Der RUB-Audioguide im Check

Ein Beitrag von Christian Kleber

Die Ruhr-Universität Bochum stellt auf ihrer Homepage seit gut sechs Monaten einen kostenlosen Audioguide zur Verfügung. Die Idee: Jeder soll den RUB-Campus auf eigene Faust entdecken dürfen und dabei bestens informiert werden. Doch mehr noch: Die Zuhörer sollen sich auf dem Unigelände laut Werbeslogan regelrecht „(ver-)führen“ lassen. Fragt sich nur wovon? Etwa von den dreckig-braunen Waschbetonplatten? Von den senf-gelben Hörsaalgebäuden? Oder etwa von den kaputten Fußwegen? Der Audioguide hat andere Vorschläge. Doch taugt er wirklich etwas? Top oder Flop? Ich hab’s getestet – und bin verblüfft.

Was für ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint, 25 Grad im Schatten, wolkenloser Himmel. Kann es etwas Schöneres geben, als jetzt eine Entdeckungstour über den Campus der Ruhr-Universität Bochum zu machen? Oh ja! Mir würden eine ganze Menge schönerer Orte einfallen.

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Mit Kopfhörern, Karte und Smartphone bewaffnet testete pflichtlektüre-Autor Christian Kleber den RUB-Audioguide. Foto: Tobias Siebel

Seit knapp zwei Jahren studiere ich nun schon hier. Wenn ich eins in dieser Zeit gelernt habe: Der Kontrast zwischen Sonnenschein und RUB könnte größer kaum sein. Denke ich an die Uni in Bochum, denke ich an Waschbeton, an zerfallene, braun-gelbe Gebäudefassaden, die ihre wahre „Schönheit“ erst bei grauem Himmel und Regen so richtig entfalten. Doch gut so, dann bleibe ich bei meiner „Entdeckungsreise“ mit dem Audioguide der RUB wenigstens trocken. Wirke ich vor vor meinem Selbstversuch etwa voreingenommen? Ach, nein.

14 Audiodateien für 14 Stationen

Es ist 10.15 Uhr. Mit Smartphone und Kopfhörern bewaffnet stehe ich am Startpunkt meiner Tour – dem Nordforum, unweit der U-Bahnhaltestelle. Unterhalb einer großen Infotafel finde ich einen kleinen Briefkasten mit der Aufschrift „Audioguide“. Darin: mehrere bunte Lagepläne mit zwei Routenvorschlägen. Hier bin ich wohl richtig. Ich nehme einen Plan heraus und bin das erste Mal verwundert. Die dominierende Farbe auf der Karte ist grün. Hier hat wohl einer zu tief in den falschen Farbtopf gegriffen, denke ich mir. Naja, so eine braune Karte sähe natürlich auch nicht so fröhlich aus wie diese.

Zu Hause hatte ich mir bereits die entsprechenden Mp3-Dateien von der Homepage der Uni heruntergeladen. Ganz unkompliziert. Keine fünf Minuten und ich hatte alle Dateien auf meinem Smartphone. 14 Dateien für 14 Stationen. Durchschnittlich etwa eine Minute lang. Der Blick auf den Lageplan verrät mir, dass ich mich für die große Route entscheiden muss, wenn ich alle Infos sammeln will. 3,8 Kilometer. Ich bin Student, ich bin jung, ich will alles testen – das werd ich wohl schaffen. Noch einmal durchatmen. Dann fährt mein rechter Daumen erstmals über den Play-Button.

RUB offenbart einen Hang zur Selbstironie

Komisch. Anstelle einer Stimme höre ich ein gewohntes Geräusch. Meine geliebten Waschbeton-Fußplatten, die unverkennbare Schläge von sich geben, wenn man auf sie tritt. Erst jetzt fängt eine freundliche Frauenstimme an, mit mir zu sprechen. Sie verkauft mir die Plattenschläge als „Sound der RUB“. Ich muss schmunzeln. Immerhin scheint die Uni einen Hang zur Selbstironie zu haben. Auch wenn ich mit den sonstigen Infos an Station eins nicht viel anfangen kann: Das imponiert mir – 1:0 für den Audioguide.

Nur etwa einhundert Meter weiter führt mich meine Route zur Bibliothek. Ich werde mit Zahleninformationen nur so zugeballert. 6.000 Zeitschriften, 3.500 Datenbanken, 15.000 E-Books, 150 Mitarbeiter – hör mir auf. Zu viel Information für zehn Sekunden. Ich bin genervt. Ein Flop. Es steht 1:1.

Route führt mich durch unbekanntes Terrain

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Die RUB der Zukunft: Das ID-Gebäude gibt einen Vorgeschmack auf zukünftige Hörsaalgebäude in Bochum. Foto: Christian Kleber

Auf dem Weg zur Station drei ein gewohntes RUB-Gefühl. Ich habe mich verlaufen. Na toll. Kurz darauf muss ich allerdings feststellen, dass ich einfach die bisherigen Audioguide-Wegweiser übersehen habe, die einen über die gesamte Route begleiten. Mein Fehler. Wohl ein Problem der Generation „Navi“. Schließlich mache ich doch Halt neben dem großen Hörsaalgebäude HZO. Ich erfahre unter anderem, dass hier alle Einschreibungen der Studenten vorgenommen werden. Für angehende Studenten eine sehr sinnvolle Information. Top! 2:1 für den Audioguide.

Allmählich verlasse ich bekanntes Terrain. Ich komme durch einen verwucherten Garten zur vierten Station. Einfach nur enttäuschend. Ich erfahre, was unter der Uni an Kabeln und Leitungen vergraben liegt. Das brauch ich nicht wissen. Danke für nichts. Ein Flop. 2:2 – der erneute Ausgleich.

Vorbei an einem Tümpel führt mich mein Weg auf ein modernes Gebäude zu. Weiß, grau, blau – überwiegend helle, freundliche Farbtöne. Ganz ungewohnt an der RUB. Es ist Station fünf. Das ID-Gebäude. So soll laut Audioguide angeblich die Zukunft der Ruhruni aussehen. Ich kann’s kaum glauben. Da muss ich einen Punkt für geben – 3:2 für den Audioguide.

Audioguide enthüllt ungeahnte RUB-Pradiese

Ich blicke wieder auf meine Karte. In Kürze werde ich in den satt-grünen Bereich meiner Karte eindringen. Dass sich dahinter wirklich Natur verbirgt, glaube ich nicht, bis ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Dann ist es soweit. Das blaue Schild mit der Nummer 6 verrät mir, dass ich am Eingang des Botanischen Gartens gelandet bin. Vögel zwitschern, kein Student ist zu sehen. Ich drücke auf Play.

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Einer der idyllischsten Orte auf dem Campus-Gelände der RUB: der chinesische Garten. Foto: Christian Kleber

Komisch. Da kommt gar nichts, denke ich. Dann erst merke ich, dass auch im Audioguide Vogelgezwitscher zu hören ist. Toll gemacht. Eine klasse Atmosphäre. Auch die Infos zum Garten sind kurz und knackig. Das finde ich top. 4:2 für den Audioguide.

Ich schreite in die Natur. Ein älteres Ehepaar kommt mir entgegen. Bin ich überhaupt noch auf dem Unigelände? Ich kann es kaum glauben. Blühende Pflanzen, idyllische Teiche. Diese Seite der RUB kenne ich nicht.

An Station sieben gelandet, kann ich meinen Augen wirklich nicht mehr glauben. Ein Chinesischer Garten. Urlaubsfeeling pur. Wie mir der Audioguide verrät, ein Geschenk der Partneruniversität Ton Chi in Shanghai. Der Garten ist wie eine kleine Burg angelegt. Mittendrin ein großer Teich. Einfach traumhaft. Danke für diesen Augenblick Audioguide. Das ist dein fünfter Punkt – 5:2.

Informationsmasse bringt mich an Schmerzgrenze

Der Weg durch den Botanischen Garten führt mich weiter an Station acht vorbei, den „exotischen“ Gewächshäusern. Nicht so spannend wie die vorherige Station, aber die Route durch den Garten ist einfach schön. Der Audioguide zieht mit 6:2 davon.

Zurück auf dem befestigten Unigelände überkommt mich die Ernüchterung. Der Audioguide führt mich zum „Rubion“. „Die zentrale Einrichtung für Ionenstrahlen und Radionuklide.“ Tut mir Leid. Viel zu schwere Kost jetzt nach dem ruhigen Garten. Ich versteh fast gar nichts bei all den Fachwörtern. Das hätte nicht sein müssen. Nur noch 3:6.

Noch neun von 14 Stationen spüre ich einen ersten Informations-Overload. Als mir die nette Frauenstimme bei Station zehn etwas über das astronomische Institut erzählen will, schalte ich ab. Mich interessiert es kaum. Soll ich noch weiter machen? Inzwischen ist eine Stunde vergangen. Ich raffe mich auf, gehe weiter. Denke mir: Das gibt jetzt aber keinen Punkt für den Audioguide, der mich gerade gefühlt 400 Treppenstufen hochjagt – also, 4:6.

Kurz vor dem Ziel doch noch aufgegeben

Bei der Mensa gelandet, schmeiße ich schnell die Datei an. Ich ertappe mich, wie ich währenddessen schon nach der nächsten Station schaue. Konzentrier dich Junge. Aber es hilft nichts: Wieder gibt mir die nette Dame zu viele Infos. Ich muss aber zugeben: Für Studienanfänger sind viele wichtige Informationen dabei. Wo kann ich was essen? Wo ist das Veranstaltungszentrum? Wo der Hochschulsport? All das erfahre ich hier, aber da ich das alles weiß, kann ich das wohl nicht mehr so sehr würdigen. Dennoch sehe ich ein: Das muss einen Punkt für den Audioguide geben: 7:4.

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Mehr als 70 Schilder weisen den Audioguide-Nutzern den Weg entlang der Tour-Routen. Foto: Christian Kleber

Erst ein paar Schritte weiter muss ich wieder aufhorchen. Im Audimax steht eine maßgeschneiderte Orgel? Nicht, dass ich ein Orgel-Fan bin, aber das wusste ich nicht. Und endlich weiß ich jetzt mal wie viele Studenten dort hineinpassen – 1.800. Ich sehe: Auch über das bekannte Audimax kann mir der Audioguide noch etwas beibringen. 8:4 für den Guide.

Danach muss ich passen: Der Blick auf die Karte verrät mir, dass die letzten beiden Stationen die Kunstsammlung und die Geisteswissenschaften betreffen. Ich gebe auf. Ich habe genug Informationen. Und gerade Kunst – bei aller Existenzberechtigung – interessiert mich gerade nunmal gar nicht. Lieber Audioguide, 14 Stationen sind zu viel des guten! Punktabzug: 7:4 – Endstand.

Mein Fazit: Ich hätte niemals gedacht, dass ich das sagen werde. Aber der Audioguide hat mich positiv überrascht. Das Ergebnis von 7:4 spricht für sich. Vor allem die Route ist sehr schön gewählt und gerade der Botanische Garten ist paradiesisch – nicht übertrieben! Der emsige Versuch, alle Infos aufzusaugen, wird meines Erachtens nach aber immer Fehl schlagen. Dafür sind 14 Stationen einfach zu viel. Doch gerade für Studienanfänger, die den Campus und die RUB näher kennenlernen wollen, bietet der Audioguide eine gute Alternative zu den herkömmlichen Führungen. Denn: Ich darf selbst entscheiden, wann und wo ich informiert werden möchte.