Wandel, Wurst und Wassermelonen

Was hat eine gehäkelte Melone mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet zu tun? Und wieso ist das berühmte „Stößchen“, trotz großer Beliebtheit in Dortmunds Kneipen, doch nicht mehr das, was es mal war? Die Ausstellung „DINGE DER RUHR.-Struktur und Wandel“ im Depot klärt auf.

Manches scheint offensichtlich. Auf dem Einmachglas, dass mit saftigen Zwetschgen und Birnen gefüllt ist, steht bereits „Ruhrglas“ – ein Ding  der Ruhr also. Doch ganz so banal, wie es wirkt, ist die Geschichte dieses alltäglichen Gegenstandes nicht.  Als ein Symbol einer Selbstversorgungskultur hat das Einmachglas seine Bedeutung längst verloren und ist in mancher Küche lediglich als ein stylischer Staubfänger wiederzufinden.

Ein Glas im Wandel: Franziska Reker hat sich mit der Geschichte des Einmachglases, dass sie von ihrer Großmutter kannte, auseinandergesetzt.

Ein Glas im Wandel: Franziska Reker und ihr Einmachglas. Foto: Laura Zacharias

Das Einmachglas ist eines von insgesamt 16 Gegenständen, die eine Gruppe von Dortmunder Studenten der Kulturanthropologie des Textilen gesucht und gefunden hat.       In einem zweisemestrigen Studienprojekt wurden diese Exponate zu den Symbolen des Strukturwandels im Ruhrgebiet gekrönt. „Die Recherche war dabei das schwierigste“, erklärt Projektleiter Jan Christoph Watzlawik. Denn jedes „Ding“ sollte gleichzeitig für das Ruhrgebiet stehen, aber auch den Wandel aufzeigen.

16 Gegenstänge mit eigener Geschichte

Von der anfänglichen Recherche zur Veränderung der Stadt und der Architektur, über Museen, bis hin zu Gruppendiskussionen, Interviews und wissenschaftlicher Literatur habe sich jeder Projektteilnehmer dann „seinem Gegenstand“ angenähert, erzählt Watzlawik. Ihre Ergebnisse zeigen die Studenten nun in einer Wanderausstellung, die zunächst im Depot in der Dortmunder Nordstadt gastiert. Neben professionellen Fotos der Gegenstände umfasst die Ausstellung auch 16 teilweise sehr wissenschaftliche, manchmal auch eher essayistisch angehauchte Texte, die die Geschichten der Gegenstände und besonders, inwiefern sie als „Verobjektivierung des Strukturwandels“ wirken, erklären.

Sehnsucht und Wehmut  aus dem Ruhrgebiet

Neben Ruhrpott-Klassikern, wie zum Beispiel dem Stößchen, das neuerdings einen 0,1 Liter-Eichstrich haben muss und dadurch in seiner Füllmenge nicht mehr dem Wohlwollen des Wirtes unterliegt, oder der Grubenlampe, die heute eher ein Relikt aus der alten Zeit ist, als tatsächlich ein Einsatzgerät unter Tage, sind es auch Dinge, deren Bezug zum Wandel im Verborgenen liegt: Zum Beispiel die gehäkelte Wassermelone. Sie ist, wie man im Text von Elisabeth Beregow erfährt, das Werk einer älteren Dame aus Kasachstan, die 1993 mit ihrer Familie nach Dortmund kam.

Ein Ding der Ruhr: Das Büdchen von Marie Helbing. Foto: Laura Zacharias

Ein Ding der Ruhr: Das Büdchen von Marie Helbing. Foto: Laura Zacharias

Ein Symbol für Veränderung durch die Zuwanderung zum einen, für Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit, Suche nach Heimat in der Fremde zum Anderen. „Natürlich ist die Auswahl subjektiv, jeder hat sein persönliches Ding gefunden“, sagt Watzlawik, der die Idee zu dem Projekt hatte. Dennoch bleibt die Bewertung der Gegenstände und der spannenden Geschichten, die sich dahinter verbergen, stets objektiv. Die Ausstellung ist weder ein Lobpreises auf den Fortschritt noch ein nostalgischer Rundumschlag. Sie ist eher eine scharfsinnige Analyse dessen, was heute ist. Und trotzdem schafft sie es, den Betrachter in genau diese eine wirre aber liebevolle Mischung aus Wehmut und Vorfreude zu versetzen.

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