Kampf gegen Korruption

Der 9. Dezember ist der internationale Tag gegen Korruption. Seit acht Jahren erinnert die UN mit diesem Tag an die Einhaltung einer allgemeinen Vereinbarung gegen Korruption. Deutschland hat diese zwar unterschrieben, aber bis heute nicht umgesetzt. Warum das so ist und ob deutsche Hochschulen mit Korruption zu kämpfen haben, fragte pflichtlektuere.com den Düsseldorfer Politikwissenschaftler und Korruptionsforscher Prof. Dr. Ulrich von Alemann.

Prof. Dr. Urich von Alemann ist Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft im Sozialwissenschaftlichen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Korruptionsforscher ist Mitglied bei Transparency National e.V.. Die Organisation gibt jedes Jahr eine Liste mit dem Korruptionsindex von 180 Staaten heraus. Foto: Privat

Prof. Dr. Urich von Alemann ist Mitglied bei Transparency International e.V. - die Organisation gibt jedes Jahr eine Liste mit dem Korruptionsindex von 180 Staaten heraus. Foto: Privat; Teaser: flickr.com/David Goehring

Professor von Alemann, Sie sind Korruptionsforscher. Haben Sie noch Vertrauen in die Menschen?

Ja, ich bin immer noch von einem positiven Menschenbild geprägt. Als Kriminologe oder Umweltforscher muss man ja auch nicht unbedingt zum Pessimisten werden. Ich glaube immer noch, dass Korruption in Deutschland ein Phänomen ist, das man erfolgreich bekämpfen kann und muss. Aber ich denke auch, dass wir nicht in einer korrupten Bananen-Republik leben.

Was heißt Korruption eigentlich?

Der Begriff an sich ist sehr umstritten. Die allgemeine Definition ist: Wenn man einen privaten Vorteil für eine amtliche Handlung bekommt. Im deutschen Strafrecht spielt Korruption aber gar keine große Rolle. Hier wird das immer noch umschrieben mit Vorteilsnahme oder Bestechung.

Obwohl Deutschland auf der Liste gegen Korruption relativ weit vorne ist…

… richtig, es gibt eine Liste, die jedes Jahr von Transparency International herausgegeben wird – den Corruption-Perception-Index. Am untersten Ende der insgesamt 180 Staaten stehen viele Entwicklungsländer, wie zum Beispiel Somalia oder die Elfenbeinküste. Mit Platz 15 ist Deutschland momentan in der Spitzengruppe bei den Ländern gegen Korruption. Deutschland hat zwar durchaus auch Korruptionsprobleme, aber auf einem ganz anderen Niveau als zum Beispiel in Ost- und Südeuropa. Griechenland, Italien, Polen und Rumänien stehen sehr viel weiter unten in der Liste der korrupten Staaten.

Die UN-Konvention gegen Korruption aus dem Jahr 2003 wurde bis heute von Deutschland nicht umgesetzt.

Das ist ein großes Problem. Der Grund dafür ist das deutsche Abgeordnetengesetz. Den Mitgliedern des Bundestags wird so eine hohe und unabhängige Stellung eingeräumt, dass Deutschland sagt: Vergehen können wir aufgrund des Artikels 38 des Grundgesetzes, der die Immunität der Abgeordneten regelt, nicht so ahnden, wie in anderen Ländern. Die wenigen Staaten, die die Konvention noch nicht ratifiziert haben, sind nicht gerade unsere Vorbilder. Somalia zählt dazu, aber auch Saudi-Arabien oder Myanmar.

Es gibt verschiedene Arten von Korruption, welche unterscheidet man?

Man unterscheidet den grauen und schwarzen Bereich. Der schwarze Bereich ist illegal und illegitim, der graue Bereich ist legal aber illegitim. Ein Beispiel: Bis vor einiger Zeit stand der Dienstwagen von Konrad Adenauer im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Daneben war ein Schild mit der Aufschrift: Diesen Mercedes benutzte der Bundeskanzler Adenauer für seine Staatsbesuche in Europa, für seine Wahlkampfreisen in Deutschland und für seine Urlaubsreisen nach Cadenabbia am Comer See. Damals wurde das von der Bevölkerung akzeptiert, heute nicht mehr.

Aber man hört doch oft von einem Werteverfall unserer Gesellschaft. Bedeutet das dann nicht umgekehrt, dass wir heute eine bessere Moral haben, als früher?

Die Moralvorstellungen wandeln sich in einer Gesellschaft. Das liegt vor allem an den Medien. Früher wurden die großen Staatsmänner stärker bewundert. Heute schaut man kritischer hin. Es ist nicht unbedingt das Verhalten der Politiker, das sehr viel korrupter oder anstößiger geworden wäre. Die Messlatte in der Bevölkerungswahrnehmung liegt höher. Die Maßstäbe sind schärfer geworden.

Immer wieder stehen deutsche Politiker unter Korruptionsverdacht. Die Millionenspende eines Hoteliers an die FDP ist den meisten noch geläufig. 2010 standen 100 Mitarbeiter verschiedener Ministerien unter Verdacht, Schmiergelder angenommen zu haben. Die CDU-Spendenaffäre um Altbundeskanzler Helmut Kohl ist Teil der deutschen Geschichte. Was wird getan, um Korruption zu unterbinden?

Korruption gab es schon im alten China oder in Rom. Da wurden sogar Wähler bestochen, als die Senatoren gewählt wurden. Foto: flickr.com/dierk schaefer

Korruption gab es schon im alten China oder in Rom. Da wurden sogar Wähler bestochen, als die Senatoren gewählt wurden. Foto: flickr.com/dierk schaefer

Seit Mitte der 90er Jahre ist man in Deutschland aktiver geworden, wenn es darum geht, präventiv gegen Korruption vorzugehen. Es gibt jetzt regelmäßig ein Lagebild Korruption durch das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter. In den Ämtern gibt es mittlerweile Korruptionsrichtlinien, die dafür sorgen, dass Korruption schneller erkannt und bekämpft werden kann. Das Vier-Augen-Prinzip oder Rotation sind Möglichkeiten, zu unterbinden, dass sich Entscheidungsträger in Versuchung führen lassen, Schmiergelder anzunehmen. Es muss einfach ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sich Korruption überall einschleichen kann. Auch in Universitäten oder in Ämtern – nicht nur im Bauamt, selbst im Friedhofsamt hat es schon Korruption gegeben.

Die Universität Köln hat einen Kooperationsvertrag mit dem Bayer-Konzern. Die Taz berichtete im Mai dieses Jahres über einen Kooperationsvertrag der Deutschen Bank mit der Berliner Humboldt Universität und der Technischen Universität. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Doktorväter bestochen wurden. Ist Korruption an deutschen Hochschulen an der Tagesordnung?

Ich glaube, dass das Einzelprobleme sind. Es gibt Länder, in denen es üblich ist, dass Promotionen gekauft werden. In Deutschland konnte man auch eine Zeitlang Promotionen bei Promotionsförderfirmen kaufen. Korruption an Hochschulen ist ein ganz dubioser Bereich, in den aber auch von der Justiz eingegriffen wurde. Beispielsweise im Fach BWL werden viele Fallstudien für bestimmte Firmen geschrieben. Dafür wurden teilweise auch noch Preise zwischen dem Doktorvater und den jeweiligen Firmen vereinbart. So etwas darf natürlich überhaupt nicht sein. Die Gerichte greifen da aber auch konsequent durch. Forschung muss unabhängig sein. Bei Kooperationen mit bestimmten Firmen muss man genau hinsehen, ob die wissenschaftliche Arbeit dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ich hoffe aber, dass das keine übliche Praxis an deutschen Hochschulen ist.

Haben Sie an Ihrer Hochschule schon einmal Fälle von Korruption erlebt?

Nein. Da ich auch Prorektor für Lehre und Studium bin, musste ich zum Beispiel auch die Studiengebühren selber kontrollieren. Für meine Universität kann ich derartige Vorwürfe nur zurückweisen. Man konnte darüber streiten, wofür man Studiengebühren einsetzen wollte – um mehr Laborplätze in der Chemie zu schaffen oder neue Professoren in den Geschichtswissenschaften einzustellen. Aber dass alle Gelder, die man ausgegeben hat, dem Studium im weiteren Sinne zu Gute kommen, darüber sind wir uns alle einig. Auch von anderen Universitäten in NRW habe ich von solchen Fällen noch nichts gehört.

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