Krimi schmeckt wie Pizza: Besser selbstgemacht!

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Ein nächtlicher Anruf, der einer Frau nach und nach die Sinne raubt; ein Mädchen mit einem eher makabren Interesse an Tieren; ein skurriles Gerichtsverfahren der etwas anderen Art – unterschiedliche Geschichten, die eines eint: Alle wurden von Studierenden der TU Dortmund kreiert und ausgefeilt. Dabei war der Weg vom „Krimineuling“ bis hin zum „literarischen Täter“ für Jeden unterschiedlich. Am Freitag geht es damit sogar auf die Bühne. Wir waren schon am Mittwoch bei der letzten Sitzung zu Gast und haben das Seminar ausgeleuchtet.

Das Kuchenbuffet ist geplündert, die Kaffeekannen leer, die Stifte liegen schon still und alles ist geklärt. Knapp 48 Stunden vor den Lesungen sind die Krimis in ihrer Endfassung abgenickt, die Vorleser gekürt und die Stimmung ist gelöst. Vor den Studierenden liegen die fertigen Manuskripte, die meisten noch mit vielen Randnotizen beschrieben. Das relativ freie Motto, dass alle Krimis eint, ist „Das Beste kommt zum Schluss“. „Harte Plottwists und exponentiell steigende Spannungskurven“ machen die Geschichten aus, erklärt Kerrin Banz, eine der Autorinnen. Ein Blick in ihr Manuskript macht deutlich, was sie damit meint.

Wer Horrorfilme mag und zu einer gehörigen Portion Beklemmung nicht Nein sagt, der ist beim Krimi „Klopfzeichen“ von Kerrin in guten Händen. Ihre Geschichte dreht sich um eine Frau, die ein nächtlicher Anruf eines Unbekannten langsam um den Verstand bringt. Erschreckend plastisch erlebt man als Zuhörer die Geschichte mit – nicht zuletzt, da man hautnah in die zerrüttete Gefühlswelt der Protagonistin eintaucht. Wer jetzt denkt „So eine düstere Geschichte muss ja von einem ziemlich finsteren Zeitgenossen stammen“, der liegt falsch. Kerrin studiert im vierten Semester Angewandte Literatur- und Kulturwissenschaften und ist eigentlich ziemlich fröhlich. „Ich konnte nur nichts mit dem typischen Schema Mord-Untersuchung-Lösung anfangen. Ich habe mich also gefragt: ‚Was fesselt mich?‘ Die Antwort war: starke Emotionen, wie Angst.“

Es geht auch um Scheine

Also setzte sie die Angst in den Mittelpunkt ihrer Geschichte und sponn alles andere um sie herum. Die Geschichte reifte in ihrem Kopf und sie feilte immer wieder an Details. Aufgeschrieben hat sie dann alles problemlos in einem Rutsch – einen Tag vor der Abgabe. „Anfangs aber war ich furchtbar frustriert, weil ich keinen Zugang zu meiner Geschichte gefunden habe.“ Geholfen haben ihr dabei die regelmäßigen Seminartreffen im Literaturhaus im Kreuzviertel. Denn: die Studierenden schreiben die Krimis nicht nur aus Vergnügen, sondern es geht auch um Scheine.

Das Seminar
„Literatur öffentlich machen“ heißt das gemeinsame Projekt von TU Dortmund und DEW21. Das Seminar richtet sich an Studierende der Germanistik und der angewandten Studiengänge. Es findet zum zehnten und damit letzten Mal statt, da die Kooperation im neuen Förderplan von DEW21  keinen Platz mehr gefunden hat – zum großen Bedauern Wolfgang Boedecker, Co-Dozent des Seminars und Kulturbeauftragter von DEW21. Das Seminar steht unter der Leitung von Rainer Holl und Ute Gerhard. Alljährliches Finale ist eine abendliche Lesung, dieses Jahr wieder im Theater Fletch Bizzel.
Jeden Mittwoch trafen sich die Studenten am Literaturhaus im Dortmunder Kruezuviertel.

Jeden Mittwoch trafen sich die Studierenden am Literaturhaus im Dortmunder Kreuzviertel.

Dass sich der Kurs anrechnen lässt, war für alle Studierenden der Hauptgrund ihn zu belegen. Dass einige Studierenden dann schnell der Ehrgeiz packte, wird beim Blick auf den nächsten Krimi sofort deutlich, denn: Mit riesigem Aufwand hat Luca Kahlenborn, ebenfalls Studierende der angewandten Literatur- und Kulturwissenschaften, ihre Geschichte „Das ist Leben“ aufgezogen. Sie hat tagelang Fakten recherchiert und einen realen Fall zu einem eigenen Werk umgeschrieben. Tierfreunde müssen hier ganz besonders stark sein, denn: Hannah, ihre Protagonistin, interessiert sich sehr für Tiere – mehr und anders, als für andere Mädchen üblich. Beim Schreiben hat sie versucht, die makabre Denkweise von Hannah möglichst präzise und detailliert deutlich zu machen. „Ich finde eine gute Geschichte muss einem selber beim Lesen bewegen beziehungsweise Angst machen.“ Ihre Geschichte ist in verschiedenen zeitlichen Absätzen geschrieben und lässt einen Schrittweise in die verdrehte, gefühlslose Welt von Hannah eintauchen.

Veranstaltungsplanung in der Verantwortung der Studenten

Durch die aufwendige Recherche hatte Luca beim Schreiben weniger Probleme. Sie fand die Planung der Abschlussveranstaltung im Theater Fletch Bizzel viel herausfordernder. „Auf was man alles achten muss, wenn man so etwas plant.“ Denn das liegt auch in der Verantwortung der Studenten: Flyer drucken, die Medien kontaktieren, die Bühne einrichten, mit dem Gastgeber alle Details klären – „Wir hatten gut zu tun. Aber jetzt freuen wir uns alle auf Freitagabend, auch wenn wir wahrscheinlich alle Lampenfieber haben werden“, erzählt Luca am vergangenen Mittwoch beim letzten Treffen des Kurses.

Die Lesung im Fletch Bizzel
Wer des allwöchentlichen Tatortschauens müde ist und sich von dem (frei nach Dendemann abgewandeltem) Credo „Krimi ist wie Pizza: Besser selbstgemacht!“ selbst überzeugen möchte: Die Krimilesung findet am Freitag, 17. Juni 2016, um 20 Uhr im Theater Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, statt. Einlass ist ab 19:30 Uhr, der Eintritt ist frei. Gelesen werden sechs Krimis. In der Pause gibt es musikalische Unterstützung von Frida Buiter. Alle Informationen gibt es auch bei Facebook.

Dem Vorlesen entgegen sehnt sich auch schon Jasmin Assadsolimani. Sie hofft, dass die Zuhörer ihrer Geschichte folgen können. Zunächst reibt man sich nämlich erst einmal nach einigen Sekunden verunsichert das Ohr und fragt sich: ‚Hat sie das gerade wirklich so Vorgelesen?‘ Ihre Geschichte mit dem undurchsichten Namen „Alois Buttermann“ ist äußerst skurril und verdreht die Geschehnisse einer Gerichtsverhandlung komplett, sodass man am Ende das Gefühl hat, gerade den kafkaesken Negativabzug eines Films gesehen zu haben. „Mir hat das Schreiben großen Spaß gemacht – fast schon zu sehr, denn ich musste am Ende über eine Seite kürzen. Meine Geschichte war entweder zu lang oder ich kam nicht sinnvoll raus.“ Letztlich half die Gruppe bei der Findung und machte das Ergebnis zufriedenstellend.

„Sehr erfrischende Projekt-Atmosphäre“

Das Seminar erfreute sich großer Beliebtheit bei den Teilnehmern. „Es wäre großartig, wenn es solche Veranstaltungen öfter geben würde an der TU“, findet Kerrin. Das praktische Arbeiten und die Projekt-Atmosphäre seien sehr erfrischend gewesen. „Alle haben mitgemacht, mitgeholfen. Es ist etwas sehr persönliches, eigene Texte anderen leuten vorzulesen. Doch es waren alle offen für Kritik.“ Einige Studenten seien auch auf den Geschmack gekommen, weiterhin eigene texte zu schreiben und zu veröffentlichen. „Natürlich immer nur solange es die Zeit zulässt“, fügt Kerrin an. Denn mit der sei das ja immer so eine Sache…

 

Bildrechte: Mira Kossakowski/Rainer Holl

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