Interview: TU-Physiker korrigiert Bundesregierung

Die Debatte um den Einsatz von bewaffneten Drohnen durch die Bundeswehr ist in vollem Gang. Vergangene Woche gab es eine Aktuelle Stunde im Bundestag zum Thema, Verteidigungsminister Thomas de Maizière sprach sich für die Anschaffung von unbemannten Kampfflugzeugen aus. Die Regierung behauptet, für quantitative Beschränkungen von Drohnen gebe es bisher keine Rechtsgrundlage. Falsch – wie Dr. Jürgen Altmann, Physiker und Friedensforscher an der TU Dortmund, betont. Altmann im Gespräch mit pflichtlektüre-Autor Torben Richter über Drohnen, Wettrüsten und Roboterkriege.

Dr. Jürgen Altmann, Rüstungsexperte und Physiker an der TU Dortmund. Foto: Torben Richter

Dr. Jürgen Altmann, Rüstungsexperte und Physiker an der TU Dortmund. Foto: Torben Richter

Dr. Altmann, die Bundesregierung hat auf eine Anfrage verschiedener Fraktionen zum Thema Drohnen Antworten gegeben, die Ihrer Meinung nach falsch sind. Hat die Regierung gelogen?

Naja, zwischen Unwahrheit sagen und lügen besteht ein Unterschied. Ich weiß, dass die Leute im Auswärtigen Amt eigentlich wissen, was in den Verträgen steht. Möglicherweise wurde das Auswärtige Amt beim Vorbereiten dieser Antworten nicht gefragt. Jedenfalls stimmt nicht so richtig, was die Bundesregierung da gesagt hat. Aber ob sie jetzt bewusst gelogen hat, müsste man weiter erforschen, das ist nicht meine Aufgabe.

Sie haben die Referate im Auswärtigen Amt darauf hingewiesen, dass der „Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa“ (KSE) auch Drohnen beinhaltet. Also wussten es die Antwortgeber nur nicht besser?

Ich spekuliere da ungern. Ich habe keine Ahnung, wie die Regierung dazu kommt, solche etwas merkwürdige Erklärungen abzugeben. Dass der Vertrag auch unbemannte Panzer und Kampfflugzeuge beinhaltet, war da wohl ein bisschen in Vergessenheit geraten.

Worum geht es denn bei dieser Diskussion?

Die Grundsatzfrage ist die: Soll die Bundeswehr ihre unbemannten Flugzeuge, die bisher nur zur Aufklärung eingesetzt werden, auch mit Waffen ausrüsten – so wie die USA, Israel oder England? In der aktuellen Diskussion geht es aber darum, ob es quantitative Begrenzungen für unbemannte Flugzeuge und Landfahrzeuge gibt. Und die gibt es: Im KSE-Vertrag von 1990 steht in den Definitionen von Kampfflugzeugen, Kampfpanzern usw. aber nichts davon, ob Soldat oder Soldatin an Bord sein müssen. Unbemannte Maschinen fallen also auch unter die Regelungen des KSE-Vertrags.

Das bedeutet?

Wenn man sich bewaffnete Drohnen zulegen und in Europa stationieren möchte, muss das den Vertragspartnern mitgeteilt werden. Die jeweils andere Seite darf dann auch vorbeikommen, um zu sehen, ob die angegebenen Zahlen stimmen. Dieser Vertrag gilt und enthält unbemannte Fahrzeuge genau so wie bemannte. Für sie gelten bestimmte Regeln, sie müssen angemeldet werden, unterliegen Inspektionen und so weiter. Daran besteht kein Zweifel.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte vor einer Woche zum Einsatz von Drohnen durch die Bundeswehr: „Bei dieser Zukunftstechnologie muss Deutschland dabei sein. Wir können nicht sagen, wir bleiben bei der Postkutsche, während alle anderen die Eisenbahn entwickeln.“ Droht uns ein neues Wettrüsten?

Ja, auf jeden Fall. Wenn man nur die eigene militärische Modernität im Sinn hat, und sich nicht darum kümmert, was weltweit daraus folgen kann, ist das nur die logische Schlussfolgerung. Ich denke, dass eine verantwortungsbewusste Politik die Konsequenzen mitbedenken müsste, und da droht eine ganze Menge. Zum Beispiel wird nicht nur der Westen bewaffnete Drohnen haben. Die könnten sich sehr weit verbreiten, China  und andere Länder würden sie vielleicht exportieren, das haben sie schon angekündigt. Und so teuer sind die nicht.

Was hätte das für Konsequenzen?

Es könnte durchaus passieren, dass da kleinere Systeme entstehen, die dann vielleicht von Terroristen gegen Kanzlerkandidaten eingesetzt werden, während die im Bundestagswahlkampf auf dem Marktplatz eine Rede halten. Es ist eine Menge von Gefahren damit verbunden, wenn man sich fragt, ob man in diese militärische Technologie mit einsteigen sollte.
Ich halte es für besser, weltweit weitgehend darauf zu verzichten, das Mindeste ist aber, die Anzahl zu begrenzen, wie es in Teilen schon europaweit in den Verträgen festgelegt ist.

Wer könnte der Gegner bei einem neuen Wettrüsten sein?

Ein Wettrüsten findet eigentlich immer statt, und je nach wirtschaftlicher Kraft und angestrebter Rolle auf der Welt nehmen die Staaten daran teil. China ist militärisch noch sehr zurückhaltend, wenn sich das Land aber dazu entschließt, verstärkt ins Militär zu investieren, würde da sehr schnell eine weltweit fähige Militärmacht entstehen. Ich denke, dass es für die Menschheit keine gute Idee ist, wenn wir mehrere solche militärischen Weltmächte haben, die sich gegenseitig bedrohen.

Warum setzen immer mehr Militärs auf den Einsatz von Drohnen?

Wenn man nur die Aufgabe im Kopf hat, im Kampf siegreich zu sein und dabei aber auch möglichst die eigenen Soldaten schonen möchte, liegt es nahe, zu sagen: „Schicken wir doch einfach Maschinen statt der eigenen Soldatinnen und Soldaten.“ Menschen werden nach zehn oder zwölf Stunden schlapp und müssen durch Andere ersetzt werden, eine Drohne kann z. Bsp. 36 Stunden in der Luft bleiben. Da sitzt man mit den eigenen Soldaten 5000 Kilometer weit weg und setzt sie so keiner direkten Gefahr mehr aus.

Ist es nicht gefährlich, Entscheidungen über Leben und Tod einem Computer zu überlassen?

Auf jeden Fall, das ist aber erst der nächste Schritt. Noch werden die Drohnen ferngesteuert. Sie fliegen automatisch, der eigentliche Angriff wird aber durch Fernsteuerung ausgeführt. Es gibt aber einen gewissen militärischen Druck, diese Entscheidung auch den Maschinen zu überlassen. Da sind viele Gefahren mit verbunden.

Welche Gefahren sind das?

Zunächst muss man befürchten, dass die Regeln des Kriegsvölkerrechts nicht vernünftig eingehalten werden – vor allem Angriffe nur gegen militärische Ziele, die Verhältnismäßigkeit von so genannten „Nebenschäden“ – weil die sogenannte künstliche Intelligenz doch noch meilenweit davon entfernt ist, was ein Mensch kann.
Dann könnte es passieren, dass zwei Parteien, die beide über bewaffnete Drohnen verfügen, sich in einer Krise gegenseitig beäugen, ausgelöst durch ein unklares Ereignis kann eine Drohne schießen, die anderen Drohnen schießen schnellstmöglich zurück und es entsteht ein Krieg, den eigentlich keiner so richtig wollte. Schließlich muss man auch an kleine Drohnen und Landfahrzeuge denken, die in terroristische Hände geraten könnten.

Welche Konsequenzen hätte eine Drohne in Händen von Terroristen?

Bisher mussten sich Terroristen ein Modellflugzeug nehmen und eine Handgranate daran befestigen. Wenn aber eine Maschine, die mit großem Aufwand und technischem Know-how von Staaten entwickelt wurde, zu Terroristen gelangen würde, könnten die erheblich gewitztere Anschläge verüben als wenn sie das alles selbst basteln müssten.

Wenn der Abschuss durch Drohnen an einem Computer, weit entfernt vom Geschehen, gesteuert wird, wird Krieg dann zu einem Computerspiel?

Man sitzt sehr weit weg, braucht nur einen Mausknopf drücken und kann wie im Computerspiel sagen: „Wieder einen Feind abgeschossen.“ Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist, dass die Soldaten durch die lange Beobachtung der Szene und das gute Kamerabild so in die Situation eingebunden werden, dass sie durch den Abschuss einen großen Stress davontragen, insbesondere wenn sie danach im Kamerabild die Leichen, auch von Frauen und Kindern, sehen. Es gibt auch Soldaten, die diesem Stress nicht standhalten.

In Filmen wie „Star Wars“ kämpfen Roboter gegen eine Klon-Armee. Halten Sie es für wahrscheinlich, dass sich die Menschen wie bei „Star Wars“ immer mehr aus Kriegen zurückziehen und Roboter für sich kämpfen lassen?

Wenn, dann ist es noch lange hin. Es wird nicht dazu kommen, dass man nur die Drohnen gegeneinander kämpfen lässt. Es werden immer Menschen involviert sein. Sonst könnte man ja auch sagen, man lässt die Präsidenten gegeneinander ringen und wer am Ende unten liegt, hat verloren. Dafür ist Krieg eine zu ernsthafte und zu sehr mit massiven Interessen besetzte Sache, als dass er sozusagen auf dem Spielfeld ausgekämpft wird. Es ist eher zu befürchten, dass mit Robotern wieder verstärkt die Zivilbevölkerung ins Ziel genommen wird. Ein Krieg nur mit Robotern ist zunächst nicht abzusehen.

Dr. Altmann, vielen Dank für das Gespräch.

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