Bekenntnisse eines Spielers

Sportwetten sind für manche Studenten eine nette Bereicherung für den Geldbeutel. Für einige Hobbymanager kann das Spiel um das schnelle Geld auch zur Sucht werden. „pflichtlektüre“-Redakteur Dennis Klammer hat die Bekenntnisse eines Sportwettsüchtigen protokolliert:

Onlinewetten vervielfältigen das Spiel- und Suchtpotenzial. Foto: Stella Peters

Onlinewetten vervielfältigen das Spiel- und Suchtpotenzial. Foto: Stella Peters

Es gibt Spiele, bei denen du weißt: Das kann nicht gut gehen – und du tust es trotzdem. Da kommt dann wieder solch ein Blackout. Das kann doch nicht sein? Man spricht sich irgendwie Mut zu: „Komm, mach einfach! Wenn du das noch zu deiner Kombiwette tust, gewinnst du mehr.“ Unerklärlich, diese Blödheit. Man weiß es eigentlich, macht es aber trotzdem. Das ist einfach diese Sucht. Herzlichen Glückwunsch!

Die Anfänge

Angefangen hat meine Wettsucht 2005, da war ich 26 Jahre alt. Ich habe oft mit Freunden über Fußball diskutiert und dabei gemerkt, dass ich mehr Ahnung hatte als viele andere. Trends, Statistiken, die einzelnen Ligen. Aus diesem Wissen wollte ich Profit schlagen und habe angefangen, Sportwetten abzuschließen.

Die Wettbüros schossen zu dieser Zeit wie Pilze aus dem Boden, auch in Siegen. Damals war ich bei der Post als Katalogzusteller und habe von meinem Verdienst 100-150 Euro als Grundlage für zocken eingeplant. Anfangs habe ich nur auf Fußballspiele gesetzt: freitags, samstags, sonntags. Dazu unter der Woche noch Spiele im Uefa-Cup und der Championsleague.

Pro Tipp-Schein habe ich zehn bis 20 Euro gesetzt. In der Woche gingen dabei locker 100 Euro weg. Die Gewinne lagen ca. bei 250 Euro. Später, als die Sucht größer wurde, habe ich mich auch mit kleineren Beträgen zufrieden gegeben. „Mit Gewalt gewinnen“ stand im Vordergrund, nicht der Gewinn an sich. Anfangs habe ich im Monat etwa 30 dieser Tippscheine ausgefüllt, später wurden es mehr.

Meine Lieblingsliga war die spanische Primera Division. Da konnte man mit einem bisschen Know-How am ehesten die Ergebnisse voraussehen. Man tippt immer „1“, „2“ oder „0“. „1“ heißt, dass das Heimteam gewinnt. Glaubt man an einen Auswärtserfolg, tippt man „2“. Und „0“ eben für Unentschieden. Später habe ich nur noch auf Basketball getippt, da in der NBA jeden Abend Spiele waren. Was für einen Spielsüchtigen noch schlimmer ist, da es keine Remis und so nur 50/50-Chancen gibt.

Das Leben im Wettbüro

Eines der vielen Wettbüros in Dortmunds Innenstadt. Foto: Sebastian Schaal

Eines der vielen Wettbüros in Dortmunds Innenstadt. Foto: Sebastian Schaal

Langweilig wurde es in dem Wettbüro nie. Mittags um 12 Uhr rein, abends erst gegen 23 Uhr raus. Den ganzen Tag zocken. Höchstens zum Essen holen habe ich den Laden verlassen. Die anderen Tipper und ich haben immer stundenlang an unseren Tippscheinen herumgedoktort. Eine peinliche Angelegenheit im Nachhinein. Es gab immer viele Diskussionen – die waren ja nicht alle hohl da. Es gab viele dubiose Gestalten, aber einige würde ich sogar als meine Freunde bezeichnen. Mit meinem Tipppartner, mit dem ich über 2 bis 3 Jahre zusammen gezockt habe, traf ich mich beispielsweise auch privat. Wir verstanden uns gut und wollten klar machen, dass Zocken nicht das einzige ist, was unsere Freundschaft verbindet. Wir sind auch mal nach Frankfurt zum Fußball gefahren, obwohl da natürlich auch wieder Fußball im Spiel war.

Meine Eltern und Brüder sind mir mit Verachtung entgegengetreten, als sie meine Spielsucht gemerkt haben. „Was soll das? Halt dich da nicht mehr auf!“, habe ich dann zu hören bekommen. Oft war ich dadurch im Zwiespalt: Einerseits wollte ich ja zocken und die Leute sehen. Man kann da ja auch hingehen, nur um einen Plausch zu halten. Aber andererseits habe ich mich auch gefragt, was ich da mache. Eigentlich gehörte ich da gar nicht hin. Aber ich habe weitergespielt, später auch online. Da hatte man noch mehr Möglichkeiten. Bis zu Dritten Liga konnte ich hier tippen.

Auf der Suche nach Hilfe

Irgendwann habe sogar mal Hilfe aufgesucht und habe meinem Therapeuten, den ich wegen anderer Sachen besuchte von meinem Zock-Pensum erzählt. Der meinte, es sei nicht nötig, das behandeln zu lassen. Er könne das im Rahmen seiner Therapie mitmachen. Gebracht hat es aber nichts. Also habe ich weiterhin gespielt. Bremsen konnte ich mich selten, vor allen Dingen nicht während Großturnieren wie der Fußball-WM.

Richtig in Geldnot war ich aufgrund des Zockens zwar nicht oft, aber es kam vor, so dass ich einige Dinge nicht bezahlen konnte. Große Konsequenzen hatte es aber nicht, das war noch im Rahmen. Andere Spielsüchtige haben regelmäßig um Haus und Hof gespielt. Da wurden auch schon mal 6.000 Euro-Scheine ausgefüllt.

Der Reiz der Sportwetten

Ergebnisse und Tippmöglichkeiten - auf Papier und Bildschirm. Foto: Sebastian Schaal

Ergebnisse und Tippmöglichkeiten - auf Papier und Bildschirm. Foto: Sebastian Schaal

In erster Linie ist Wetten für mich der reine Nervenkitzel. Ich war anfangs immer positiv aufgeregt. Es war ein Muss, die Sucht eben. Mein höchster Gewinn war einmal 500 Euro. Wenn ich gewonnen habe, war es eine Genugtuung. Aber ich habe einen Teufel getan und die Scheine sofort eingelöst. Meist erst am nächsten Tag, ich habe das richtig zelebriert. Man hat sich bestätigt gefühlt und sich was gegönnt. Eine Reise nach Madrid, zum Fußball gucken beispielsweise. 4 Tage, Flug, Hotel, Eintrittskarte – alles aus Zockgeld.

Wenn ich aber verloren habe und die Scheine kaputt waren, war ich ausgebrannt. So richtig mies gelaunt. Wenn andere Spieler verloren haben, haben sie ihren Frust meistens nach draußen gelassen, herumgeschrieen und Sachen zerstört. Das war bei mir nie der Fall. Es gibt zivilisierte und unzivilisierte Zocker. Ich würde mich schon zu den zivilisierten Zockern zählen. Da wurde bei anderen Hass auf Mannschaften aufgebaut, die einem den Tipp zerstört haben. Das hatte ich nie. Ich habe die Enttäuschung eher in mich reingefressen.

Manchmal habe ich auch aus Übermut eine Quatschwette platziert. Einfach mal auf Philadelphia, obwohl ich wusste, dass Memphis das Spiel gewinnen wird. Als ich dann die Wette gesetzt habe, dachte ich nur: „Scheiße, ich Idiot.“ Und so kam es dann auch. Wieder 30 Euro weg.

„Das ewige Leid eines Tippers“

Ein Tipper füllt seinen Schein aus. Foto: Sebastian Schaal

Ein Tipper füllt seinen Schein aus. Foto: Sebastian Schaal

Mittlerweile spiele ich aber wieder weniger. Hauptsächlich, weil ich kein Geld dazu habe. Ich glaube, dass ich nie ganz mit Wetten aufhören könnte. Wenn ich Geld hätte und den Verlust verschmerzen könnte, könnte es sein, dass ich auf eine NBA-Partie wette. Aber als Student ohne Arbeit ist das schwierig. Neulich zum Beispiel hätte ich gern auf ein Basketballspiel zwischen Boston und Miami gewettet, aber ich hatte kein Geld. Boston wurde als Außenseiter gegen Miami gehandelt – zu Hause! Das ist eine Frechheit, Boston zu Hause als Außenseiter zu sehen. Ein absolutes No-Go! Eigentlich ist das für einen Tipper wie Weihnachten: Boston Celtics zu Hause eine Quote von 2,2. Geht’s noch? Das war eine dieser Buchmacherfallen, um Tipper zu locken. Da kann man doch gar nicht Nein sagen. Ich hätte mich insgeheim sogar gefreut, wenn Miami gewonnen hätte. Im Falle eines Sieges brauchst du dich hinterher nicht zu ärgern. Selbst als Boston-Fan geistern einem dann solche Gedanken im Kopf herum. Das ist echt beschissen!

Das ist das ewige Leid eines Tippers: Wenn man nichts setzt, dann laufen die Ergebnisse meist besser, als wenn man setzt. Das ist wie ein Fluch. Aber irgendwann versteht man dann auch, dass es auch doch nicht klappt und man mit Sportsachverstand keinen Blumentopf gewinnt.

Am besten fragst du einfach die Frauen, wie welche Spiele an einem bestimmten Spieltag ausgehen – ich sag dir: vier von fünf sind richtig. Ist halt so. Die hören dann die Namen: „Oh, La Coruňa. Hört sich schön an, auf die tipp‘ ich – die gewinnen bestimmt“. Aber eigentlich weißt du als erfahrener Tipper: die sind nicht in Form und müssten eigentlich verlieren – und peng, gewinnen sie doch.

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