Mit Gesprächen gegen Fäuste

Fünf Spiele mit Ausschreitungen – das ist die bisherige Bilanz, die im Dortmunder Amateurfußball für Aufregung sorgt. „Ist doch nicht so wild“, könnte man meinen. Gemessen an der Spielzahl insgesamt klingt das auch recht harmlos. Doch im Vergleich mit der letzten Saison zeigt sich: Schon nach zehn Spieltagen endeten mehr als doppelt so viele Begegnungen gewalttätig. Nur eine Momentaufnahme oder ein besorgniserregender Trend?

Auf der Montagsbörse, dem wöchentlichen Treffen der Amateurvereine im Fußballkreis Dortmund, kennt ihn jeder. Günter Enning ist ein alter Bekannter im Dortmunder Amateurfußball. Viele der anwesenden Trainer wollen ihm die Hand schütteln. 40 Jahre lang hat er Fußball gespielt, er kennt die Emotionen, weiß von den kleinen Ausrastern, die beim Fußball manchmal unvermeidbar sind. Doch die Entwicklung, die sich im Dortmunder Amateurlager seit den letzten sechs Wochen andeutet, macht auch ihm Sorgen. „Wir waren auf einem sehr guten Weg, haben viele Eskalationen vermeiden können. Leider ist es in den letzten Monaten verstärkt zu Schlägereien gekommen. Wir haben keine Erklärung für dieses Phänomen.“

Beleidigungen und Körperverletzungen

Im Profifußball (hier RWO gegen Wehen Wiesbaden) bleibt es meistens bei kleinen Rangeleien. Foto: Arne Schleef

Im Profifußball (hier RWO gegen Wehen Wiesbaden) bleibt es meistens bei kleinen Rangeleien. Foto: Arne Schleef. Teaserfoto: Paulwip / www.pixelio.de

Dieses Phänomen ist bis jetzt in fünf Spielen zum Vorschein gekommen: Beleidigungen, Handgreiflichkeiten, Körperverletzungen, Spielabbrüche. Die Probleme auf dem Fußballplatz sind wohl so alt wie der Fußball selbst. Besser sein als der Gegner, unbedingt ein Tor schießen: Der Adrenalin-Pegel steigt und Emotionen kochen hoch. Die Profis haben beispielsweise in Person von Oliver Kahn (diverse „Kung-Fu-Tritte“) oder Lukas Podolski (die „Ballack-Ohrfeige“) schon mehrfach bewiesen, dass man sich auch vor einem Millionenpublikum manchmal kaum beherrschen kann. Im Amateurfußball gibt es keine Kameras, aber die Probleme bleiben gleich.

Sie so gering wie möglich zu halten – dafür setzt sich Günter Enning seit knapp zehn Jahren ein. In den letzten Wochen aber mehr als sonst, denn Enning ist „Problemlotse“ im Kreis Dortmund. Er spricht mit auffälligen Vereinen, bietet Hilfe an. „Wir hoffen, dass damit auch die Einsicht bei den Vereinen kommt“, sagt Jürgen Grondziewski, Vorsitzender des Fußballkreises Dortmund. „Das Gespräch ist für mich eigentlich das wichtigste Instrument, weil wir dadurch am meisten bei den Spielern beeinflussen können.“

Zwangs-Gespräche gegen Gewalt

Einige beteiligte Vereine hat die Spruchkammer – eine Art Gericht, das tätig wird, wenn es um Auseinandersetzungen während eines Fußball-Spiels geht – bereits zu Geldstrafen verurteilt. Darüber hinaus sind Spieler-Sperren und sogar die Streichung auffälliger Mannschaften möglich. Doch diese Strafen gab es auch schon vor sechs Wochen. Abgeschreckt haben sie keinen der „Fußball-Rüpel“. Es stellt sich also die Frage: Reichen die Präventionsmaßnahmen aus?

Im Dortmunder Amateurfußball treten manche Spieler nicht nur gegen den Ball. Foto: Uwe Steinbrich / www.pixelio.de

Im Dortmunder Amateurfußball treten manche Spieler nicht nur gegen den Ball. Foto: Uwe Steinbrich / www.pixelio.de

Natürlich weiß auch „Problemlotse“ Enning im Vorfeld nicht, welche Begegnungen eskalieren könnten. Um einem solchen Vorfall aber vorzubeugen, möchte er die bisher freiwilligen Gespräche mit den auffälligen Vereinen zum Zwang machen. „Je nach Menge der Spruchkammersitzungen könnten wir dann bestimmte Vereine dazu verdonnern, uns anhören zu müssen“, so Enning. Ähnlich wie die Verkehrssünderkartei in Flensburg, nur nicht für Rowdies im Straßenverkehr, sondern für auffällige Amateur-Vereine. Wenn das Punkte-Konto voll ist, geht es zum Idioten-Test. Das heißt konkret: Vorstände, Jugendobmänner, Spielführer und Trainer müssten zum Zwangsgespräch mit dem „Problemlotsen“ antreten.

Kein Sport ohne Emotionen

Ob solche Gespräche die Gewaltbereitschaft eindämmen können, ist ungewiss. Ausraster wird es im Fußball immer geben. Denn wenn es darum geht, besser zu sein als der Gegner, knallt es zwangsläufig mal – das liegt in der Natur der „Sache Wettkampf“. Einen Sport ohne Emotionen will auch Jürgen Grondziewski nicht, „aber man sollte dringend darüber nachdenken, ob man sich wirklich in Beleidigungen und Körperverletzungen hineinbewegt“. Für Grondziewski haben „solche Leute auf unseren Fußballplätzen nichts zu suchen“.

Welche Gefahr von diesen Leuten ausgeht, musste auch TuS-Eichlinghofen-Trainer Dennis Grunendahl erfahren. Beim Kreisligaspiel wurde der Gegner offenbar gewalttätig, soll Spieler des TuS bis über den angrenzenden Friedhof gejagt haben. Aschenbecher flogen, Tische wurden umgeschmissen. Vor kurzem mussten der Trainer und weitere Mannschaftsmitglieder bei der Spruchkammer als Zeugen aussagen. Der TuS hat sich aber vereinsintern darauf verständigt, „kein weiteres Öl mehr ins Feuer gießen zu wollen“. Grunendahl hofft einfach nur, „dass dieses Thema bald beendet ist und wir uns nach diesen schrecklichen Szenen wieder auf unser Hobby konzentrieren können.“
Hoffentlich tun das auch die Spieler. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung scheinen sie aber schon einmal einzuschlagen: Offenbar wollen viele Beteiligte die Sache lieber ruhen lassen und keinen Kommentar abgeben. Das sollten sie zukünftig auch auf dem Fußballplatz beherzigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert