfen gefunden. Auch unser Torwart hat im ersten Spiel seinen Schuh verloren. Er ist auch nicht wieder aufgetaucht.
Wie hast du über Schlammfußball erfahren?
In einer Fußballzeitschrift gab es ein Interview von „John Medley’s„, unserem Sponsor, und Coach Ansgar Brinkmann, dem ehemaligen Bundesliga-Profi. Da ich ein Bielefeld-Fan bin, war er ein großes Idol von mir. Dementsprechend habe ich mich dort beworben. Später habe ich dann einen Anruf bekommen und habe mich super gefreut. Im Vorbereitungscamp in Essen waren auch 60 andere Leute, zehn sind weiter gekommen und ich war super froh, dabei zu sein.
Was musstest du denn in Essen zeigen um nach Finnland fliegen zu dürfen?
Das Vorbereitungstraining war wirklich sehr extrem. Es gab drei Aufgabenbereiche. Bei der Kraftübung gab es Tauziehen, man musste einen Baumstamm heben und den dann durch einen Parcour tragen, Medizinbälle weitergeben, in Sit-Up-Position bleiben. Diese Übung war das Härteste, was man überhaupt machen konnte.
Weiter ging es mit Fußballtechniken: Dribbling, Torschuss, Tonne lupfen. Und die ganze Zeit wollte ich unbedingt in den Schlamm rein. Ich habe die anderen gesehen, die schon vorher da drin waren. Das sah richtig geil aus. Ich war froh, als ich in den Matsch durfte. Bei der Schlammresistenzübung musste man wie beim Bund durch Reifen durch, ins Tor schießen und dann durch Baumstämme robben. Das hat richtig viel Spaß gemacht aber war schon viel härter als beim normalen Fußball. Ich spiele selber in der Kreisliga C und würde sagen, das Training in Essen war schon um einiges krasser als das, was ich in der ganzen Saison an Training in der anderen Mannschaft hatte.
Und warum kämpfen erwachsene Männer aus aller Kraft, um die Möglichkeit zu bekommen, im tiefen Dreck einen Ball kicken zu dürfen?
Es macht absolut großen Spaß. Wenn du da einmal drin bist, den Ball siehst, den Matsch siehst, bist du wieder ein Kind. Das ist einfach Wahnsinn!
Wahrscheinlich versteht man es wirklich nur, wenn man selbst im Schlamm gewesen ist. Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen einem deutschen und einem finnischen Matsch?
In Finnland zu spielen war viel schwieriger. Auf manchen Feldern gab es teilweise Stellen, wo man alleine kaum rauskommen konnte und wenn man es doch geschafft hat, konnte man kaum laufen. Oft gab es keine Standmöglichkeiten, du gehst rein und bist wirklich bis zur Hüfte drin. Beim zweiten Spiel hatten wir das fieseste Spielfeld. In der Mitte war ein Fluss und wenn man von einem Tor zum anderen wollte, musste man wirklich ins Wasser rein springen und durchlaufen. Länger als zwei Minuten Vollgas konnte man da nicht geben. Das war richtig anstrengend, ist gar nicht mit Essen zu vergleichen. Das gute ist, dass man nach dem Spiel den ganzen Dreck in der Sauna abspülen und abschwitzen konnte.
Also gibt es verschiedene Felder mit unterschiedlichen Spielkonditionen?
Ja, es gibt 22 Felder. Alle unterscheiden sich nach dem Schwierigkeitsgrad. Während des Spiels wird es zufällig ausgelöst. Man kann einen relativ flachen Platz bekommen oder richtig in den Sumpf rein kommen, je nachdem, ob man Glück oder Pech hat.
Aber das ist doch unfair?
Das ist unfair. Aber für alle Mannschaften.
Und ist das Spiel an sich fair? Oder kann es passieren, dass ein Spieler dem anderen auf den Fuß tritt?
Der Schlammfußball ist ein eindeutiges Kampfspiel. Im Schlamm kann man den Zweikämpfen überhaupt nicht ausweichen und jeder hat die angenommen. Das Spiel ist deutlich unkontrollierter, als beim normalen Fußball aber Fairplay steht im Vordergrund. Keiner versucht den anderen in den Matsch herein zudrücken oder zu treten. Das ist ein fairer Sport.
Gab es auch Verletzungen?
Bei der Schlamm-WM haben wir niemanden verletzt und wurden selber nicht verletzt. Aber bei der Vorbereitung in Essen gab es tatsächlich zwei gebrochene Zähen.
Also, was ist denn Schlammfußball für dich? Ist das eher Show oder eher Sport?
Ich würde schon sagen, dass es eher Sport ist. Aber noch viel mehr Spaß.
Info: Schlammfußball-WM in Finnland
Das erste Schlammfußball-Turnier fand 1989 in Finnland statt. Im Jahre 2000 ist das finnische Schlammfest international geworden. Seitdem spielen jedes Jahr rund 350 Mannschaften aus verschiedenen Ländern bei der Schlammfußball-Weltmeisterschaft mit. Auch in diesem Jahr haben sich über 5000 Teilnehmer angemeldet. Die Weltmeister werden in sieben Kategorien gesucht: Männer- und Frauen-Profiwettbewerb, Männer- und Frauen-Hobbywettbewerb, Firmen-Wettbewerb, Mixed-Wettbewerb und Adventure-Wettbewerb.
Die Regeln ähneln denen des traditionellen Fußballs mit ein paar Ausnahmen. Gespielt wird auf einem 60 mal 30 Meter großen Feld. Während des Spiels befinden sich 5 Spieler und ein Torwart aus dem jeweiligen Team auf dem Feld. Es darf aber unbegrenzt gewechselt werden, doch das Spiel wird während dessen nicht angehalten. Die Spieler müssen zwei Halbzeiten à 13 Minuten überstehen. Schuhwechsel während des Spiels ist verboten.