Israeltag auf dem Friedensplatz

Ein Beitrag von Sebastian Hetheier

Genau 64 Jahre ist es her, dass David Ben Gurion in Tel Aviv die Unabhängigkeit des Staates Israel erklärte und somit das britische Mandat über Palästina endete. Obwohl am Tag darauf ein blutiger Bürgerkrieg ausbrach, der sich zum ersten Nahost-Krieg entwickelte und bis in den Juli 1949 andauern sollte, feiern 64 jüdische Gemeinden in aller Welt am 14. Mai den Unabhängigkeitstag. Ganz im Sinne von Frieden und Toleranz – und um Land und Kultur einmal aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen.

Jugendliche tanzen zum Klezmer. Fotos: Sebastian Hetheier.

Jugendliche tanzen zum Klezmer. Fotos: Sebastian Hetheier.

Einen Tag nach der Meisterfeier ist so auch der symbolträchtige Friedensplatz für die jüdische Gemeinde in Dortmund sauber gefegt, nichts erinnert an die vergangene Nacht. Schwarz-gelb weicht hier blau-weiß, das BVB-Emblem macht Platz für die Flagge Israels. Rund 800 bis 1.000 Menschen werden hier von der Gemeinde erwartet, die das Fest zusammen mit der Auslandsgesellschaft NRW und dem multikulturellen Forum Lünen organisiert.

Fest für Aufgeschlossene und Neugierige

Es ist ein Familienfest, das alle Generationen vereinigt. Aufgeschlossene, kosmopolitische Juden treffen sich hier, von orthodoxer Strenge keine Spur. Die Alltagskultur der in Deutschland lebenden Juden steht auf dem Programm, da werden politische Fragen höchstens untereinander diskutiert. Denn die polarisieren und Israel an einem Tag zu erklären, wäre vermessen. Dafür ist die Geschichte des jungen wie modernen Landes zu komplex. Wie schrieb die in Tel Aviv lebende Publizistin Gisela Dach: „Israel ist ein einzigartiges Experiment, das längst noch nicht abgeschlossen ist – und vielleicht gerade deshalb für viele so unfassbar und fesselnd zugleich.“

Faszinierend ist auch, dass Israel, wenn medial präsent, nur noch als Krisenmeldung in Printmedien und Fernsehnachrichten erscheint. Und seit Günter Grass‘ Gedichtpolemik sieht man Israel nur mehr durch die kriselnd politische Brille. Fragt man einige Besucher des Festes, wie den Geschäftsführer der jüdischen Kultusgemeinde, Alexander Sperling, fühlten die Juden sich eher durch die empathielose Art und Weise der einseitigen Grass‘schen Israelkritik entsetzt. Da drängte sich einem die Frage auf, wie man denn über Israel zu sprechen hat? Darf man Israel gut finden? Muss man Israel als Deutscher gut finden?

Fünf NRW-Städte feiern

Auch das ist Anlass dieses Tages, der auch unter dem Motto „ILI – I Like Israel“ im Internet angekündigt wurde. Man solle ein Land kennenlernen, das dieselbe Wertegemeinschaft teilt und Solidarität und Freundschaft zum jüdischen Staat zeigen, hieß es in einem Grußwort von Dr. Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland. Neben Dortmund beteiligen sich die NRW-Städte Aachen, Kamen, Köln und Münster an den Feierlichkeiten. Und natürlich München und Berlin. Gerade die Hauptstadt hat mit über 11.000 Juden die größte Gemeinde vorzuweisen.

Apel Avishai ist Rabbiner der Dortmunder Gemeinde.

Apel Avishai ist Rabbiner der Dortmunder Gemeinde.

In Dortmund sehen die Zahlen ein wenig anders aus. „Wir haben rund 3.500 Mitglieder. Die älteren kommen größtenteils aus der ehemaligen Sowjetunion“, weiß Rabbiner Apel Avishai seine Gemeinde einzuordnen. Seit 1989 ist die Dortmunder Gemeinde von 350 Mitgliedern um das Hundertfache gewachsen. In ganz Deutschland sind bei der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland (kurz ZWST) ca. 103.000 Juden gemeldet. Eine verschwindend geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass in der Bundesrepublik rund 82 Millionen Menschen leben.

Über den Nachwuchs macht man sich in der Gemeinde nur bedingt Gedanken, leidet sie auch unter dem allgemeinen demografischen Wandel. Apel Avishai hält allerdings ein kleines Kind im Arm, schaut den Ballettvorführungen der Jüngsten zu, die sich vor der Bühne versammelt haben. Kein Zufall, dass der „Israel-Tag“ mit Tanz beginnt. Tanz gehört traditionell zur jüdischen Kultur. Denn Juden sehen sich als Volk des Festes, der Freude und Ausgelassenheit.

Weiter auf dem Friedensplatz steht ein kleiner Nachbau der Klagemauer. Man kann Zettel mit Wünschen und Bitten an Gott hineinstecken. Ein Schild verspricht, dass diese dann später nach Jerusalem  gebracht werden und die wirkliche Westmauer gesteckt werden. Im Hintergrund hört man live gespielten Klezmer, einige Jugendliche Tanzen im Reigen und einige Informationsstände machen sich für die Aufforstung der Wüsten stark. Der Baum als Symbol für Leben, Familie, religiöse wie kulturelle Wurzeln.

Die Dortmunder Gemeinde integriert und eröffnet Perspektiven

Ekaterina Ershova studiert BWL an der TU Dortmund und hat durch die Gemeinde in der Stadt Fuß fassen können.

Ekaterina Ershova studiert BWL an der TU Dortmund und hat durch die Gemeinde in der Stadt Fuß fassen können.

Wurzeln, die in der ehemaligen Sowjetunion zu suchen sind. „Die meisten von uns stammen aus der Ukraine. Auch die Juden der ersten Generation in Israel sind aus dem Land gekommen“, erklärt Ekaterina Ershova. Die 26-Jährige studiert im Master BWL an der TU Dortmund und hat der jüdischen Gemeinde dort einiges zu verdanken: „Ich bin vor eineinhalb Jahren aus Sibirien nach Deutschland gekommen und habe über Facebook nach Kontakten gesucht. Durch Zufall habe ich einen Freund gefunden, der auch jüdisch ist und hier in der Gemeinde organisiert ist. Das hat mir geholfen, hier Fuß zu fassen und mich zu recht zu finden.“

Ekaterina findet vor allem den engen Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde gut, aber auch die Vernetzung mit anderen. „Man kommt auch viel herum. Von Berlin bis nach Budapest oder mal zum Koscher-Restaurant nach Düsseldorf.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert