Duell am Donnerstag: Brauchen wir eine gleichberechtigte Sprache?

Das Schlüsselwort zur sprachlichen Gleichstellung von Mann und Frau nennt sich „Gendering“. Binnen-I und Gender_Gap sind inzwischen weit verbreitet, wenn es darum geht, Männer und Frauen in Anreden unter einen Hut zu bringen.

Wissenschaftler an der Humboldt-Universität Berlin gehen nun einen Schritt weiter. Sie fordern, männliche Endungen wie –er oder –or komplett aus der deutschen Sprache zu eliminieren und durch vermeintlich neutrale x-Formen zu ersetzen. Das Ergebnis: Aus dem Student wird der Studierx, aus dem Professor der Professx.

Autorin Kristina Gerstenmaier plädiert für eine bewusste Ansprache der Frauen und hat Vorschläge für eine entsexualisierte Sprache parat. Autor Tim Esselmann dagegen meint, dass die Gender-Debatte nur ein Scheinproblem heraufbeschwört und spricht sich für einen lockereren Umgang mit der Sprache aus.

Brauchen wir eine gleichberechtigte Sprache dieser Art?

 Teaserbild: Thommy Weiss  / pixelio.de

Ja!

Als ich in der Oberstufe war, gab es eine Handvoll Mitschülerinnnen, die vehement und ganz ernsthaft die Abschaffung männlicher Artikel forderten, um sie durch weibliche zu ersetzen. Die Salzstreuerin sollte es heißen, oder die Hubschrauberin. Sie gingen sogar noch weiter und kreierten aus Wörtern, die ihres Erachtens männliche Formen enthielten weibliche. Aus Erachten wurde Sieachten, aus Erfahrung … nun ja, genau: Siefahrung.

Heute weiß ich, dass die Mädels damit einer in den 90ern Strömung aufgekommenen Strömung folgten, die eine radikal feministische Sprache forderte. Aber ob Strömung oder nicht: meines Erachtens komplett übertrieben, damals wie heute. Was ich aber keineswegs übertrieben finde, ist folgender Satz von Luise Pusch, einer weiteren, allerdings viel gemäßigteren feministischen Linguistin: „Männer werden fast immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und ein Sänger, sind 100 Sänger.“

Ich bin eine Frau und möchte auch als solche benannt werden. Lang genug hat es gedauert, bis wir da angekommen sind, wo wir jetzt sind. Zur Erinnerung: Erst im Jahr 1900 erhielten Frauen überhaupt den Zugang zu Universitäten, erst 1919 das Wahlrecht. Erst mit Einführung des Grundgesetzes nach dem Krieg bewirkten Fraueninitiativen Artikel 3, Absatz 2: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Erst in den späten 50ern wurde das Gesetz aufgehoben, dass der Mann der Kündigung des Arbeitsverhältnisses seiner Frau zuzustimmen hatte. Und erst 2001 wurde im längst überfälligen Gleichstellungsgesetz das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts, sowie die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verankert. Trotzdem kämpfen wir noch heute mit der Gleichstellung in der Arbeitswelt.

Sprache hat Kraft, Sprache weckt Assoziationen, Sprache teilt auch zwischen den Zeilen mit. Ich bin eine Frau, darum möchte ich auch als solche gemeint werden. Aber: Als Freundin schöner Sprache, finde auch ich Doppelnennungen schwierig. Durchgehend „liebe Schülerinnen und Schüler, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Projektes stehen unter der Verantwortung ihrer Projektleiterinnen und Projektleiter…“ lesen zu müssen, ist nicht nur anstrengend, sondern hemmt auch den Lesefluss. Ganz meine Meinung. Auch den Vorschlag der Berliner Wissenschaftler, den Worten ein x anzuhängen, finde ich unschön.

Aber zum Glück gibt es ja genug andere Möglichkeiten. Gut machbar finde ich das so genannte Binnen-I, liebe LeserInnen. Auch gut: die Gender_Gap, da damit explizit auch diejenigen angesprochen sind, die sich nicht eindeutig einer der beiden Geschlechterollen zugehörig fühlen. Am besten aber: die Entsexualisierung der Sprache und zwar ohne x, liebe Studierende, Lehrkräfte und Beschäftigte. Da beneide ich die Engländer, die sich mit solchen Probleme nicht umzutreiben haben. So sieht das auch besagte Luise Pusch, denn, um noch einmal mit ihren Worten zu sprechen: „Gleiche Erwähnung ist genauso wichtig wie gleiche Bezahlung.“ 

Ich bin eine Frau und möchte auch als solche mit einbezogen werden. Ich bin eine Studentin, kein Student, eine Teilnehmerin und kein Teilnehmer und im besten Fall eine Studierende und Teilnehmende.

 

 

Nein!

Ob Leser*innen oder StudentInnen: Gendering-Fans haben sich einige Möglichkeiten einfallen lassen, um Männlein und Weiblein in einem Wort zu nennen. Doch das sieht nicht nur schlichtweg blöd aus, sondern ist auch vollkommen unnötig.

Denn, seien wir mal ehrlich: Welche Schülerin fertigt ihre Hausaufgaben nicht an, weil der Lehrer sie sprachlich (nur) an seine Schüler gerichtet hat?! Allein solch ein Beispiel entlarvt die sprachliche Diskriminierungs“problematik“ als das, was sie eigentlich ist: Ein Artefakt, geschaffen von verbissenen Feministinnen.

Denn indem diese der Sprache eine diskriminierende Wirkung einreden, die es zu beseitigen gelte, schaffen sie sich ihr Problem erst selbst. Der bewusste Einsatz des Binnen-I diskriminiert schließlich alles, was sich eben weder Mann noch Frau nennen will. Auch die so genannte Gender_Gap suggeriert letztendlich nur die Möglichkeit, sich zwischen männlicher und weiblicher Form entscheiden zu müssen.

Konsequenter sind da schon die Wissenschaftler an der Humboldt-Uni Berlin rund um die selbsternannte Gender-Professorin, pardon, Professx Lann Hornscheidt, die die Geschlechter komplett aus der Sprache verbannen will. Doch auch diese Revolutionierung der Sprache ist nichts anderes als ein neuer Gipfel der Unerträglichkeit im Gender-Trend. Denn wenn im Hörsaal plötzlich die Studierxx dem Professx lauschen, laufen nicht nur Rechtschreibprogramme rot an.

Hornscheidt begründet ihren Vorschlag damit, dass es auch „noch mehr gebe als Frauen und Männer“. Damit hat sie natürlich Recht, keine Frage: In Zeiten, in denen ein Travestie-Künstler wie Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewinnt, sollte endlich jeder akzeptieren, dass es auch geschlechtliche Lebensentwürfe gibt, die sich nicht in das System Mann oder Frau pressen lassen. Aber sollen wir dabei ignorieren, dass ein Großteil der Bevölkerung immer noch als Mann oder Frau lebt und das auch noch gerne tut?

Warum ist die Differenzierung der Geschlechter in manchen Kreisen fast verschrien, wo doch die Unterschiede, vor allem physischer Art, schlicht auf der Hand liegen?

Es gibt Männer, es gibt Frauen und es gibt auch Menschen, die sich irgendwo dazwischen einordnen. Wir alle sind nicht gleich, Geschlechter sind grundverschieden und gehören zu unserer Identität. Wir können froh um diese Vielfalt sein.

Aber müssen wir nun versuchen, jede Eventualität der geschlechtlichen Vielfalt krampfhaft in unserer Alltagssprache unterzubringen?

Ich denke nicht. Denn dann versinken wir nur mehr in einer sprachlichen Scheintoleranz, die jeden Unterschied genauso akzeptiert wie ignoriert und uns Menschen ganz bewusst und pointiert zu einem geschlechtlichen Einheitsbrei macht. Egal, was sich die Gender-Fans einfallen lassen: Sie schaffen es nicht, die angebliche Diskriminierung in der Sprache aus der Welt zu schaffen und gleichzeitig die Achtung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu wahren.

 

 

 

 

 

 

das-duell-feeder 

Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Ich-und-Du /pixelio.de

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