Outing trotz Fußball – Fußball trotz Outing?

Ein Beitrag von Philipp Ziser und Thomas Borgböhmer

Dominik Sievers ist einer der wenigen geouteten Fußballer in Deutschland. Seit einem Jahr ist er Spielertrainer bei einem ostwestfälischen Kreisligisten. Im pflichtlektüre-Interview verrät er, warum sich bisher so wenig Fußballer zur Homosexualität bekennen und was die Profifußballer noch besser im Umgang mit diesem Thema machen können.

pflichtlektüre: Du bist jetzt 30 Jahre alt. Wann hast du dich überhaupt geoutet?

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Bevor er Spielertrainer wurde, trainierte Dominik Sievers C- und B-Jugendliche. Auch hier hat er nie Probleme mit seinen Spielern oder deren Eltern gehabt. Quelle (alle Fotos): FC Neuenheerse/Herbram, Teaser: flickr.com/athanea

Dominik Sievers: Da war ich 22 Jahre alt. Also doch relativ spät eigentlich.

Relativ spät sagst du. Seit wann wusstest du denn, dass du homosexuell bist?

Ach, das weißt du schon immer. Das wusste ich früh, in der Pubertät schon.

Okay, trotzdem dann „erst“ mit 22, als junger Erwachsener, geoutet. Warum ausgerechnet dann? Hattest du Angst vor negativen Reaktionen?

Wenn du als Teenager in so einem kleinen 2000-Einwohner-Dorf lebst, machst du dir schon deine Gedanken drüber. Du hast deine guten Freunde, bei denen du weißt, dass die damit gut umgehen. Aber du weißt eben gar nicht, wie die große Mehrheit darauf reagiert. Und das ist so die Angst bei jedem Outing.

Wie waren dann letztendlich die Reaktionen von deinen Eltern, von Freunden und den Leuten aus dem Fußballverein?

Die waren völlig problemlos. Meine Freunde wussten das dann teilweise und das war kein Problem. Du veränderst dich ja nicht als Mensch, nur weil du schwul bist. Im Fußball war es dann auch nicht so, dass ich mich vor die Mannschaft gestellt habe und mein Outing verkündet habe. Ich habe das mal drei Leuten auf einer Party gesagt und gemeint, dass das kein Geheimnis mehr ist. Und da waren die Reaktionen eigentlich auch nur positiv, die waren froh, dass ich mich ihnen anvertraut hatte.  Das zeigt ja auch immer, wie wichtig einem eine Freundschaft ist. Und insgesamt entstand dadurch ein gewachsenes Vertrauensverhältnis und eine tiefere Freundschaft.

Gab es denn Personen, die sich von dir distanziert haben?

Also damit hatte ich überhaupt keine schlechten Erfahrungen. Aber was hinter deinem Rücken gesprochen wird, das weißt du natürlich nie. Mit Sicherheit gibt es Leute, die mal einen Spruch ablassen oder die nach meinem Outing  irgendwas gesagt haben. Aber die haben auch nicht den Schneid, dir sowas ins Gesicht zu sagen.

"Fußball hat in erster Linie mit Leistung zu tun!" Auch wenn dieser Kopfball das Ziel verfehlt - solange die Leistung stimmt, ist die Sexualität des Spielers völlig egal.

"Fußball hat in erster Linie mit Leistung zu tun!" Auch wenn dieser Kopfball das Ziel verfehlt - solange die Leistung stimmt, ist die Sexualität des Spielers völlig egal.

Jetzt bist du schon seit einigen Jahren geoutet. Wie ist es im Fußball? Wissen das mittlerweile die meisten?

Ja, schon alle, seit Jahren. Nicht nur Mitspieler, wir spielen mal in der Bezirksliga und mal eine tiefer in der Kreisliga. Obs alle wissen, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, aber das spricht sich schon rum und es ist mittlerweile ja schon ewig her, dass ich mich geoutet habe. Und da habe ich selbst von Gegenspielern nie negative Reaktionen bekommen, innerhalb unserer Mannschaft schon gar nicht. Und ich kann mich noch an eine Situation direkt nach meinem Outing erinnern: Da war sogar einer vom Vorstand bei mir und hat mir versprochen: „Du Domme, wenn es da Probleme gibt, sag Bescheid. Wir stehen hundertprozentig hinter dir.“

Wie ist das auf dem Platz? Da wird unter Gegenspielern gerne mal etwas provoziert, die üblichen Beleidigungen und Beschimpfungen ausgetauscht. Da rutscht öfters sicher auch mal das Wort „Schwuchtel“ raus. Hast du da jemals schlechte Erfahrungen gemacht?

Auch das ein oder andere böse Wort auf dem Platz gehören dazu. Rechtsfreier Raum sei der Platz aber nicht, so Dominik Sievers: "Rassistische oder homophobe Äußerungenhaben da nichts zu suchen!"

Auch das ein oder andere böse Wort auf dem Platz gehören dazu. Rechtsfreier Raum sei der Platz aber nicht, so Dominik Sievers: "Rassistische oder homophobe Äußerungenhaben da nichts zu suchen!"

Absolut nicht. Das passiert zwar im Fußball, aber dass ich aufgrund meiner Sexualität beleidigt wurde oder ein Spruch kam, das gab es bisher nicht. Na klar, werde ich mal als Penner beschimpft, wenn ich jemanden unfair gestoppt habe. Auch ich schieße bestimmt mal aus der Emotion heraus übers Ziel hinaus. Aber dass ich auf die Sexualität reduziert wurde oder sonstiges, ist noch nie vorgekommen.

Würdest du sagen, dass du da eine Ausnahme bist und dass womöglich andere „härter“ dran sind. Schießen sich die Gegenspieler nicht darauf ein, wenn sie wissen, dass sie gegen einen Schwulen spielen?

Also Fußball ist ein Sport, der viel mit Leistung zu tun hat. Das soll von mir jetzt nicht überheblich klingen, aber ich kann von mir schon behaupten, dass ich ein guter Kicker bin. Dadurch wirst du schon in der Mannschaft respektiert: Durch gute Leistung gibt es ein gewisses Standing. Und ähnlich ist es dann auch bei anderen Teams. Dann hast du den Vorteil. Es wird auf die Leistung geguckt und honoriert. Das ist in jeder Liga so und darum geht es im Fußball. Außerdem leben ja auch auf dem Dorf nicht nur Vollidioten. Ich denke insgesamt, dass unsere Umwelt da schon toleranter geworden ist. Es gibt ja heutzutage nicht mehr Schwule als früher, denke ich.  Aber die Bereitschaft sich zu zeigen und offen dazu zu  stehen, ist größer geworden. Man gilt jetzt eben nicht mehr als Exot.

Du hast nach deinem Outing im Fußball viel positives Feedback bekommen. Im Profifußball ist das anders. Da hat sich bisher niemand geoutet. Ist das überhaupt nötig oder sollte man die Sexualität, also die Intimsphäre der Menschen, außen vor lassen?

Klar, Sexualität ist etwas Intimes und ich muss nicht jedem, den ich kennenlerne, auf die Nase binden, dass ich schwul bin. Wenn man so ein gewisses Alter hat und in seiner Person reift, möchte ich mich aber nicht verstecken müssen. Und auf die Frage, ob ich eine Freundin habe, will ich antworten können, dass ich einen Freund hab. Und da geht es gar nicht um den Fußballprofi, sondern ob da jemand ist, der sich nicht versteckt, sondern zu sich steht. Danach kommt erst der Fußball und wenn das einer schafft, gerade bei der ganzen Berichterstattung der Medien, finde ich das super. Und es ist zwingend notwendig, dass da mal einer den Arsch dafür in der Hose hat.

Teil 1: „Out“ im Fußballverein

Teil 2: Outing im Profi-Fußball?

2 Comments

  • Tim Scheidereit sagt:

    Schönes IV das Mut macht.
    Trotzdem – muss die Klischeepeitsche mit dem Titelbild (zwei Oberkörperfreie Jungs) sein?

  • Brad Shaw sagt:

    Schönes Beispiel und schöne Schlussantwort. Schade trotzdem, dass diese Interviewfragen 2012 noch immer Relevanz haben.

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