Die Cyborg-Schabe – Ethik vs. Wissenschaft

Mehr Praxisnähe geht nicht: Ein Team amerikanischer Neurobiologen hat den „Robo Roach“ für Hobbyforscher auf den Markt gebracht – eine durch das Smartphone ferngesteuerte Küchenschabe. Diese muss allerdings erst einmal selber gefangen und per Operation verdrahtet werden, bevor sie sich mit einem einfachen Wisch auf dem Display durch einen elektronischen Impuls steuern lässt. Das Ziel der Neurobiologen: Menschen den Zugang zur Neurobiologie erleichtern. Besonders der potenzielle Forschungsnachwuchs, wie Schüler und Studenten, soll durch das praxisnahe Projekt für die Neurobiologie begeistert werden.

Doch die Operation ist nichts für schwache Nerven. Immerhin muss unter anderem der Panzer der Schabe an bestimmten Stellen aufgebohrt und die Fühler gestutzt werden.

 Tierschutzorganisationen, wie die PETA, laufen gegen das Vorhaben Sturm und haben sogar dafür gesorgt, dass die „Robo Roach“- App aus dem Android-Store verbannt wurde. Auf der anderen Seite stieß das Crowdfounding-Projekt aus Amerika auf genügend Gegenliebe, um das ursprüngliche Ziel von 10 000 US-Dollar mit 12 339 gesammelten US-Dollar deutlich zu übertreffen. Insgesamt beteiligten sich 183 Förderer aus der ganzen Welt. 

Der „Robo Roach“ polarisiert. Einerseits werden die Tiere durch die Operation verstümmelt und allein das Fernsteuern anderer Lebewesen wird ethisch stark kritisiert. Andererseits wird die elektrische Stimulation auch bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit genutzt, sodass neue wissenschaftliche Erkenntnisse möglich seien, argumentieren die Köpfe des Projekts Greg Gage und Tim Marzullo. Je mehr Menschen Interesse an der Neurobiologie hätten und sich mit diesen Ansätzen befassten, desto besser sei dies für den Fortschritt der Wissenschaft. Durch den stark praktischen Ansatz seien Schüler eher motiviert, sich mit dem Thema zu befassen, als wenn sie Neurobiologie theoretisch in den Lehrbüchern behandelten. Die Kernfrage in der öffentlichen Diskussion bleibt aber, ob diese Vorteile den ethisch fragwürdigen Umgang mit anderen Lebewesen aufwiegen können.

Auch in der deutschen und internationalen Berichterstattung taucht diese Frage immer wieder auf und wird in den Foren heiß diskutiert. Ein Überblick über das Meinungsspektrum:

Viele User bemängeln, dass das Projekt keinen direkten Nutzen habe, da in erster Linie nur das Interesse der Menschen für die Neurobiologie geweckt werden soll. Ein konkreter Forschungsansatz sei das allerdings nicht und rechtfertige keine Tierversuche.

  Sadismus

 So drohe schnell die Gefahr, dass der wissenschaftliche Ansatz komplett ausgeblendet werde und das ferngesteuerte Lebewesen zum reinen Zeitvertreib werde.

Zeitvertreib

Einige Forenschreiber sehen zusätzlich die Gefahr, dass insbesondere junge Leute ethisch verdorben werden. Durch das Manipulieren der Schaben würden elementare Verhaltensregeln konterkariert, zum Beispiel den Willen anderer Lebewesen und Menschen zu respektieren.

Toleranz

Der Zeit-Online-Forist „HMRothe“ sieht insbesondere für Schüler einen Lerneffekt, auch wenn er mit Neurobiologie nur entfernt zu tun hat. Sein Ansatz zielt eher auf eine philosophische Betrachtung des Medienkonsums ab, durch den Menschen leicht zur Marionette der Massenmedien werden könnten. Diese Situation sei dann vergleichbar mit der manipulierten Schabe.

nützlich

In den meisten Foren ist die Angst verbreitet, dass sich derartige Experimente auch auf höher entwickelte Säugetiere bis hin zum Menschen anwenden lassen. Die Konsequenz könne sein, dass der Mensch durch solche Forschungsansätze zur ferngesteuerten Marionette werde.

beängstigend(www.zeit.de)

abartig

Für einige User geht von dieser Möglichkeit der totalen Manipulation aber auch eine gewisse Anziehungskraft aus.

erschrocken-fasziniert

fascinated

Insgesamt überwiegt im Netz neben ethischer Kritik an Tierversuchen die Furcht davor, dass sich ähnliche Experimente auch auf den Menschen übertragen lassen. Es kommen nur sehr vereinzelt Stimmen vor, die den „Baukasten“ für Neurobiologen verteidigen oder zumindest dulden. Für diesen User überwiegen die praktischen Vorteile und Einsatzmöglichkeiten der Cyborg-Schaben.

standard

Der Forist „Freiflug“ bestreitet auf Zeit-Online zwar nicht die tierethischen Bedenken, aber weist darauf hin, dass die Manipulation der Schaben in keinem Widerspruch zu dem sonstigen Konsumverhalten der Gesellschaft stehe.

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