Drehbeginn: Tatort in Dortmund

Dortmund wird Tatort-Stadt, vor einem halben Jahr ist die Entscheidung gefallen, jetzt haben die Dreharbeiten begonnen. Dortmunder U, Hauptbahnhof, Westfalenstadion – wer genau hinschaut kann in diesen Tagen vielleicht ein bisschen Filmluft schnuppern. Regisseur für die ersten beiden Teile ist der Münchner Thomas Jauch. Er hat bereits Erfahrung mit dem Ruhrgebiet, einen Schimanski-Tatort drehte er  in Duisburg. In Dortmund gehen gleich vier Kommissare auf Verbrecherjagd. Für den ersten Teil „Alter Ego“ haben sich die Szenenbildner die Fußballroboter der TU Dortmund ausgeliehen.

Über den Dächern der Stadt. Drehtermin im HCC-Gebäude. Mit den TU-Robotern ist Oliver Urbann (rechts) als Komparse dabei.

Über den Dächern der Stadt, Drehtermin im HCC-Gebäude. Mit den TU-Robotern ist Oliver Urbann (rechts) als Komparse dabei. Fotos: Ann-Christin Gertzen

Der Himmel ist wolkenverhangen. Im Hintergrund die graue Großstadt mit dem Dortmunder U auf der einen und dem Hauptbahnhof auf der anderen Seite. Der 18. Stock des HCC-Gebäudes am Hauptbahnhof bietet die perfekte Kulisse für die Mordermittlungen in der ersten Dortmunder Tatort-Folge „Alter Ego“. Die Crew ist schon seit acht Uhr unterwegs. Nach einem Außendreh auf der Katharinentreppe am Hauptbahnhof und Innenaufnahmen vom Dortmunder U ist das HCC-Gebäude die letzte Station an diesem Tag. Im Panorama-Saal hat Szenenbildner Frank Polosek eine Technikausstellung nachgebaut. Mit einer großen Video-Leinwand, einem Roboter, der jede Bewegung nachahmen kann und einem Fußballfeld, hier haben später die Fußball-Roboter der TU ihren großen Auftritt.

Die Assistentin von Frank Polosek trägt ein dickes Skizzenbuch mit sich: Abbildungen von Stühlen, Raummaße, besondere Gegebenheiten. „Schon 30 Tatorte habe ich ausgestattet“, erzählt der Szenenbildner. Vor allem die Pilotfilme hätten es ihm angetan. „Ich habe schon oft die Kulisse für den jeweils ersten Tatort aus einer Stadt gebaut“, wie hier in Dortmund. Ein Tatort habe in der Regel 23 Drehtage. Frank Polosek ist bei jedem dabei: „Das ist anstrengend, an Tagen wie diesen arbeiten wir 12 Stunden und länger. Harte Arbeit. Vergessen die meisten.“

TU-Roboter im Einsatz

„So, wollen wir mal zwei von den Jungs da reinstellen?“ Poloseks Frage geht an Oliver Urbann.“Die Jungs“ sind die Roboter vom Robotics Research Institute der TU Dortmund. Sie sind Vize-Weltmeister im Roboter-Fußball und nun auch noch Film-Stars. Oliver Urbann ist stolz: „Wir fühlen uns natürlich geehrt, dass wir hier mitmachen können.“ Dass später im Film einer seine Kommilitonen ermordet werden soll, nimmt er mit Humor.

Die fußballspielenden Roboter sind bereits Vizeweltmeister. Jetzt werden sie auch noch Filmstars.

Die fußballspielenden Roboter sind bereits Vizeweltmeister. Jetzt werden sie auch noch Filmstars.

Für die Roboter ist der Auftritt im Film jedoch eine große Herausforderung: „Bei den Wettkämpfen ist alles genau vorgegeben, die Farbe des Spielfelds, die Linien, der Gegner, die Farbe des Tors.“ Die 12.000 Euro teuren Roboter sind auf die verschiedenen Farben und Abstände programmiert. „Ob das dann später beim Dreh mit der Kulisse funktioniert – mal abwarten.“ Zumindest sehen sie gut aus. Polosek ist zufrieden. Das Bild passt.

Leerlauf.

Zwischen Aufbau und Drehbeginn vergehen an diesem Tag sechs Stunden. Warten. Das scheint einen großen Teil des Filmbusiness auszumachen. Die Roboter werden in ihren Stationen aufgeladen. Gegen 16 Uhr dann der Anruf von der Regieassistenz: „Wir sind unterwegs!“ Die Dreharbeiten im Dortmunder U sind abgeschlossen. Drei LKWs mit Equipment setzen sich in Bewegung. Rollwagen mit Scheinwerfern und Stativen werden in den 18. Stock gebracht. Jetzt muss alles schnell gehen. Die großen Unterbauten für die Filmkameras werden durch die langen Flure geschoben, im Nebenraum bauen die Tontechniker ihr Mischpult auf. Um die 20 Leute wuseln durcheinander. Mittendrin: Regisseur Thomas Jauch, die Schauspieler Aylin Tezel – sie spielt die Polizeioberkommissarin Nora Dalay – und Stefan Konarske als Polizeioberkommissar Daniel Kossik. Jauch schaut sich das Set an. Die Roboter geben ihre erste Probevorführung. „Los! Schieß! Schieß! Wie der Elfmeter gegen Bayern!“ Die Crew hat sich das Spiel Dortmund gegen Bayern live im Stadion angesehen. Doch der kleine Roboter funktioniert besser als Robben – er trifft. Der Jubel ist groß.

Schauspieler Stefan Konarske spielt Polizeioberkommissar Daniel Kossik. Hier in Interaktion mit einem Roboter der Uni Bielefeld.

Schauspieler Stefan Konarske spielt Polizeioberkommissar Daniel Kossik, hier in Interaktion mit einem Roboter der Uni Bielefeld.

„Und Bitteschön!“
Haare und Makeup sitzen. Die Szene wird mehrmals geprobt, Kamera und Licht verstellt. Dann geht es los. Thomas Jauch gibt das Kommando. „Wir drehen! Und bitteschön!“ Stefan Konarske interagiert mit dem Roboter, der Bewegungen nachahmen kann und Aylin Tezel befragt eine Zeugin. Die ganze Szene wird im Endeffekt nicht länger als 30 Sekunden zu sehen sein, der Dreh dauert jedoch bereits jetzt eine volle Stunde. „Fünf Minuten Technik bitte!“ Weiße Tücher werden für die Portraitaufnahmen ausgelegt, um den Teint weicher erscheinen zu lassen und schwarze Tücher vor die Fenster gehängt, um das Licht besser kontrollieren zu können.

Und immer wieder die berühmte Klappe: „Eins. Siebzehn. Drei. Die Erste.“ „Eins. Siebzehn. Drei. Die Zweite.“ Von dieser Hektik wird im Tatort nicht mehr viel zu spüren sein. Im Nebenraum sind schon die ersten Aufnahmen zu sehen. Thomas Jauch ist begeistert: „Hier denkt man es zieht sich alles wie Kaugummi, aber wenn man dann diese Aufnahmen sieht, weiß man, dass sich die Arbeit gelohnt hat.“ Ein qualmender Schornstein ist zu sehen, düstere Farben, eine kühle Atmosphäre. Im Nebel liegt das U. Die ersten Bilder vom Dortmunder Tatort wirken schaurig und schön zugleich. Wie der wolkenverhangene Himmel an diesem Tag aus dem 18. Stock.

Hauptdarstellerin Aylin Tezel freut sich auf die Dreharbeiten in Dortmund

Schauspielerin Aylin Tezel ist mit 28 Jahren die jüngste Tatort-Kommissarin Deutschlands.

Schauspielerin Aylin Tezel ist mit 28 Jahren die jüngste Tatort-Kommissarin Deutschlands.

„Für mich ist es toll, endlich in Dortmund zu drehen. Die letzten Tage waren wir zwar bereits in Köln im Studio, aber wenn man einen Tatort aus Dortmund macht, ist es schön endlich vor Ort zu sein. Man merkt auch, dass sich die Leute auf uns freuen und gespannt sind, was wir aus dem Tatort machen. Beim Außendreh vor dem Hauptbahnhof sind ständig Leute mitten durchs Bild gelaufen, haben angehalten und sich dafür interessiert, was jetzt passiert. Wir werden in dieser Woche noch eine Station am Borsig-Platz drehen, heute waren wir ja außerdem schon im Dortmunder U – da lernt man die Stadt schon kennen. Ich komme gebürtig aus Bünde und war leider vorher noch nicht so oft hier. Dortmund ist ja quasi die Stadt des Ruhrgebiets, eine Stadt im Umbruch, in der die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat. Sie bietet so viele Facetten und ist daher perfekt für einen Tatort. Vor einiger Zeit habe ich mir ein Spiel von Dortmund gegen Bremen angesehen. Boah, das war eine Wahnsinnsatmosphäre! Die ganze Stadt in Schwarz-Gelb. Unser Polizeioberkommissar Daniel Kossik hat ja auch eine Stehplatz-Karte beim BVB. Das ist natürlich ein Klischee, aber schaut euch mal die Stadt an! Das live zu erleben, war wirklich spannend.“

Regisseur Thomas Jauch ist eigentlich Bayern-Fan, trotzdem hat er auch weiterhin Lust auf den Dortmunder Tatort

Regisseur Thomas Jauch sieht viel Tatort-Potenzial in Dortmund.

Regisseur Thomas Jauch sieht viel Tatort-Potenzial in Dortmund.

„Am Mittwoch hat meine Mannschaft verloren… das war nicht so schön, aber so ist das. Trotzdem war es toll im Stadion! Aber das war natürlich nicht die erste Begegnung mit dem echten Dortmund. Ich habe mich schon seit Wochen auf den Dreh hier vorbereitet. Man lässt sich von der jeweiligen Stadt für die Drehs inspirieren. Wir haben hier unsere Schularbeite gemacht. Ich war viel spazieren, habe mich mit Leuten unterhalten, mir einfach die Gegend angeguckt. Was mich dabei vor allem beeindruckt hat sind die verschiedenen Gesichter der Stadt. Das große Technologiezentrum, aber auch die sozialen Brennpunkte. Das ist für deutsche Verhältnisse wirklich hart und in der Form habe ich das in kaum einer anderen deutschen Stadt gesehen. Einerseits stehen hier die tollsten Villen mit Swimminpool und andererseits gibt es hier die schlimmsten Hinterhöfe. Dieses Konfliktpotential bietet viel Stoff für weitere Tatorte. Damals habe ich auch mal Schimanski in Duisburg gedreht, die spiegelten auch immer die deutsche Realität wieder. Es macht keinen Sinn nur Schokoladenseiten zu zeigen und Postkarten zu drehen. Man muss schon ans Eingemachte gehen. Was unseren Tatort von anderen unterscheidet? Wir haben vier sperrige Kommissare, die man sich erstmal erarbeiten muss. Die Charaktäre werden für den Zuschauer noch nicht nach den ersten Minuten greifbar sein, das wird spannend. Speziell unser Hauptkommissar Faber, gespielt von Jörg Hartmann, macht erstmal Dinge, bei denen man denkt: Warum? Und erst später wird einem klar, was für ein feiner Mensch er eigentlich ist.