Todesstrafe in der Türkei wieder möglich?

Erdogan

In der Nacht von Freitag auf Samstag ist ein Militärputsch in der Türkei gescheitert. 256 Menschen starben, Tausende wurden verletzt und bis zu 6000 Menschen, darunter viele Richter, Staatsanwälte, Generäle und andere Mitglieder des Militärs, wurden festgenommen oder entlassen. Staatspräsident Erdogan und Ministerpräsident Yildrim kündigten Säuberungsmaßnahmen bei Justiz und Militär an. Beide deuteten an: Die Wiedereinführung der Todesstrafe ist möglich.

Die Todesstrafe ist ethisch und strafrechtlich umstritten. Viele Staaten haben sie bereits abgeschafft – weltweit gibt es laut Amnesty International noch 58 Staaten, die sie in ihrem Gesetz verankert haben, darunter auch China, die USA oder Japan. In der Türkei wurde sie 2004 offiziell abgeschafft.

Die Todestrafe in der Türkei
Die Todesstrafe in der Türkei wurde 2004 abgeschafft. Der letzte Mensch, der in der Türkei durch die Todesstrafe starb, war Hidir Aslan, der am Militärputsch im Jahr 1980 beteiligt gewesen war. Er starb im Oktober 1984.

Danach wurden zwar weiterhin Todesstrafe von türkischen Gerichten verhängt, diese wurden allerdings nie vollzogen. Die meisten wurden in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt. Viel Aufmerksamkeit erlangte 1999 der Fall des PKK Vorsitzenden Öcalan. Er wurde wegen Hochverrats und Seperatismus angeklagt und vom türkischen Staatssicherheitsgericht zum Tode verurteilt. Das Urteil gegen ihn wurde später vom obersten türkischen Gericht bestätigt.

2001 stimmte das türkische Parlament mit großer Mehrheit für eine Beschränkung der Todesstrafe auf Kriegszeiten und terroristische Verbrechen. Ein Jahr später stimmte das Parlament für Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten – terroristische Straftaten sollten in lebenslange Haftstrafen umgewandelt werden. Davon profitierte auch Öcalan, dessen Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde.

Die Todesstrafe in der Türkei wurde auch nicht mehr angewendet, um die Aufnahmekriterien der Europäischen Union zu erfüllen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten lehnen die Todesstrafe ab.

Amke Dietert ist Türkei-Expertin bei Amnesty International in Deutschland und gehört zur Länderkoordinationsgruppe Türkei. Sie ist überzeugt, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe abhängig vom politischen Willen ist: „Wenn Erdogan die Todesstrafe wirklich will, dann kann es sein, dass sie ganz schnell eingeführt wird.“ Dafür müssen zunächst im Parlament abgestimmt und ein Gesetzesentwurf vom Justizausschuss und Plenum abgenickt werden. Erdogan und Yildrim hatten auf Demonstrationen reagiert, bei denen lauthals gefordert wurde die Todesstrafe wiedereinzuführen und die Putschisten zu hängen.

Sollte dies wirklich eintreten, würden die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei belastet. Wie die Bundesregierung am Montag bekannt gab, würde eine Einführung der Todesstrafe das Ende der türkischen EU-Beitrittsgespräche bedeuten. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und viele andere europäische Politiker betonten, dass die Türkei so kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union werden könne. Die Beitrittsverhandlungen würden dann offiziell für beendet erklärt.

Die Todesstrafe an sich stellt für Amnesty International und viele Menschenrechtler in Europa und weltweit eine Verletzung der Menschenrechte dar. Auf der eigenen Website listet Amnesty International zehn Gründe für die Abschaffung der Todesstrafe auf. In der Europäischen Union ist die Todesstrafe abgeschafft. Die Europäische Menschenrechtskonvention sichert jedem Menschen das Recht auf Leben zu und verbietet eine absichtliche Tötung. In der UNO-Menschenrechtskonvention ist die Todesstrafe dagegen nicht ausgeschlossen.

Ob die Todesstrafe in der Türkei wirklich wieder eingeführt wird, wird sich erst in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Ganz unmöglich erscheint es jedoch nicht. 

Beitragsbild: World Humanitarian Summit/flickr.com; Lizensiert nach Creative Commons

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