Ihr habt den Falschen gezeichnet

Zum Gedenken an "Cherlie Hebdo" ausgestreckte Bleistifte.

Am Wochenende hat die neue Ausgabe von „Charlie Hebdo“ für einen Sturmlauf auf deutsche Kioskregale gesorgt – mit einer Mohammedkarikatur auf dem Titel. Diese Entscheidung soll vielleicht ein Zeichen der Versöhnung mit der gigantischen Masse an Moslems sein, die keine Extremisten sind. Sie ist aber leider ein Fehler.

Vor neun Jahren trat Madonna vor 70.000 Zuschauern im Olympiastadion in Rom auf und löste damit Proteste unter etlichen Katholiken aus. Während ihres Songs „Live to tell“ ließ sich die Sängerin in Jesuspose und mit einer Dornenkrone auf dem Kopf an ein übergroßes Kreuz hängen.

„Wenn jemand Mohammed in dieser Form darstellen würde, gäbe es einen Aufstand“, zitierte Spiegel Online daraufhin den Sprecher des katholischen Erzbistums Köln. Ich weiß nicht, was Manfred Becker-Huberti sich damals unter einem solchen Aufstand vorstellte. Empörte Kritik vieler Muslime vielleicht, eventuell die eine oder andere Demonstration und bestimmt viel Unverständnis bei Vertretern der islamischen Glaubensrichtung. An einen Terroranschlag hat er bestimmt nicht gedacht. 

Trauer, aber auch Unverständnis

Die Zeichner von „Charlie Hebdo“ haben sich in vielen Karikaturen über den Propheten Mohammed lustig gemacht. Das war und ist legal, denn in Frankreich gibt es – anders übrigens als in Deutschland – kein Blasphemieverbot. Und selbst wenn, ist da ja noch die Presse- und Meinungsfreiheit.

Ich habe das Gefühl, dass Vertreter des Islams in den letzten Tagen in allen wichtigen (und auch in weniger wichtigen) Medien zur Genüge betont haben, dass der Tod von acht Menschen durch nichts und niemanden zu rechtfertigen ist. Aber in die Trauer über das Attentat im Namen ihrer Religion mischt sich bei einem großen Teil der Muslime wohl auch in ein grundlegendes Unverständnis. Und zwar darüber, dass Mohammed immer und immer wieder von Karikaturisten gezeichnet wird.

Im Koran findet man an keiner Stelle ein Verbot, den Propheten oder andere religiöse Figuren bildlich darzustellen. Trotzdem ist dieser religiöse Grundsatz im Laufe der Geschichte des Islams entstanden. Über die Logik oder den Sinn eines solches Verbots lässt sich mit Sicherheit kontrovers diskutieren, über dessen Bedeutung für Moslems aber nicht.

Wenn ich mir die Nachwehen von Madonnas Kreuzigungsszene so anschaue, dann stelle ich fest, dass Christen dieses Thema auch nicht völlig egal und fremd zu sein scheint: Viele Katholiken nannten Madonnas Auftritt am Kreuz „Gotteslästerung“ und fanden ihn „unnötig und provokativ“. In Rom wollte man die Sängerin am liebsten exkommunizieren und die Staatsanwaltschaft prüfte eine ihrer Shows in Düsseldorf auf einen Verstoß gegen das „Blasphemieverbot“ aus Paragraf 166 des Strafgesetzbuches. Und dabei hat sie ja eigentlich nichts anderes gemacht, als Jesus darzustellen, oder?

Angst vor dem Islam ist nicht gerechtfertigt

Im Islam gilt der Prophet Mohammed nicht nur als Gesandter Gottes, sondern auch als ein Vorbild in allen Lebenssituationen und als Beispiel für einen gerechten, ehrlichen und mutigen Menschen. Seit meiner Geburt verbringe ich Urlaube bei meiner muslimischen Familie und habe ein Jahr lang selber in Nordafrika gelebt. In all dieser Zeit habe ich den Islam als durchweg positiv erlebt und denke zuerst an gastfreundliche, hilfsbereite und gesellige Menschen, die ihre Religion in vielen Alltagssituationen leben. Trotzdem kann ich es mittlerweile niemandem mehr verdenken, wenn ihm bei dem Wort Islam ein Schauer über den Rücken läuft.

Terrorvereinigungen wie Al-Quaida oder die Taliban werden mit dem Islam verbunden, weil sie in seinem Namen handeln. Sie maßen sich sogar an, einen „Staat“ in seinem Namen zu Gründen und dafür Menschen brutal hinzurichten. Das rechtfertigt Angst, doch niemals vor dem Islam an sich oder etwa der Islamisierung des Abendlandes.

Lauft keinem Klischee nach

Seit letzten Mittwoch prangt wieder eine Mohammedkarikatur auf „Charlie Hebdo“. In einer Auflage von 5 Millionen Exemplaren, verteilt auf die ganze Welt. Ich ziehe meinen Hut vor den Redakteuren der Satirezeitschrift, dass sie sich nicht vom Schock und dem Verlust ihrer Freunde haben lähmen lassen. Auch verstehe ich die Aussage auf dem Titelbild des aktuellen Magazins. Doch eine Mohammedkarikatur bleibt, was sie ist.

Wer sich Mohammed als Symbol für den Islam an sich aussucht, produziert nicht nur ein Klischee, sondern macht sich dafür eine Weltreligion zur Spielmasse. Er ruft damit die Assoziation zu den tausenden Zeichnungen hervor, die den Propheten als Schlächter und Ungeheuer darstellen. Diese Mohammedkarikatur tut vielen Menschen weh. Dafür muss der Prophet keine Bombe auf den Kopf gesetzt bekommen.

Ich studiere Journalistik und bin die Letzte, die eine Einschränkung der Presse- oder Meinungsfreiheit fordert. Dafür aber eine Erweiterung der ethischen Grundsätze für den Umgang mit religiösen Symbolen.

Beitragsfoto: Adolfo Lujan / flickr.com
(Auf eine weitere Bebilderung dieses Textes haben wir verzichtet.)

3 Comments

  • Mona Ameziane sagt:

    Ralf Gerber,

    in deinem Kommentar sagst du zwei Dinge (bitte widersprich mir, wenn ich deine Aussagen falsch verstanden habe):
    1. Religion muss respektiert werden und wenn das nicht der Fall ist, dann kann es schnell zu Konflikten und verletzten Gefühlen kommen.
    2. Madonnas Show war eine solche Verletzung der Gefühle, die Karikatur nicht, da sie der Meinungsbildung dient.
    Im ersten Punkt stimmen wir beide völlig überein, genauso wie in der Aussage, dass keine Respektlosigkeit dieser Welt Morde rechtfertigt.
    Punkt zwei sehe ich anders, denn die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo dienen für mich nicht der Meinungsbildung, sondern ebenso der Provokation. Auch Satire sollte ethische Grenzen haben…genauso wie eine Show auf der Bühne!

  • Ralf Gerber sagt:

    Nachdem ich den Artikel zweimal nachdenklich gelesen habe, komme ich zu der Ansicht, dass bei vielen Menschen ein Grundverständnis für die andere Religion fehlt, oder nicht ausreichend vorhanden ist. Religion erfordert immer Akzeptanz – von Andersgläubigen und gegenüber anderen Religionen – und Akzeptanz hat auch immer etwas mit Respekt zu tun. Schwierig und konfliktbeladen wird es immer, wenn jemand das Gefühl bekommt, das mit dem Argument der Pressefreiheit Gefühle verletzt werden und etwas Respektloses geschrieben oder dargestellt wird. Verletzte Gefühle berechtigen aber nie und nimmer – im Namen keines Gottesund in keiner Religion – dazu Andersdenkende zu ermorden. Madonnas Aktion war respektlos und diente einer absurden Show – Karrikatur ist nicht Show, sondern dient der Meinungsbildung.

  • Christel sagt:

    Finde den Artikel ehrlich und sehr gut!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    Laß dich nicht verbiegen!!!

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