Muslime an der TU: „Wir wollen doch nur beten“

Ein Beitrag von Matthias Wiesel

Dass die Uni während der Ostertage geschlossen bleibt, gilt als selbstverständlich. Wie aber lassen sich Traditionen und Bräuche anderer Religionen in den Uni-Alltag integrieren? Ahsan Ahmad Yousuf berichtet aus dem Studentenleben eines gläubigen Muslims und erzählt von den Schwierigkeiten zwischen Religion und Hochschule.

Bunte Teppiche liegen auf den Treppenabsätzen. Die Männer haben ihre Schuhe abgelegt. Aufrecht stehen sie nebeneinander, den Blick in dieselbe Richtung gewandt. Auf ein leises Kommando beugen sie sich herab, knien nieder und berühren mit dem Kopf den Boden. Manche bewegen stumm die Lippen dazu. Einer von ihnen ist Ahsan Yousuf. Mehrmals am Tag trifft er sich hier, im Treppenhaus der Bibliothek, um mit seinen Glaubensbrüdern zu beten. Dabei bietet der Ort weder genug Platz, noch wurde er jemals von der Uni genehmigt.

Seit Oktober studiert Ahsan Ahmad Yousuf Automation and Robotics an der TU Dortmund.

Seit Oktober studiert Ahsan Ahmad Yousuf Automation and Robotics an der TU Dortmund.

Seit Oktober studiert der 26-jährige Pakistani in Dortmund. Wie viele seiner Freunde zog er nach dem Bachelor ins Ausland. Bedenken, ob er seine Religion in Deutschland ausüben könnte, hatte er keine. „Freunde haben mir erzählt, dass man hier Fleisch kaufen kann, das nach islamischen Vorschriften geschlachtet wurde. Dass es Moscheen gibt und dass die Uni Bochum extra einen Gebetsraum eingerichtet hat“, erzählt Ahsan.

In der Mensa nur vegetarisch

Bei der Frage, wie religiös er sei, zögert er. „Ich tue so viel ich kann“, sagt er im Hinblick auf die vielen Vorschriften, die ein gläubiger Muslim einzuhalten hat. Dann erzählt er aus dem Uni-Alltag. In der Mensa reihe er sich – wenn überhaupt – in die vegetarische Schlange ein. Fleisch dort zu essen, sei für ihn tabu. Denn der Islam fordert, dass die Tiere geschächtet werden müssen – im Namen Allahs. Deshalb kocht Ahsan lieber selbst. Ein Stempel auf der Verpackung zeigt ihm im Supermarkt, welche Fleischprodukte „rein“ sind.

Doch Fleisch ist nicht das einzige, worauf Ahsan bisweilen verzichten muss. Auch Alkohol gilt nach den islamischen Speisegesetzen verboten. Die genauen Gründe kenne er nicht, sagt Ahsan. Auf Nachfrage rückt er damit raus, dass er vor kurzem mal probiert habe. „Ich glaub es war im Spunk, in der Studentenkneipe. Da hab ich einmal genippt, aber mich gleich schlecht gefühlt. Und geschmeckt hat es auch nicht.“ Auf Studentenpartys geht Ahsan trotzdem gerne. Dabei ist es ihm wichtig, die Kontrolle über sich zu behalten. Das heißt auch, dass er nicht einfach so mit einer Frau flirten würde. Voreheliche Beziehungen seien nicht erlaubt, sagt Ahsan. Ginge es nach seinen Eltern, wäre Ahsan längst verheiratet. Er aber will warten, bis er mit dem Studium fertig ist.

Beten in der Bibliothek

Fünfmal am Tag betet Ahsan gen Mekka – ob er gerade Zu Hause oder in der Uni ist. Die Gebetsverse kennt er größtenteils auswendig.

Fünfmal am Tag betet Ahsan gen Mekka – ob er gerade Zu Hause oder in der Uni ist. Die Gebetsverse kennt er größtenteils auswendig.

Ahsan versucht Studentenleben und Religion bestmöglich zu vereinbaren. In den meisten Fällen betrifft das allein die eigene Lebensführung. Es ist das rituelle Gebet, bei dem Religion und Studium aufeinanderprallen. Denn für die täglichen fünf Gebete gibt es vorgeschriebene Zeitfenster: Mittags- und Nachmittagsgebet fallen in die Unizeit. Manchmal sei das Beten nervig, gibt er zu, „aber wenn ich ein Gebet auslasse, bin ich nicht im Frieden mit mir.“ Von einem Freund erfuhr Ahsan, dass es einen Ort auf dem Campus gibt, an dem die muslimischen Studenten beten: Seitdem kommt er in den Pausen regelmäßig ins Treppenhaus der Universitätsbiliothek. Ein Ort, an dem er auf Marrokaner, Türken und Inder trifft. Die Religion verbindet sie, auch wenn es bei manchen Glaubensfragen unterschiedliche Ansichten gebe. Mit dem Treppenhaus haben sie sich arrangiert. Es ist ein Rückzugsort, der alles andere als optimal ist. „In der Prüfungszeit ist es hier richtig voll, da reicht der Platz auf den Treppenabsätzen kaum aus“, erzählen die muslimischen Studenten. Außerdem könne man nur leise beten, um niemanden in der Bibliothek zu stören.

Mit einem speziellen Kompass kann Ahsan an jedem Ort der Welt die Gebetsrichtung nach Mekka bestimmen. Fotos: Matthias Wiesel

Mit einem speziellen Kompass kann Ahsan an jedem Ort der Welt die Gebetsrichtung nach Mekka bestimmen. Fotos: Matthias Wiesel

Dass kaum jemand vom Gebet der muslimischen Studenten weiß, verwundert nicht. Offiziell gebe es diesen Gebetsort gar nicht, heißt es von der Universität. „Dass die muslimischen Studenten dort beten, wird von der Universität nur geduldet“, sagt Alexandra Gerhardt von der Pressesstelle der TU. Auch in der Bibliotheksleitung ist man nicht gut auf das Thema zu sprechen. Dafür hat Ahsan durchaus Verständnis: „Dass ist nun mal eine Bibliothek und kein Gebetsraum“. Wie viele der anderen Muslime wünscht er sich deshalb einen eigenen Raum, um seinen religiösen Pflichten nachzukommen. „Es geht dabei nicht um eine politische Bewegung oder sonst irgendetwas“, betont er, „wir wollen doch nur beten.“ Doch frühere Anfragen der muslimischen Studenten, seien von der Universitätsverwaltung abgelehnt worden. Mit der Begründung, dass es nicht genügend Räume gebe und die Universität religiös neutral bleiben müsse. Jetzt wollen die Studenten einen neuen Anlauf starten, erzählt Ahsan, und es noch einmal versuchen.

Tatsächlich könnten die Studenten diesmal Erfolg haben. Auf Nachfrage signalisieren Asta und Universität plötzlich Bereitschaft, eine neue Lösung zu finden. „Der Gebetsort im Treppenhaus wird aus Brandschutzgründen wegfallen“, sagt Johannes Blömeke vom Asta. „Aber wir haben zusammen mit der Hochschulleitung bereits einen Raum auf dem Campus Nord ausgeguckt, der den Studenten als Raum der Besinnung zur Verfügung gestellt werden soll.“ Dies sei zwar ausdrücklich eine überkonfessionelle Lösung, soll aber die Ansprüche der muslimischen Studierenden erfüllen. Etwa die Möglichkeit, sich vor dem Gebet rituell zu waschen. Noch ist Ahsan etwas skeptisch was den gemeinsamen Ruheraum betrifft. Er hofft, dass sich die Studenten verschiedener Religionen dort untereinander verständigen. Dann könnte der Raum den muslimischen Studierenden tatsächlich helfen, Religion und Studium besser zu vereinbaren.