Schwedische Weihnacht

Arlanda, Stockholm: Beim Verlassen des Flughafenterminals schlägt mir ein kalter Wind entgegen. Schneeflocken rieseln auf Dächer und Straßen herab. Ich ziehe Handschuhe und Mütze an und werfe mir einen dicken Wollschal um den Hals. Angekommen, endlich. Nun ist es nicht irgendein Tag, an dem ich mich ins Land der Elche und Trolle aufgemacht habe. Es ist der 13. Dezember, der Tag der Lucia, an dem die Schweden traditionell das Fest der Lichterkönigin feiern und sich auf die Adventszeit einstimmen. Ich kenne die Feierlichkeiten aus Sprachkursen in Deutschland – in Schweden erlebe ich das Luciafest zum ersten Mal. Weihnachten in Stockholm: Ich finde, besser geht es kaum!

„Natten går tunga fjät runt gård och stuva. Kring jord som soln förgät, skuggorna ruva. Då i vårt mörka hus, stiger med tända ljus Sankta Lucia, Sankta Lucia“, singen die Schweden Jahr für Jahr am Morgen des 13. Dezember, dem Luciamorgen. Die Strophe beschreibt, wie in einer nebeligen Winternacht die Heilige Lucia im Kerzenschein die dunkle Welt erleuchtet. Wer aber war Santa Lucia und wie feiert das nordische Volk das Fest der Lichterkönigin heutzutage?

Skansen Weihnachtsmarkt Foto: Skansen

Zwischen roten Holzhäuschen schlendern Besucher über den Weihnachtsmarkt. Foto: Skansen, Teaserbild: Klaus Steves/pixelio.de

Leben wie vor Hundert Jahren

Antworten auf meine Fragen erhalte ich in Skansen, ein Freilichtmuseum und Tierpark auf der Stockholmer Halbinsel Djurgården. Hierhin sind zum Erhalt der Volkskultur aus ganz Schweden typische Bauten samt Inventar umgesiedelt worden. Zwischen urigen roten Holzhütten – wie man sie aus Astrid Lindgrens Geschichten kennt – steht das eine oder andere Backsteinhaus. In kleinen Stuben präsentieren Buchbinder, Glasbläser und Töpfer Handwerkskünste aus längst vergangenen Jahrhunderten. Es ist ein Abbild des alten Schwedens. Zudem haben in Skansen viele nordische Tiere ein Zuhause gefunden, was vor allem die kleinen Besucher beigeistert.

Ich bin gespannt. Am Eingang des Freilichtmuseums steht ein Chor. Vier Sänger, eingehüllt in lange Mäntel, summen Stille Nacht, heilige Nacht ein besinnlicher Willkommensgruß. Die winterliche Parklandschaft leuchtet weiß. Wege, Häuser und Bäume sind schneebedeckt. Hinter Zäunen strecken sich alte Kirchtürme gen Himmel. Kinder tanzen um einen bunt geschmückten Weihnachtsbaum und singen traditionelle Weihnachtslieder. Hier und da fährt eine Pferdekutsche durch die Winterlandschaft, ein tolles Bild.

Santa Lucia

Bei all den lang gepflegten Traditionen steht es außer Frage, dass in Skansen zur Adventszeit das Luciafest gefeiert wird. So schreitet Lucia, die Lichterkönigin, samt Gefolge Jahr für Jahr durch die altertümlichen Gebäude des Freilichtmuseums. Da viele Besucher von weiter her anreisen, findet die Prozession an mehreren Tagen statt. Neben besinnlichen Luciakonzerten lauscht man Erzählungen rund um die Feierlichkeiten.

Zum Hintergrund: Im älteren Kalender war der 13. Dezember der kürzeste Tag des Jahres – das Luciafest, ein Symbol des Lichts, mit dem das nordische Volk die Weihnachtszeit einläutete und helleren Tagen entgegenfieberte. Inwiefern der Brauchtum auf die Heilige Lucia (Lucia von Syrakus) zurückgeht, ist schwer zu sagen. Es gibt verschiedene Deutungen. Eine von ihnen berichtet, dass die Heilige Lucia, eine frühchristliche italienische Märtyrin, Gefolgsleute mit Nahrungsmitteln versorgt hat. Um die Hände frei zu haben, soll sie einen Kerzenkranz auf dem Kopf getragen haben.

Lucia Foto: Pressestelle Skansen

So sah die erste Lucia im Freilichtmuseum Skansen Ende des 19. Jahrhunderts aus. Foto: Pressestelle Skansen

Das Luciafest im 21. Jahrhundert

Eben jener Kerzenkranz ist und bleibt das wohl wichtigste Symbol des Luciafestes. In einem alten Gemeindehaus auf dem Gelände des Stockholmer Freilichtmuseums sind Besucher dazu eingeladen, eine Lucia Prozession zu erleben und gemeinsam das Lichterfest zu feiern. Das lasse ich mir nicht entgehen. Vor einer Bühne mit roten Samtvorhängen stehen mehrere Holzbänke. Platzanweiserinnen in klassischen Kostümen koordinieren die Besucherschar. Drängeleien und Ungeduld in der Warteschlange kennen die Schweden nicht. Ihr Motto lautet: Ta det lugnt, nimm´s leicht, immer langsam!

Vor Beginn der Veranstaltung hören wir eine kurze Erklärung zum Fest. Dann geht es auch schon los. Aus dem Hintereingang schreitet die Lichterkönigin im Kerzenschein zwischen den Sitzreihen entlang. Neben der traditionellen Kerzenkrone trägt Lucia ein weißes Gewand – dabei kann es auch vorkommen, dass die Lichterkönigin zusätzlich ein rotes Band um die Taille geschlungen hat. Der Sage nach steht das weiße Gewand für die Zugehörigkeit Santa Lucias zum Christentum, das rote Band für ihren Tod als Märtyrin. Zurück zur Prozession in Skansen. Der jungen Lucia folgen zahlreiche Jungfern, Mädchen, ebenfalls in weiße Gewänder gekleidet, die Kerzen in den Händen halten und Lametta im Haar tragen. Hinter ihnen laufen Sternenknaben mit spitzen Hüten. Sie alle singen Santa Lucia und versammeln sich auf der Bühne, um weitere Lieder anzustimmen. Weihnachtsstimmung pur!

Lussekatter, ein Muss

Nach knapp 20 Minuten ist die Feier schon vorbei. Versonnen bleibe ich noch einen Moment auf meinem Platz sitzen.  Draußen wird es langsam dunkel. Im Schnee leuchten Kerzen den Weg. Ich schlittere zurück zum Eingang des Freilichtmuseums. Hier ist der Weihnachtsmarktbetrieb in vollem Gange. Zielsicher bahne ich mir meinen Weg zu einem Stand, der Backwaren anbietet. Den hatte ich bereits am Vormittag ausgekundschaftet. „Jag skulle vilja ha en lussekatt“, sage ich, „Ein Luciagebäck, bitte.“ Denn das süße Safranteilchen gehört zum Lichterfest einfach dazu – wie die Kerzenkrone und der Gesang. Auf der nächsten Seite erfahrt ihr, wie man das weihnachtliche Gebäck ganz einfach selbst machen kann. Jetzt können die Feiertage kommen. In diesem Sinne: God Jul, Frohe Weihnacht!

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