Psychologie des Spendens

Spenden ist vor allem für Menschen mit geringem Einkommen häufig kein Thema. Das soll sich jetzt ändern: Seit Anfang März gibt es das Spendenprogramm „Deutschland rundet auf“. Mit den zwei Worten „Aufrunden Bitte!“ kann man an der Supermarktkasse seinen Betrag auf die nächsten 10 Cent aufrunden lassen und damit für gute Zwecke spenden. Ein System, das aus psychologischer Sicht viele Vorteile hat.

Jürgen Schupp hat das Spendenverhalten der Deutschen untersucht. Foto: DIW, Teaserfoto: flickr/Ben Heine

Jürgen Schupp hat das Spendenverhalten der Deutschen untersucht. Foto: DIW, Teaserfoto: flickr/Ben Heine

Mit einer Spende etwas Gutes tun. Das hört sich toll an, aber Spenden ist noch keine Selbstverständlichkeit. Das Spendenverhalten ist von vielen Faktoren abhängig. Jürgen Schupp hat im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung das Spendenverhalten der Deutschen untersucht. Das Einkommen der Menschen habe großen Einfluss darauf ob und wieviel jemand spendet, sagt Schupp. „Wie unsere Untersuchung zeigt, haben diejenigen, die über mehr Ressourcen verfügen, eine höhere Bereitschaft zu spenden.“ Ein Drittel des gesamten Spendenvolumens für Deutschland stamme von den 10% der Einwohner mit dem höchsten Einkommen. Genauer betrachtet spenden Menschen mit höherem Einkomen nicht nur häufiger, sondern auch einen größeren Anteil ihres Einkommens als schlechter verdienende Menschen. „Die Spendenverteilung ist also extrem schief in Deutschland“, sagt Schupp.
.
Spendenaufwand und Einkommen beeinflussen die Spendenbereitschaft.
Ein weiterer Faktor sei der Aufwand, erklärt Schupp. Häufig ist die Spende mit großem Aufwand verbunden: Es müssen Spendenscheine ausgefüllt werden, und bevor man überhaupt spendet möchte man sicher gehen, dass das Geld auch ankommt. Das zu prüfen ist häufig schwierig, da die Spendenorganisationen nur selten Einblicke in die Verwaltung des Geldes gewähren. Der Aufwand und die finanzielle Belastung sorgen also dafür, dass die Spendenmotivation eher gering ist.
Christian Vater ist der Gründer von "Deutschland rundt auf". Foto: "Deutschland rundet auf"

Christian Vater ist der Gründer von "Deutschland rundt auf". Foto: "Deutschland rundet auf"

Ein paar Cents weniger im Portemonnaie fallen gar nicht auf.

Und an genau diesen Punkten setzt die gemeinnützige Stiftung „Deutschland rundet auf“ an. Jürgen Schupp erklärt was es für Gründe geben könnte, warum sich Menschen an der Aktion beteiligen: „Ich habe überhaupt keinen Aufwand und von daher ist auch die Wahlentscheidung leichter: Verzichte ich jetzt auf 5 Cents beim Bezahlen und weiß, es kommt guten Zwecken zugute, wird die Spendenmotivation eine ganze andere sein, als wenn ich mir überlege, für wen ich spende, ob das Ganze Sinn macht, ob die Organisation angemessen ist, also wo viel stärker rationale Motive eine Rolle spielen.“ Im März und April wurde bereits über 4 Millionen mal aufgerundet und damit über 170.000 Euro gesammelt. Christian Vater hat das Spendenprojekt ins Leben gerufen und für ihn ist das bisherige Ergebnis ein voller Erfolg. Außerdem ist für ihn wichtig: „Bei uns können auch Hartz IV-Empfänger etwas Gutes tun.“
.
.
Aber warum spenden wir überhaupt? Aus ökonomischer Sicht verschlechtert der Spender seine finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Spende, sagt Schupp. „Wenn meine einziges Motiv wäre mein Einkommen zu maximieren, dann dürfte Spenden eigentlich gar nicht vorkommen“. Trotzdem wurden 2011 insgesamt 4,3 Milliarden Euro in Deutschland gespendet. „Dabei spielen vor allem altruistische Motive eine Rolle“, erklärt Schupp. Das bedeutet, dass das Glück des Empfängers dem Spender wichtiger sei als seine eigene finanzielle Situation.
.
Vertrauenswürdig oder nicht?

Doch auch nur ein paar Cents sind zu viel, wenn sie zweifelhaften Zwecken zu Gute kommen und die organisatorischen Kosten einen großen Anteil der Spenden auffressen. Privatmann Christian Vater hat die gemeinützige Organisation ins Leben gerufen und versucht diese Bedenken aus dem Weg zu räumen. Er wirbt damit, dass die Spenden zu 100% ankommen und die anfallenden Kosten nicht von den Spendengeldern, sondern von den Partnergebühren der teilnehmenden Handelspartner wie Penny, Douglas und Netto bezahlt werden. Außerdem wird die gesamte Werbekampagne von Medienpartnern wie Sat1, ProSieben, RTL gesponsert.
.
.
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!
An diesem Logo sind teilnehmende Handelsunternehmen zu erkennen. Foto: "Deutschland rundet auf"

An diesem Logo sind teilnehmende Handelsunternehmen zu erkennen. Foto: "Deutschland rundet auf"

Ebenso wie andere Spendenorganisationen wird auch „Deutschland rundet auf“ von externen unabhängigen Insituten überwacht: Das Wirtschaftsprüfungsinstitut „Deloitte“ beaufsichtigt die ordnungsgemäße Verwendung der Spenden. Außerdem werden die Projekte, die „Deutschland rundet auf“ unterstützt, von der gemeinnützigen Organisation „Phineo“ vorgeschlagen und zuvor auf Herz und Nieren geprüft: „Alle verfügen über hohes Wirkungspotential und werden von einer leistungsfähigen Organisation getragen.“ „Deutschland rundet auf“ unterstützt vor allem Projekte, bei denen das Geld Kindern in Deutschland zu Gute kommt. Das aktuelle Projekt „Eltern-AG“ kümmert sich um Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder Hilfe benötigen. „Deutschland rundet auf“ trägt bislang noch kein Spendensiegel des „Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen“ (DZI). Burkhard Wilke, Geschäftsführer des DZI erklärte gegenüber der Stuttgarter Nachrichten, dass die Spendenorganisation noch geprüft werde. Auf der Homepage von „Deutschland rundet auf“ erfährt man alles über das Programm, die unterstützten Projekte, den aktuellen Spendenstand und die Kontrollmechanismen, die dafür sorgen sollen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. So kann sich jeder seine eigene Meinung über die Vertrauenswürdigkeit der Spendenorganisation bilden.

Mitläufer oder Individualist?

Beim Spenden gibt es aber noch ein ganz anderes Phänomen: Der soziale Druck. Sitzt man zum Beispiel in der Kirche und wirft nichts in den Kollektenbeutel fällt man auf. Deshalb gibt es vielleicht den einen oder anderen Besucher, der in diesem Fall spenden um einer peinlichen Situation aus dem Weg zu gehen. Aber was passiert denn jetzt, wenn vor mir an der Kasse jemand spenden – fühle ich mich dann unter Druck gesetzt auch zu spenden? Jürgen Schupp erklärt, dass ein sozialer Druck zu spenden nur dann entstehen kann, wenn die Mehrheit der Menschen spendet. Da Spenden aber in vielen Situationen noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden ist, sei es sehr unwahrscheinlich, dass ein so großer Druck entstehe, dass man spendet um nicht aufzufallen und nicht zum Außenseiter zu werden. Außerdem könnte dann auch das Gegenteil passieren: Man spendet nicht. Und zwar um sich bewusst von der Masse abzugrenzen und seine Individualität zu bewahren.
.