Wer Franz Konietzky, ehemaliger Student an der TU Dortmund, als „Globetrotter“ bezeichnet, lehnt sich sicher nicht zu weit aus dem Fenster. 83 Länder hat der 25-Jährige bereits besucht. Mit typischen Touristen hat er nur wenig gemein. Ein Interview über exotische Ziele und einen alternativen Reisestil.
pflichtlektüre: Was unterscheidet deine Reisen von denen der Standardtouristen im All-Inclusive-Hotel?
Konietzky: Ich reise mit einem möglichst geringen Budget und wähle die Ziele danach aus, dass ich günstig hinkomme. Das bedeutet, dass ich in erster Linie günstige Flüge bekomme oder eventuell auch Bahntickets für Überlandfahrten nutze. Oft sind es dadurch sehr exotische Ziele und Entwicklungsländer, die an und für sich schon für unsere Verhältnisse sehr günstig sind. Der Reiz für mich ist, Orte zu sehen, die noch unverbraucht und authentisch sind und noch nicht vom westlichen Einfluss geprägt wurden. Dabei verbinde ich auf einer Reise auch gerne zwei oder drei Länder miteinander.
Wie läuft solch eine Rundreise bei dir ab?
Mir geht es vor allem darum, so viel wie möglich von den Ländern zu sehen. Selten bin ich länger als zwei Tage an einem Ort. Durch Informationen aus Reiseführern und dem Internet habe ich schon einen groben Plan, aber dann gehe ich die Sache einfach so an. Meine Unterkünfte ergeben sich oft aus persönlichen Kontakten, die ich während der Reise knüpfe. Zum Beispiel bei Bus- und Zugfahrten, die man mit den Einheimischen verbringt. Dadurch bekommt man einen schönen Einblick in das normale Leben der Leute dort. In Ländern rund um den Äquator kann man auch sehr gut draußen übernachten, auf Bänken oder in Bahnhöfen.
Hast du dich in bestimmten Situation schon mal unsicher gefühlt?
Realistisch betrachtet sind es die Überlandfahrten in vielen Entwicklungsländern, vor denen man Angst haben muss. Gerade, wenn man bei jemandem mitfährt oder in Kleinbussen unterwegs ist. Das sind dort die häufigsten Todesursachen. Einerseits wegen der Straßen, andererseits wegen der Fahrweise der Menschen und dem Zustand vieler Autos.
Ansonsten habe ich mich aber fast nie unsicher gefühlt. Natürlich hat man ab und zu mal ein mulmiges Gefühl. Als ich mit einem Bus von Monti (Stadt in Mali) nach Dakar (Hauptstadt Senegals, Anm. d. Red.) unterwegs war, wurde ich gewarnt, dass das Grenzgebiet nicht vollständig unter staatlicher Kontrolle sei. Wenn hier ein Späher im Bus gewesen wäre, hätten sie mit mir natürlich einen dicken Fisch, der den ausgebeuteten Menschen hier viel Geld bescheren könnte. Aber ich hatte Glück.
Das klingt nicht so, als hättest du Interesse an einem Entspannungsurlaub. Kannst du die Touren trotzdem genießen?
Sicherlich ist das schon ein Stück weit Stress und Abenteuer, aber für mich überwiegt der Anreiz, immer etwas Neues zu haben. Das Leben in Deutschland ist sehr geregelt. Da ist es schön, mal auszubrechen, irgendwo hinzufliegen und mal nicht zu wissen, wo ich heute Abend bin und was ich morgen mache. Meine Erfahrung ist, dass man sehr gut über die Runden kommt, wenn man sich den Menschen öffnet. Dieser Austausch ist immer sehr spannend.
Wie bist du denn überhaupt zum „Dauerreisenden“ geworden?
Das hängt mit der Familie zusammen. Ich war schon mit meinen Eltern und Großeltern immer viel in Deutschland und Europa unterwegs. Auch der Reisestil war so, dass wir nie den Cluburlaub gebucht haben und immer schon den Kontakt zu den Einheimischen gesucht haben. Die erste größere Reise habe ich mit fünfzehn Jahren zusammen mit einem Freund gemacht, als wir mit einem gefälschten Eurorail-Ticket durch den Balkan gefahren sind. Damals konnte man einfach das Datum auf dem Ticket ausradieren und neu reinschreiben. Die Leute auf dem Balkan kannten das Ticket gar nicht und wussten nur, dass es für ganz Osteuropa gültig ist. Da sind wir auch schon möglichst günstig unterwegs gewesen und haben draußen auf Parkbänken übernachtet. In einer solchen Nacht in Mostar in Herzegowina wurde ich unsanft von einem Rasensprenger geweckt.
Du hast dein Studium vor kurzem beendet und bist die meiste Zeit als Student gereist. Worauf lässt man sich als junger Mensch bei derartigen Reisen ein?
Die Studienzeit ist aufgrund der langen Semesterferien ideal zum Reisen. Größere Touren wie Mali und Zentralasien dauerten immerhin vier bis fünf Wochen. Finanziell war es machbar, wenn man sich hier zu Lande ein wenig zurückgehalten hat. Vor Ort kommt man meistens ganz gut über die Runden, weil man in den meisten Entwicklungsländern günstiger lebt. Mit ein paar Tricks lässt sich zusätzlich Geld sparen. Zum Beispiel buche ich häufig Nachtzüge um Hotelkosten zu sparen.
Natürlich muss man bereit sein, den gewohnten Komfort zurückzulassen und sich klar machen, dass es kein Entspannungsurlaub ist. In den Entwicklungsländern steht man meistens im Mittelpunkt und wird angesprochen, was einerseits sehr schön ist, aber andererseits im Zusammenhang mit der Hitze und den hygienischen Verhältnissen anstrengend sein kann.
Bei deinen Reisen triffst du auf ganz andere Kulturen. Wie umgehst du Fettnäpfchen?
Man muss bereit sein, sich ein wenig den Gepflogenheiten im jeweiligen Land anzupassen. Meiner Erfahrung nach lernt man diese Verhaltensweisen aber sehr schnell und kann durch einen landestypischen Gruß leicht neue Freunde kennenlernen. Auch mir passiert immer wieder mal ein Fauxpas. Zum Beispiel war ich zu Gast in einem streng muslimischen Haushalt und wollte wie selbstverständlich der Haushälterin oder den Töchtern die Hand geben. Und wenn man dann keine Hand zurückbekommt, fragt man sich im ersten Moment schon, ob man hier nicht willkommen ist. Solche Dinge lernt man dann einfach.
Was konntest du von den vielen Reisen mitnehmen?
Gerade durch meine Reisen in Länder mit wenig westlichem Einfluss habe ich gesehen, dass es einfach gänzlich andere Lebensstile gibt, als wir sie kennen. Andere Lebensentwürfe und Lebensansichten, die mir zeigen, dass es auch noch Alternativen zu unserer Lebensweise gibt und sie vielleicht nicht die einzig wahre und vor allem richtige ist. Gerade bei den Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln konnte ich viel über die Länder lernen. Deswegen habe ich auch nie einen Mietwagen gebucht.
Sind die Menschen in anderen Regionen offener als in Deutschland?
Beeindruckt hat mich die enorme Gastfreundschaft in vielen Entwicklungsländern, beispielsweise in Syrien. Das sind Menschen, die materiell und finanziell viel schlechter dastehen als die meisten hier in Deutschland. Trotzdem wird das Wenige noch mit Gästen geteilt. In den Entwicklungsländern herrscht ein viel größerer Sinn für das Gemeinwesen, weil man einfach aufeinander angewiesen ist, während hier jeder eher sein eigenes Süppchen kocht. Unser Leben ist leider viel materialistischer ausgelegt.
Was würdest du jungen Abenteurern empfehlen, die noch Respekt vor den ganz exotischen Zielen haben?
Zum Einstieg würde ich es noch einmal genauso angehen, wie ich es gemacht habe. Der Balkan bietet sich an, weil es dort schon etwas wilder ist, aber man viel mit dem Zug erreichen kann. Es ist landschaftlich wunderschön, mit vielen Seen, Gebirgen, der Adriaküste und schönen Städten. Durch das historische osmanische Reich spürt man noch den muslimischen Einfluss und das ist für mich schon ein Stück weit exotischer, als wenn man nach England oder Frankreich reist. Von dort aus kann man sich dann später gut vorwagen in Richtung Türkei, Georgien, Armenien und dem Iran. Diesen Ansatz kann ich jedem empfehlen, der sich nicht direkt in Länder wie Mali oder Syrien traut.
Wo liegen noch offene Traumziele für dich?
Unbedingt möchte ich noch in die Region um Pakistan, Nordindien und Nepal. Sehr gerne auch nach Nordostafrika, also Äthiopien, Eritrea, Sudan und Jemen, wobei das natürlich bei der jetzigen Lage im Jemen schwierig ist. Und nach Südamerika wird es auch noch gehen.
Fotos: Frank Konietzky