Wenn der 17. Juni ausbricht

Aufstand des 17. Juni

Demonstranten bewerfen Panzer beim „Aufstand des 17. Juni“ in Leipzig. (flickr.com/Simon Laird)

Der 17. Juni 1953 gilt bis heute als Anfang des zivilen Ungehorsams in Deutschland. Tausende DDR-Bürger marschieren auf die Straßen, um gegen das politische System zu protestieren – und werden blutig niedergeschlagen. Die Folgen wirken lange nach. Heute jährt sich der „Aufstand des 17. Juni“ zum 63. Mal und wir stellen uns die Frage: Was müsste passieren, damit junge Menschen heutzutage auf die Straße gehen, um ihrem Ärger Luft zu machen? Auf dem Campus geben Studenten Antworten.

Es ist der Tag, der den Weg bis zur deutsch-deutschen Einheit maßgeblich mitbestimmt. Menschen ziehen auf die Straßen, um den Rücktritt der Regierung und die Einheit Deutschlands zu erzwingen. Eine Antwort der damaligen SED-Führung lässt nicht lange auf sich warten: Sowjetische Panzer fahren auf und rücken die Machtverhältnisse gerade – koste, was es wolle. Es kostet vor allem viele Menschenleben. Trauer macht sich breit, die Fassungslosigkeit wächst. Es ist der erste Protest dieser Art in Deutschland, der sich gegen das politische System richtet und zeigt, was möglich ist, wenn Menschen zusammenkommen und das Regime unter Druck setzen. Gemeint sind nicht die Dutzenden an Toten, die der Aufmarsch fordert – gemeint ist die Reaktion an sich. Die zeigt, dass der Protest und der Einfluss des Volkes durchaus ernst genommen wird.

Mit der Einheit von Ost und West schließt sich der Kreis, dessen erster Bogen an jenem 17. Juni vor 63 Jahren gezogen wurde und findet so einen neuen Tag der deutschen Einheit. Allein die Tatsache, dass der Tag des Aufstandes 37 Jahre lang der höchste Feiertag ist, unterstreicht die Bedeutung für die deutsche Geschichte.

„Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“

Es ist ein Tag, der Schrecken bereitet und dessen Spuren bis in den Monat des Mauerfalls, den November 1989, zu erkennen sind. „Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“, soll Stasi-Minister Erich Mielke nur wenige Tage vor dem Mauerfall gefragt haben. Die Proteste wecken Erinnerungen an das Trauma in der DDR Jahrzehnte zuvor. Doch der 17. Juni bricht nicht aus, es bleibt friedlich. Friedlich, wenn der DDR-Aufstand als Vergleich genommen wird.

Es sollte nicht der einzige Aufstand bleiben – nach der Wiedervereinigung wurden Protestbewegungen zunächst zur Mode. Überall, wo sich eine Gruppe von Wutbürgern versammelte, wurden Straßen verbarrikadiert und Aufmärsche geplant. In den letzten Jahren wurden die Proteste weitestgehend ins Netz verlagert, wo vor allem sozialen Netzwerke und Blogs Plattformen bieten. Da, wo es anonym und gemütlich ist. Sind also soziale Netzwerke die Straßen von Morgen? Trotz Occupy-Prostesten und Anti-Pegida-Demonstrationen?

Deutsche Protestkultur eingeschlafen

Die Zahlen und Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Die deutsche Protestkultur scheint in den vergangenen Jahren eingeschlafen zu sein. Am Beispiel der Proteste gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ lässt sich das anschaulich verdeutlichen. So beträgt der Anteil der Protest-Neulinge, laut dem Institut für Demokratieforschung, nur 15,3 Prozent. Zudem sind 46,2 Prozent der Demonstranten älter als 46 Jahre – demnach solche, die vermutlich auch schon für die Wiedervereinigung auf die Straße gegangen sind. Ans andere Ende der Altersstruktur geschaut, machen die unter 25-Jährigen nur 8,7 Prozent aus. Die „Generation Facebook“ lässt sich nicht locken.

Ganz generell betrachtet sind zwei Tendenzen nicht von der Hand zu weisen: Aus Daten des umfassenden Forschungsprojekts PRODAT geht hervor, dass mit 93,5 Prozent Arbeitnehmerinteressen gegenüber der Contra-Position ein bedeutender Protestgrund sind. Bezogen auf Pegida ist auch ein Blick auf den Vergleich zu Anti-Pegida-Demonstrationen beachtlich. Denn: Die Teilnehmeranzahl an Protestbewegungen gegen die Diskriminierung von Ausländern ist 25 Mal so groß, wie Teilnehmerzahl an Anti-Ausländer-Protesten. Mit durchschnittlich 428 Teilnehmern ist die Anhängerzahl von ausländerfeindlichen Protesten über alle Themenbereiche hinweg sogar die niedrigste.

Es gibt demnach doch noch Gründe, um auf die Straße zu gehen. Doch wie könnten die aussehen? Was lockt junge Menschen auf die Straßen?

Matthias, 27, Wirtschaftsinformatik
Umfrage_Aufstand1„Bei mir müsste es auf jeden Fall irgendein Aspekt sein, der mich in der momentanen Situation selbst nervt. Wenn es nicht um mich geht, bin ich glaube ich einfach zu faul dafür und überlasse es Anderen. Ich würde bei allem mitmachen, das meinen moralischen Vorstellungen folgt und mit dem ich mich auseinandersetze. Wenn es gerade im Studium hakt, es irgendwelche Proteste für bessere Studienleistungen gibt, dann würde ich das zum Beispiel machen. Es muss mich schon persönlich stören, privat besonders.“
Michael, 25, Informatik
Umfrage_Aufstand2„Ich würde wohl, ganz banal, bei Protesten mitmachen, wenn die NPD an die Macht kommt. Aber auch bei anderen politischen Ereignissen wäre ich dazu bereit. Es würden sich dann ja mehrere Leute dagegen stellen und dann würde ich auch an so einer Demo teilnehmen. Von mir aus würde ich dann wohl nichts machen, aber mitlaufen in jedem Fall.“
Fabian, 21, Soziale Arbeit
Umfrage_Aufstand3„Sobald Menschenrechte eingeschränkt würden, dann würde ich schon mit auf die Straße ziehen. Mitlaufen kann ja auch schon viel bewegen. Je mehr Leute dabei sind, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt man. Dann macht es die Masse aus. Und wenn es nötig ist, wäre ich auch vorbei dabei.“
Michelle, 21, Wirtschaftswissenschaften
Umfrage_Aufstand4„Ich würde bei Protesten mitmachen, wenn es mich persönlich betrifft. Überall, wo mal ein Zeichen gesetzt werden müsste, würde ich mir überlegen, ob ich demonstriere. Bei Anti-Pegida-Kundgebungen wäre ich beispielsweise dabei, weil es einfach asozial finde. Ich habe zwar noch nie teilgenommen, würde es aber sicher tun, wenn ich damit etwas bewirken könnte. Unter Umständen würde ich auch selbst das Heft in die Hand nehmen.“

Es gibt also verschiedene Gründe, warum auch heute noch junge Leute auf die Straße gehen würden. Ob sie im Ernstfall tatsächlich unter den Demonstranten zu finden wären, ist reine Spekulation. Fakt ist: Immer weniger junge Leute nehmen an Protesten teil und überlassen es ihren Vorgänger-Generationen – dies ist mit Fakten belegbar. Es gibt aber auch nicht die Gründe wie Unterdrückung, unfreie Wahlen und ein geteiltes Deutschland, gegen die die Menschen am 17. Juni 1953 protestierten. Auch wenn sich die deutsche Protestkultur verändert hat: Die Straßenkämpfe von 1953 würden sich heute vermutlich nur wenige wünschen.

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