Zwischen Ravioli und Pogo

„Heeeeelgaa!“ – Rufe nach der mysteriösen, verschollen Dame sind auf jedem Rock-Festival ein Klassiker und altbewährte Tradition. Wenn dann noch hochanspruchsvolle Lieder mit Texten wie „More beer, more beer, all we want is more beer“ mit einer Lautstärke den gesamten Campingplatz beschallen, dass man das Gefühl hat, unmittelbar neben dem Ghettoblaster zu stehen, dann wünscht sich so mancher ein bisschen Ruhe – zumindest um vier Uhr nachts.

Auf Musik-Festivals gehört auch eines dazu: Warten auf den Auftritt der nächsten Band. Teasrbild und Fotos: Franziska Jünger

Auf Musik-Festivals, wie hier bei Rock am Ring, gehört auch eines dazu: Warten auf den Auftritt der nächsten Band. Teaserbild und Fotos: Franziska Jünger

Ruhige Zonen, um nachts mehr als vier, fünf Stunden schlafen zu können, findet man nur sehr selten und eingegrenzt in den sogenannten Green-Camping-Bereichen. Hier verpflichten sich die Besucher neben dem Lärmschutz auch ihren Müll nicht in der Gegend herumliegen zu lassen, sondern in Müllsäcke zu packen. Das Thema Mülltrennung ist auch hier egal – aber hey, Hauptsache „grün“ steht drauf!

Viele Festivalbesucher nehmen es mit der Müllentsorgung nicht so genau, die "Green Camping"-Zonen sollen dem entgegenwirken. Fotos und Teaserbild: Franziska Jünger

Viele Festivalbesucher nehmen es mit der Müllentsorgung nicht so genau, die "Green Camping"-Zonen sollen dem entgegenwirken.

Während sich der „normale“ Camper nachts über Müllberge, Schnüre und Heringe stolpernd den Weg zu seinem Zelt bahnt, hat es der Green Camper in dem Fall etwas leichter. Aber wer würde schon darauf verzichten wollen, versehentlich in falsche Zelte einzudringen, Leute kennenzulernen, die kostenlos, aber für ihren Zustand hochprofessionell, Iros und Sidecuts schneiden, oder „free hugs and kisses“ von leicht bekleideten Mädchen abzusahnen? Diese Art von Offenheit und Schabernack ist aber nicht Jedermanns-Sache: Die Motive weit über 100 Euro für ein Ticket auszugeben, sind sehr unterschiedlich.

Festivaltyp Nummer 1: Der Musikjunkie

Wo man ihn findet? Mitten im Getümmel. Er ist leicht auszumachen am schwarzen Festival-Shirt vom Anfang des Jahrtausends – kein Festival hat er seitdem verpasst. Auch die Multifunktions-Jacke ist immer dabei. Kein Wetter kann ihn davon abhalten, möglichst viele Bands zu sehen und im Moshpit ganz vorne mit dabei zu sein. Ein Rockfestival ohne blaue Flecken und Platzwunden? Langweilig! Crowdsurfing gehört natürlich auch dazu, die freundliche Security wird bestimmt auch beim dritten Mal nicht böse.

Festivaltyp Nummer 2: Der Partylöwe

Der Typ Partylöwe: Hier unterwegs im Kostüm eines Glücksbärchens.

Der Typ Partylöwe: Hier unterwegs im Kostüm eines Glücksbärchens.

Zu erkennen ist er zunächst einmal an seiner Kleidung: Morphsuit, Tierkostüm, Borat-Anzug oder Superman-Outfit. Nichts, was es nicht gibt! Dem Wetter angepasste Kleidung wäre ja langweilig. Als Promille-Polizei getarnt, lässt er andere ins Röhrchen blasen und freut sich gleichzeitig, den Tagesrekord zu halten. Ein Bierchen geht noch – mindestens. Außerdem ist er ungern allein: da ist ein Plastik-Krokodil an der Leine doch eine praktische Maßnahme. Der Partylöwe treibt sich vor allem an dem Camping-Plätzen und am Festivalgelände entlang der Fressmeilen herum.

Festivaltyp Nummer 3: der Mitläufer

Er lässt es deutlich ruhiger angehen als die anderen beiden. Dem Mitläufer  ist im Grunde egal, welcher Tag es ist, welche Bands spielen. Die Freunde werden schon wissen, wo man wann hingehen kann. Das Wichtigste ist doch, sagen zu können, dass man dabei war und Fotos auf Facebook hoch zu laden – natürlich mit Hippie-Haarband und Jutebeutel. Um trotz Hitze oder Schlamm immer perfekt auszusehen, stellt sich die weibliche Spezies auch gerne mal den ganzen Vormittag an den Duschen an.  An die Ravioli aus dem Campingkocher muss sich der Mitläufer noch gewöhnen, das Bier zum Frühstück klappt aber schon ganz gut. Schließlich machen die anderen das auch.

Tag 1 und strahlender Sonnenschein. Am Abreisetag stehen Zelte und Pavillons nicht mehr so stabil.

Tag 1 und strahlender Sonnenschein - am Abreisetag stehen Zelte und Pavillons meist nicht mehr so stabil.

Wenn am Ende alles im Matsch versinkt, geht der große Überlebenskampf aber für alle gleichermaßen los – die Heringe in den Boden trampeln, das Zelt trocken halten, den Pavillon vorm endgültigen Verfall bewahren und das vollbepackte Auto aus dem Schlamm befördern. Die Rocker am Ring haben die Launen des Wetters bereits überlebt, viele weitere Festivals stehen in den kommenden Wochen und Monaten noch an: darunter das Hurricane, Deichbrand oder Wacken.

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