„Ich finde es gut, für Bildung auf die Straße zu gehen!“

Er hat sein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster vorzeitig abgeschlossen, wurde dieses Jahr zum Bundestagskandidaten im Wahlkreis 143 aufgestellt und kürzlich zum Kreisparteivorsitzender der Dortmunder CDU gewählt. Mit gerade mal 25 Jahren hat Steffen Kanitz einen beachtlichen Lebenslauf. Susann Eberlein sprach mit dem Diplom-Kaufmann über Verantwortung, Studentenproteste und Politikverdrossenheit.

Herr Kanitz, warum sind Sie Politiker geworden?

Politiker bin ich noch nicht so ganz. Als Politiker bezeichne ich Menschen, die damit ihr Geld verdienen. Ich mache aber alles noch ehrenamtlich. Aber es ist schon so, dass ich die Verpflichtung, die Demokratie zu verteidigen, empfinde. Die Demokratie ist nicht nur das Recht auf Beteiligung, sondern eben auch die Pflicht. Wenn wir uns nicht verpflichten, uns zu beteiligen, dann dürfen wir uns auch nicht beschweren, wenn andere die Meinungsführerschaft übernehmen, die möglicherweise nicht Demokraten sind.

Auf wie viele Stunden bekommen Sie denn pro Woche?

Im Moment ist es sehr zeitintensiv. Ich arbeite im Büro neun bis zehn Stunden am Tag und bin dann oft noch bis Mitternacht hier im Büro (Anmerkung: in der Parteigeschäftsstelle) oder bei den Bürgern draußen. Und das auch samstags und sonntags. Das klingt jetzt, als wäre das alles unmachbar. Natürlich ist es gerade am Anfang sehr viel, wenn man die Organisation noch näher kennen lernen, Arbeit verteilen und strukturieren muss. Doch das gehört dazu, wenn man den Anspruch hat, die Arbeit richtig machen zu wollen.

In einem Interview haben Sie einmal gesagt, es sei toll, dass wir einen Sozialstaat haben. Was finden Sie an Deutschland denn noch gut?

Die Tradition und die Geschichte. Wir sind ein sehr alte Nation mit Höhen und Tiefen in der Geschichte. All das hat Deutschland geprägt. Wir sind ein zivilisiertes Land, das es zu sehr viel Wohlstand in dieser Welt gebracht hat. Das in der Lage ist, Menschen Freiräume zu verschaffen. Das in der Lage ist, die Demokratie tatsächlich zu leben und das in der Lage ist Menschen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, zu unterstützen. Also im Prinzip ein Staat, der Freiheit und Verantwortung verbindet.

Was würden Sie verändern wollen?

Was mich ärgert ist die Debatte darum, dass man jungen Menschen nicht zutraut, Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, das ist eine falsch, weil es dadurch zu dem berühmten Kampf der Generationen kommt. Dann geht es letztlich nur noch darum, welche Generation wieviel bekommt und welche Generation wieviel zahlt. Das sehen wir bei dem Thema Rente. Dabei hat jede Generation das Recht, in dieser Gesellschaft vertreten zu sein.

Mit 25 gehören Sie zur jungen Generation. Wie schafft man es in diesem Alter schon Kreisparteivorsitzender zu sein?

Ohne viel zu arbeiten, ohne sich einzusetzen und ohne das zu tun woran man Spaß hat, geht das nicht. Man braucht aber auch die nötigen Unterstützer in der Partei. Bei mir war es ein glücklicher Zufall, das der damalige Parteivorsitzende Erich Fritz relativ früh erkannt hat, dass wir junge Menschen in der Politik brauchen, dass uns in der gesamten Partei der Mittelbau völlig fehlt und dass wir sehr überaltert sind.

Und wie gehen Sie mit der großen Verantwortung um?

Ich sage ganz bewusst, dass ich alles im Team erledigen will. Mit 25 hat man eine Menge neuer Ideen, aber man ist auch auf die Erfahrung anderer angewiesen. Das heißt nicht, das man blind auf das vertraut, was andere sagen. Das heißt aber schon, dass man sich in einem Abwägungsprozess begibt. Was können mir die anderen für Tipps geben? Wie können wir unsere neuen Ideen mt dem vereinbaren, was in der Vergangenheit auch schon gut funktioniert hat? Den Vertrauensvorschuss muss ich aber auch durch viel Arbeit rechtfertigen.

Mit 25 Jahren bereits CDU-Kreisparteivorsitzender

Steffen Kanitz ist bereits mit 25 Jahren CDU-Kreisparteivorsitzender. Foto: Marylen Reschop

Die Attraktivität der Partei zu stärken ist ein Ziel. Gibt es noch andere?

Ein ganz wesentliches Ziel ist es, dass wir in dieser Stadt mitregieren wollen. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Mitgliederaktivierung. Auch die Mitglieder, die wir haben, müssen Interesse an der Partei entwickeln. Heutzutage konkurrieren wir nicht nur mit den anderen Parteien, sondern auch mit der knappen Freizeit der Menschen. Die Leute haben nicht mehr viel Zeit und fragen, was die Partei überhaupt für sie bringt. Das Ziel muss es also sein, zu den Menschen zu gehen und mit ihnen über ganz konkrete Probleme zu sprechen.

Mit welchen Problemen kommen die Menschen auf sie zu?

Das Haushaltsloch in Dortmund regt die Leute auf. Viele reden von Wahlbetrug. Und in Zeiten der Wirtschaftskrise sind sicherlich auch existenzielle Ängste ein ganz bewegendes Thema. Da gibt es immer schwierige Diskussionsprozesse, die aber auch helfen, nicht nur im Abstrakten zu diskutieren, sondern eben ganz konkret vor Ort. Dann wird Politik interessant und für die Menschen erfahrbar.

Sie sind Deutschland jüngster Kreisparteivorsitzender. Macht Sie das stolz?

Ich denke, es ist nichts worauf man stolz sein kann. Jedenfalls sollte man das nicht. Ich versuche, ein vollwertiger Parteivorsitzender zu sein. Und um diesen Anspruch zu erheben hört es auf, das am Alter festzumachen. Man muss sich an Leistung messen lassen. Wer die guten Konzepte hat, wird letztlich gewählt und muss das Konzept umsetzen.

Sie sind bei Twitter, Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Ist das der Weg, den man gehen muss, um die Jugend für Politik zu interessieren?

Es ist auf jeden Fall ein Weg. Ziel muss es sein, die Hemmschwelle abzubauen und zu zeigen, das Politiker auch Menschen sind. Wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind. Und gerade junge Menschen sind natürlich sehr viel im Internet unterwegs. Ich habe im Wahlkampf gemerkt, dass man über die neuen Medien und über soziale Netzwerke Fragen gestellt bekommt, die man vorher nicht gestellt bekommen hat. Es ist jedenfalls ein guten Medium um die Hemmschwelle und Barrieren abzubauen.

Woran liegt es dann, dass die Jugend anscheinend so politikverdrossen ist?

Ich glaube, dass viele junge Leute sehr politikafin sind oder sich für einzelne Themen begeistern lassen. An den Studentenprotesten sieht man, dass man eine ganze Menge junger Menschen mobilisieren kann. Aber das Motto „Frag nicht, was das Land für dich tun kann, sondern was du für das Land tun kannst“ gibt es so nicht mehr. Junge Leute sind bereit, sich für einzelne Dinge zu engagieren, ohne dabei gleich in eine Partei einzutreten. Partei klingt immer so festgefahren, so alt, im negativen Sinne konservativ. Das ist ein großes Problem, mit dem die Parteien zu kämpfen haben.

Bis vor kurzen fanden deutschlandweit Studentenproteste statt. Was halten sie davon?

Ich finde es gut, für Bildung auf die Straße zu gehen. Das ist ein stückweit auch lebendige Demokratie. Das Problem ist aber, dass es von Leuten organisiert wird, die nicht das Interesse der Studenten vertreten, sondern ihre eigenen. Zu meiner Studienzeit kamen dann immer 35-Jährige auf mich zu. Diejenigen, die auf meine Kosten 25 oder 30 Semester studieren und dafür sorgen, dass wir knappe Studienplätze haben. Aber ich wollte mich nicht vor den Karren spannen lassen. Da werden Studenten instrumentalisiert, ohne es zu merken.

Können Sie verstehen, dass man gegen die Studiengebühren protestiert?

Aus Münster kann ich berichten, dass sich die Studienbedingungen nach Einführen der Studienbeiträge verbessert haben. Wir waren kleinere Lehrgruppen, hatten eine größere Anzahl an Tutoren und die Bibliothek war länger geöffnet. Ich gebe zu, das ist nicht überall passiert. Und da wo es Missbrauch gibt, muss man klar darauf hinweisen. Auf der anderen Seite versuchen die Absolventen schneler fertig zu werden. Und wenn jemand nur noch 13 statt 15 Semestern braucht, weil das Finanzielle ein wesentliches Kriterium ist, dann ist das gut. Es wird Druck aufgebaut, aber Druck ist nicht immer etwas Negatives.

Und wie stehen Sie zur Diskussion, Bachelor und Master wieder abzuschaffen?

Mit dem Bolognaprozess wollte man ursprünglich eine Internationalisierung der Studienbedingungen und eine Vergleichbarkeit schaffen. Ohne eine Semester zu Hause zu verlieren, sollten Studenten internationale Erfahrungen sammeln können und Sprachen lernen. Den Anspruch finde ich erst einmal gut. Jedoch ist es falsch, das Diplom einfach auf Bachelor und Master umzustellen, ohne die Strukturen zu verändern. In den Bachelorstudiengängen bleibt so kaum noch Zeit, um ins Ausland zu gehen. Das eigentlich Ziel wurde verfehlt. Darüber müssen wir uns unterhalten. Dazu werden die Proteste beitragen.

Sie sind Diplom-Kaufmann. Können Sie sich vorstellen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen und sich ganz der Politik zu verschreiben, vielleicht auch als Bundeskanzler?

Das ist ein bisschen hoch gegriffen. Der Job, den ich weiterhin habe, schafft gewisse Unabhängigkeiten, die ich mir so lange es geht erhalten will. Ich will Leuten nicht nach den Mund reden, weil man Angst haben muss, dass man sonst nicht aufgestellt wird. Die Dinge, die man neu machen will, sollte man neu machen. Nicht ohne Rücksicht auf Verluste. Aber man sollte auch nicht darauf angewiesen sein, von der Partei einen Job zu bekommen. Politik macht mir sehr viel Spaß. Was daraus wird, müssen andere beurteilen. Und bevor sie beurteilen können, muss man erstmal ein paar Jahre arbeiten.