Ausstellung: „Opfer Rechter Gewalt“

Ein Bericht von Adriane Palka

156 verschiedene Geschichten werden derzeit in der Petrikirche in der Dortmunder Stadtmitte gezeigt – mit dem Tod als Ende einer jeden. Eines haben sie alle gemeinsam: Die Menschen der Geschichten sind Opfer rechter Gewalt in Deutschland geworden.

Reflektion in der Petrikirche: Zwischen den Ausstellungstafeln hängen Spiegel, die den Betrachter nach seiner Rolle fragen; ob Zuschauer, Opfer oder Täter? Fotos: Adriane Palka

Reflektion in der Petrikirche: Zwischen den Ausstellungstafeln hängen Spiegel, die den Betrachter nach seiner Rolle fragen; ob Zuschauer, Opfer oder Täter? Fotos: Adriane Palka

Mal war es ein Obdachloser, der als „Penner“ und „Asozialer“ nicht in das Weltbild der Täter passte und deshalb zu Tode geprügelt wurde. Oder eine ganze Familie aus Sri Lanka, die bei einem Brandanschlag ums Leben kam. Oder eine junge Frau, die mit 91 Messerstichen getötet wurde, bloß weil sie einen „Nazis Raus!“-Aufnäher auf ihrer Jacke trug. Das sind nur einige der Menschen,  an die in der Ausstellung „Opfer Rechter Gewalt“ in der Petrikirche erinnert werden soll.

Ebenso unterschiedlich wie die Opfer sind die Motive, aus denen sie getötet wurden: Andersartigkeit,  Unangepasstheit, das Eintreten für andere. Oder auch einfach nur, weil sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Insgesamt 156 Personen werden portraitiert – und das sind nur die Fälle, die sich seit dem Jahr 1990 ereignet haben.

Postkarten als Warnung

Auf den Tafeln mit einem Foto und der kurzen Geschichte ihres Schicksals findet sich auch jeweils eine Postkarte aus Deutschland – die mit dem Ort des Verbrechens jedoch nichts zu tun hat. „Das soll betonen, dass diese Ereignisse nicht an eine bestimmte Stadt gebunden sind. Man kann überall ein Opfer rechter Gewalt werden“, sagt Stephan Bacher vom Forum gegen Rassismus (FgR) Campus Dortmund. Das FgR, eine Arbeitsgruppe des Studierendenparlaments der TU Dortmund, hat die Wanderausstellung der Künstlerin Rebecca Forner nach Dortmund geholt. Was auffällt: Viele Tafeln sind grau geblieben, ohne Fotos. „Das liegt daran, dass von diesen Menschen keine Fotos in der Presse erschienen sind“, so Bacher. „Es wurde darauf verzichtet, zum Beispiel bei der Familie nach Fotos zu fragen. Es zeigt aber auch, dass in den Medien nicht genug über politisch motivierte Morde berichtet wird“, findet er.

Verfälschte Statistik

Dabei basiert die Ausstellung auf einer Statistik, die der „Tagesspiegel“ und die „Frankfurter Rundschau“ im Jahr 2000 veröffentlichten, und die seitdem immer wieder aktualisiert wird. Von den 156 Opfern sind nur 46 auch in der offiziellen Statistik Opfer rechter Gewalt. Beim größeren Teil sind andere Gründe angegeben worden.

Von vielen Opfern gibt es keine veröffentlichten Fotos - doch auf ihre Geschichten will die Ausstellung nicht verzichten.

Von vielen Opfern gibt es keine veröffentlichten Fotos - doch auf ihre Geschichten will die Ausstellung nicht verzichten.

Ein bekanntes Beispiel ist der Dortmunder Punk Thomas Schulz, bekannt als „Schmuddel“, der 2005 in der U-Bahn-Station Kampstraße von einem Neonazi erstochen wurde. „In der Akte wurde der Vorfall als Totschlag aufgrund eines Streits zwischen Jugendlichen festgehalten“, sagt Bacher. „So wird die Statistik verfälscht, rechtsgerichtete Kriminalität kann deshalb unterschätzt werden.“

Das passt auch zur Beobachtung von Kübra Y.: „Die Besucher sind überrascht, dass es so viele sind.“ Die 19-jährige türkischstämmige Abiturientin arbeitet ehrenamtlich im Respektbüro Dortmund und engagiert sich nun auch einmal die Woche in der Ausstellung, wo sie unter anderem Führungen für Schulklassen leitet. Auch sie musste schon Pöbeleien in der Öffentlichkeit ertragen: „Klar, als Kopftuchträgerin geschieht das natürlich“, sagt sie. „Aber zum Glück ist es mir noch nicht so oft passiert.“ Von der Ausstellung erhofft sie sich, dass das Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und ins Bewusstsein der Bevölkerung rückt.

Zwischen den Bildtafeln befinden sich, an unterschiedlichen Stellen, drei Spiegel: Jeweils mit der Aufschrift „Opfer?“, „Zuschauer?“ und „Täter?“. Beim Anblick des Spiegelbildes kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Was würde ich tun? Wie würde ich reagieren?

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