Unter uns und trotzdem am Rande

Die Dortmunder Fotografin Iris Wolf  hat über Monate hinweg Menschen ohne festen Wohnsitz in Dortmund begleitet. Die Bilder und die Geschichten dazu sind derzeit in der Ausstellung „Und was habe ich davon?“ in der Volkshochschule zu sehen.

Die Lebensgeschichte von Mike ist die von sozialem Abstieg und dem Versuch einer Rückkehr in ein normales Leben. (Foto: Selina Duelli)

Die Lebensgeschichte von Mike erzählt von sozialem Abstieg und dem Versuch in ein normales Leben zurückzukehren. Foto: Selina Duelli

Wer diese Menschen sind, die aus dem gesellschaftlichen Rahmen gefallen sind, die keinen festen Wohnsitz haben oder ihr Leben nicht aus eigener Kraft bestreiten können? Das alles waren die Fragen, denen Wolf in diesem Projekt nachgegangen ist.

Dafür besuchte sie auch die Helfer, die sich in Einrichtungen für Wohnungslose wie dem Gast-Haus und der Frauenübernachtungsstelle engagieren.

So ist das Leben

Einer für den es solche Angebote gibt, ist Mike. Er sitzt im Eingang seiner Wohnung, die gleichzeitig sein Tattoostudio ist und ursprünglich ein Kiosk in der Dortmunder Nordstadt war. Aus seinem Camouflageshirt schauen mit Tätowierungen bedeckte Arme hervor. Auf dem Foto daneben ist sein Lebensmotto zu sehen, das in verschnörkelter Schrift im Laden hängt: „C’est la Vie“, „So ist das Leben“.

Er wird vor allem von den Besuchen seines Sohnes, der in einem Pflegeheim lebt, angetrieben. Mit einer Vergangenheit voller Drogen und Alkohol, versucht sich Mike ein neues Leben aufzubauen. „Andere haben eine Trinkhalle, ich habe eine Inkhalle“, scherzt er über seinen Tattooladen.

Menschen wie du und ich

„Von Menschen aus sozialen Randgruppen hört man immer nur Negativschlagzeilen. Es war eine Herzenssache für mich, auch einmal eine andere Seite zu zeigen“, erklärt Wolf die Intention ihres Projektes. „Ich möchte mit meiner Arbeit zeigen, dass dies Menschen wie du und ich sind.“

So wirken auch die Bilder unaufgeregt und alltäglich. Menschen in ihren Wohnungen oder Zimmern in den Unterkünften, ihre Betten, Küchen, persönliche Gegenstände. „Ich wollte keine pathetischen Bilder machen, sondern zeigen wie normal Menschen auch aus sozialen Randgruppen leben“, beschreibt die Fotografin das Ziel ihrer Arbeit.

Kostenlose ärztliche Versorgung für Wohnungslose

Für ihre Diplomarbeit fotografierte Iris Wolf Prostituierte in der Dortmunder Nordstadt. (Foto: Iris Wolf)

Für ihre Diplomarbeit fotografierte Iris Wolf Prostituierte in der Dortmunder Nordstadt. Foto: Iris Wolf

Auch Dr. Klaus Harbig möchte Obdachlosen sein Stück Normalität zurückgeben. In drei Sprechstunden pro Woche behandelt er sie kostenlos im Gast-Haus in Dortmund. Die Bilder, die Harbigs Arbeit dokumentieren, zeigen Sonnenblumen auf der Fensterbank der Praxis, den Schreibtisch des Arztes aber auch den zerstochenen Arm eines Junkies, der im Wartezimmer sitzt.

Der Internist im Ruhestand behandelt vorwiegend gängige Erkrankungen wie Zucker und Bluthochdruck aber auch Aids und Hepatitis, sowie Hauterkrankungen, die auf mangelnde Hygiene oder mehrere Schichten Kleidung zurückzuführen sind.

„Andere haben eine Trinkhalle, ich habe eine Inkhalle“

Die Ausstellung in der Volkshochschule hat nicht nur ein ungewöhnliches Thema, auch die Präsentation der Bilder ist nicht alltäglich. Sie liegen auf Tischen aus, wo gleichzeitig die Lebensgeschichten der abgebildeten Menschen zu lesen sind. „Die Distanz wird geringer, wenn man sich zu den Menschen an den Tisch setzt“, erklärt Wolf.

„Vom eigenen Unternehmen zu Hartz IV ist es ein kurzer Weg“

Wer sich auf die Ausstellung einlässt, kann auf den Bildern erkennen wie kräftezehrend und zermürbend ein Leben ist, in dem man immer auf die Hilfe anderer angewiesen ist und nichts beständig zu sein scheint. „Aus der Selbstständigkeit in die Abhängigkeit“ titelt der Text, der vom Leben Petra Schröders berichtet.

Auf den Bildern aus der Frauenübernachtungsstelle, in der sie zwei Monate lebte, ist eine kraftlose und müde Frau zu sehen. Die Kosmetikerin war selbstständig, musste 2006 allerdings ihr Geschäft aufgeben. Wie es dazu kam, möchte sie nicht erzählen. Aber dass es „vom eigenen Unternehmen zu Hartz IV ein kurzer Weg ist“, verrät sie.

Das Projekt dauerte neun Monate

Iris Wolf hat den Kontakt zu den von ihr portraitierten Menschen über die Frauenübernachtungsstelle und das

Mit der Präsentation ihrer Arbeit auf Tischen möchte die Fotografin Raum und Kunst in Einklang bringen. Foto: Selina Duelli

Mit der Präsentation ihrer Arbeit auf Tischen möchte die Fotografin Raum und Kunst in Einklang bringen. Foto: Selina Duelli

Gast-Haus aufgebaut. „Ich bin zuerst ohne Kamera dorthin. Die Leute, die dort arbeiten, haben dann den ersten Kontakt hergestellt“, erzählt die Fotografin von den Anfängen des insgesamt neun Monate dauernden Projektes.

Die Menschen waren froh, dass jemand zuhört

Dabei sei sie mit ihrem Interesse an den Menschen und ihren Geschichten von Anfang an gut angekommen. „Die Menschen waren im Allgemeinen froh, dass ihnen jemand zuhört und Aufmerksamkeit geschenkt hat“, beschreibt Wolf die Reaktionen der Porträtierten auf ihre Arbeit.

Sie habe sich meistens zwei oder drei Mal mit den Menschen getroffen. Besonders mit Drogenabhängigen sei es sehr schwierig, sich zu verabreden erzählt die Fotografin, da diese oft kein geregeltes Leben mit Terminen mehr kennen würden.