Weihnachten in Dänemark

Wohl kaum ein Land ist für ein gemütliches Weihnachten im Stil alter Zeiten so gut geeignet wie Dänemark: Essen bis der Bauch platzt, nach vielen Gläsern Glühwein Weihnachtslieder schmettern und dabei um den Christbaum tanzen. Und damit die Vorfreude nicht versiegt, ist der ganze Advent eine permanente Weihnachtsfeier.

Mein einziges Weihnachten fern der Heimat, ohne Familie und gewohnte Bräuche verbrachte ich in Dänemark. Tief eingeschneit, beinahe abgeschnitten von der Außenwelt auf einer Insel in der Ostsee. Durchkommen? Mit dem Auto nicht mehr möglich, nur der Traktor hat mich zu dem einsamen Hof gebracht, auf dem ich das Fest ganz traditionell mit einer dänischen Familie gefeiert habe. So viel vorneweg: Es hat sich gelohnt.

Der dunkle dänische Winter ist eine optimale Voraussetzung für Weihnachtsstimmung. Foto: Dominik Speck

Der dunkle dänische Winter ist eine optimale Voraussetzung für Weihnachtsstimmung. Foto: Dominik Speck

Weihnachtszeit in Dänemark – auf den ersten Blick klingt das wie Weihnachtszeit in Deutschland: Plätzchen, Adventskranz, Adventskalender, Weihnachtsbaum, der wichtigste Feiertag ist Heiligabend und nicht etwa der 25. Dezember. Man schlägt sich im Kreis der Familie die Bäuche voll, bastelt und singt. Nur: Die Dänen nehmen Weihnachten noch ernst. Der Stress, über den wir Deutsche uns in der Vorweihnachtszeit beschweren? Fehlanzeige. Die Dänen senken ihre Betriebstemperatur tatsächlich um einige Grad – und klagen nicht nur darüber, dass sie es eigentlich tun müssten.

Wichtel, Lucia und der Weihnachtsmann

Was den Deutschen die Heimat ist, ein Begriff, der in keine andere Sprache der Welt so richtig übersetzt werden kann, ist den Dänen die hygge. Hygge, das ist so etwas wie Gemütlichkeit, Geselligkeit, Ruhe, chillige Atmosphäre – die richtige Übersetzung gibt es nicht. Die Dänen mögen hygge an 365 Tagen im Jahr. Im Advent mögen sie hygge aber besonders. Deshalb hat sie da auch einen eigenen Namen: julehygge, die Weihnachtshygge. Weil Weihnachten eben besonders hyggelig ist.

Von Schweden nach Dänemark importiert: Das Luciafest. Foto: Kim Eriksen.

Von Schweden nach Dänemark importiert: Das Luciafest. Foto: Kim Eriksen.

Konkret bedeutet das: Da die Dänen sogar bei 30 Grad im Schatten Kerzen anzünden, baden sie an Weihnachten erst recht im Lichtermeer. Ab dem 1. Dezember dreht das ganze Land durch. Kaum ein Tag vergeht ohne weihnachtliche Aktionen. Der Nikolaus kommt nicht so weit nach Norden, dafür schaut am 13. Dezember Lucia aus Schweden vorbei. Dann tragen Mädchen einen  Kerzenkranz auf dem Kopf zu Ehren der Lichtheiligen. Der Tivoli-Vergnügungspark in Kopenhagen wird komplett umgestaltet und in ein Winterwunderland verwandelt. Und trotz Nikolaus-Manko muss auf rote Bommelmützen nicht verzichtet werden: Denn die Geschenke bringt in Dänemark der Weihnachtsmann, begleitet von seinen nisser. Das sind lustige Wichtel, die im Gegensatz zu Knecht Ruprecht niemanden hauen, sondern für Spaß sorgen.

Fast jeden Tag Weihnachtsfeiern

Was in Deutschland der Weihnachtsmarktbesuch ist, sind in Dänemark die julefrokoster: Weihnachtsfeiern, bei denen üppigst aufgetischt wird. Ab dem 1. Advent überbieten sich die Dänen gegenseitig im Besuchen von julefrokoster; eine Woche, in der man nicht mindestens dreimal an einem dieser Gelage teilgenommen hat, gilt als vergeudet. Firma, Verein, Familie, Stadt, Kirche, Institution, einfach alles und jeder, der in Frage kommt, ein solches Fest zu veranstalten, tut das auch. In Deutschland eher lästige Pflicht, in Dänemark das reinste Vergnügen: Niemand lässt sich lumpen. Traditionelle Gerichte werden in Massen aufgetischt, als sei es schon Heiligabend. In der Besenkammer muss da niemand verschwinden. Waren die Hauptgerichte erst auf dem Tisch, fängt die echte Völlerei an.

Wer Siegfried Lenzs Buch „Jütländische Kaffeetafeln“ kennt, weiß, wie er sich diese Völlerei vorzustellen hat: Ein Berg verschiedenster ihrerseits berggroßer Torten und Kuchen, sahnig oder cremig gefüllt, serviert nach dem Abendessen zu später Stunde, dazu Kaffee in Massen. Bei Lenz erscheint dieser Brauch als grauenhafte Quälerei. Mir hat es gefallen. Es ist schließlich nicht alle Tage Weihnachten – in Dänemark aber immerhin den ganzen Advent.

Weihnachten in Dänemark - ein Wintermärchen. Foto: Dominik Speck

Weihnachten in Dänemark - ein Wintermärchen. Foto: Dominik Speck

Dänemark im Advent, das ist ein Wintermärchen. Zugegeben, die Konditionen für eine ruhige Weihnachtszeit sind in diesem Land perfekt: Es ist dunkel, noch grauer als ohnehin schon. Kälte und Dunkelheit befördern hektische Stimmung nicht gerade. Und die Dänen, ohnehin eher ein ruhiges Völkchen, nehmen Traditionen unheimlich ernst. Geht es um die penible Einhaltung des Protokolls, verhalten sich alle wie kleine Kinder.

Das dänische Weihnachtsmenü

Und weil Weihnachten so toll ist, haben die Dänen gleich noch einen vierten Feiertag eingeführt: Lille juleaften, den kleinen Heiligabend, am 23. Dezember. An dem läuft im ganzen Land so gut wie gar nichts mehr – außer natürlich in den Wohnzimmern. Zwischen modernen Designermöbeln und dem obligatorischen Kamin (jeder Däne hat einen, zumindest die auf dem Land, und die in Kopenhagen sind ja keine wahren Dänen) entfaltet sich dann ein ganz traditionelles Szenario, das  sich an Heiligabend noch steigert: Wohl kaum ein Däne, der nicht das traditionelle Menü auftischt. Das sieht gefüllte Gans oder Ente vor, dazu Weißkohl und kandierte Kartoffeln, und weil wir in Dänemark sind, darf leider auch die obligatorische braune Sauce nicht fehlen.

An Heiligabend tanzen die Dänen traditionell um den Weihnachtsbaum. Foto: Kim Eriksen

An Heiligabend tanzen die Dänen traditionell um den Weihnachtsbaum. Foto: Kim Eriksen

Die wahre Delikatesse kommt auch hier wieder zum Nachtisch: Ris a l‘ amande. Klingt nach französischen Feinschmeckern, ist aber eine dänische Spezialität und wird obendrein nicht einmal ordentlich französisch ausgesprochen, sondern zu einem unverständlichen Rissalllamang vernuschelt. Rissallamang, das ist ein Milchreis, üblicherweise in Kirschsauce serviert. Milchreis, Moment? Ja, Milchreis! Milchreis – mit viel Milch, aber noch mehr Sahne. Außerdem kommt Vanille rein, gehackte Mandeln, und die Krönung: Eine ganze Mandel. Wer die zu beißen bekommt, den erwartet ein Extra-Geschenk. Ungelogen: Die Dänen halten sich an solche Bräuche. Beinahe ausnahmslos.

Tanzen um den Baum

Und ist das Essen erst vorbei, fängt der wahre Spaß an: Geschenke gibt’s auch in Dänemark unterm Weihnachtsbaum. Der sollte allerdings nicht in irgendeiner Ecke stehen. Schließlich wollen die Dänen um ihn tanzen. Ist der Baum ein Paar mal umrundet, läuft die ganze (Groß-)Familie als Polonaise durch das Haus. Gesungen werden dazu Weihnachtslieder, christliche wie weltliche. Viele handeln von den Wichteln.

Darum macht Weihnachten in Dänemark Spaß: Weil die Leute sich mit Freude an Traditionen halten – und nicht steif Idylle vorgaukeln. Ich jedenfalls kann es nur empfehlen, unserem nördlichen Nachbarland mal einen Besuch zur Weihnachtszeit abzustatten. Ob das auch noch nach Weihnachten, zu Neujahr hin geht? Zuzutrauen wäre es den Dänen, denn die bekommen von Weihnachten einfach nicht genug. Genau weiß ich es aber nicht, denn am zweiten Weihnachtsfeiertag habe ich mit Müh‘ und Not meinen Zug nach Deutschland bekommen. Aber nur, weil der Traktor mich zum Bahnhof gefahren hat.

4 Comments

  • Sylvia sagt:

    Hallo Thomas bist du der Thomas den wir von Elite kennen? Liebe Grüße Sylvia

  • Dani sagt:

    Hej, hat echt Spaß gemacht, diesen Bericht zu lesen. Ich hatte als Schülerin mal das Vergnügen, zwei Dezemberwochen in einer dänischen Gastfamilie zu verbringen. War eine sehr schöne Zeit, aus der ich zumindest die Adventskalenderkerze beibehalten habe. Leider kann ich meine Familie nicht von den Vorzügen der übrigen dänischen Traditionen überzeugen. Mit risalamang,julefrokost, karamellisierten Kartoffeln und Danebrogkette am Weihnachtsbaum brauche ich denen nicht kommen. Vielleicht schaffe ich es irgendwann mal, sie an Weihnachten in die dänische Kirche zu schleppen, damit ich mit Begeisterung die schönen dänischen Weihnachtslieder singen kann. Bis dahin nehme ich mit Dejlig er jorden auf CD Vorlieb und träume mich zurück in das frostige, vorweihnachtliche Dänemark von 1997. Glædelig jul!

  • Hallo an alle!

    Es freut uns sehr hier in Dänemark, dass so viele deutsche ein Ferienhaus in Dänemark über Weinanachten und Silvester mieten. Es gibt mehre Deutsche als Dänen hier über Weinachten und Silvester.

  • Thomas sagt:

    Ein wundervoller Bericht! Es hat mich innerlich richtig „erhellt“ während ich ihn mit Freuden las.

    Vielen Dank!

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