Leichte Sprache, schwere Sprache

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Dieser Artikel ist über Leichte Sprache. Viele Menschen verstehen schwere Sprache nicht. Das sind Menschen mit Lern-Schwierigkeiten oder Menschen, die nicht so gut lesen können. Leichte Sprache ist auch für Menschen, die nicht so gut Deutsch können. Für Leichte Sprache gibt es viele Regeln. Man muss sie üben. Das ist wichtig. Denn: Nur wer alles versteht, kann überall mitmachen.

Das war Leichte Sprache.

Wer das Wort Barrierefreiheit hört, denkt vielleicht an Rampen für Rollstuhlfahrer oder an die weißen, gerillten Fliesen, an denen sich Blinde orientieren. Doch Menschen können nicht nur aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen ausgegrenzt werden, sondern auch durch Sprache. Während der Behördengang für die meisten Menschen einfach nur nervig ist, wird das komplizierte Bürokratendeutsch für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geringen Deutschkenntnissen zum unüberwindbaren Hindernis. In Deutschland, einem der am besten alphabetisierten Länder der Welt, ist die Zahl der Analphabeten laut einer Studie erschreckend hoch: Die Universität Hamburg fand heraus, dass rund 7,5 Millionen Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben können. Deutsche Muttersprachler machen dabei mehr als die Hälfte der Gruppe aus.

Leichte Sprache

Leichte Sprache wurde in den 1970ern in den USA entwickelt und heißt dort ‚Easy Reading‘. Seit den 1990ern wird sie auch in Deutschland entwickelt, rund 10 Jahre später erschien das erste Wörterbuch. Das Netzwerk Leichte Sprache gibt ein Regelwerk heraus, an dem sich die meisten Institutionen heute orientieren. Hier einige Grundregeln:

  • Leichte Sprache soll aus kurzen Sätzen bestehen. Keine Nebensätze.
  • Sie darf keine Fremdwörter, Redewendungen oder Abkürzungen enthalten.
  • Aktiv statt Passiv.
  • Zahlen müssen ausgeschrieben werden.
  • Zusammengesetzte Nomen werden mit Bindestrich getrennt (nicht Wochenende, sondern Wochen-Ende).
  • Symbolbilder und Fotos neben den Texten sollen das Verständnis erleichtern.

Leichte Sprache ist nicht einfach

Für Menschen ohne sprachliche Einschränkungen ist es schwierig, die Regeln konsequent umzusetzen. Vieles erscheint selbstverständlich. Prof. Dr. Christian Bühler von der Fakultät Rehabilitationswissenschaften der TU Dortmund nennt es gar „übersetzen“. Nachdem wir uns die Regeln durchgelesen haben, haben wir einmal selbst versucht, einen Text in Leichte Sprache umzuschreiben. Wie gut das funktioniert hat, bewertet Prof. Dr. Bühler hier:

Originaltext

„Ein Adventskalender (…) gehört seit dem 19. Jahrhundert zum christlichen Brauchtum in der Zeit des Advents. Der Kalender ist in verschiedenen Formen und Ausprägungen verbreitet, zeigt jedoch in der Regel die verbleibenden Tage bis Weihnachten an. (…) Im deutschsprachigen Raum haben vor allem Kinder einen Adventskalender. (…) Im Handel weit verbreitet sind Kalender, die mit weihnachtlichen Motiven bedruckt sind und an denen sich kleine Türen öffnen lassen, hinter denen sich Bilder, Sprüche, Süßigkeiten oder andere Überraschungen befinden. Ebenso werden selbstgebastelte Kalender verwendet, denen oft ein ähnliches Prinzip zugrunde liegt.“

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Prof. Dr. Bühler

Vergleicht man die beiden Texte, fällt auf: Alle Infos schaffen es nicht in die Übersetzung. Für Prof. Dr. Bühler ist das zunächst positiv. Er führt jedes Semester ein Experiment mit Studierenden ohne Lernschwierigkeiten durch: Die eine Hälfte der Gruppe liest einen Text in normaler Schwierigkeit, die andere Hälfte liest die Version in Leichter Sprache. „Jedes Mal bleibt beim Text in Leichter Sprache mehr hängen. Er enthält die Essenz und keine unnötigen Spitzfindigkeiten“, so Bühler.

Der Teufel im Detail

Es sind allerdings solche Spitzfindigkeiten, die die Durchsetzung von Leichter Sprache in vielen Lebensbereichen schwierig gestalten – gerade in der Bürokratie. „Bei Formularen haben wir das Problem der Rechtssicherheit“, sagt auch Christiane Vollmer, Behindertenbeauftragte der Stadt Dortmund. Anträge und offizielle Dokumente müssen juristisch wasserdicht formuliert sein, um gültig zu sein. Da ist etwa eine besser lesbare Abweichung von der Rechtschreibung schwierig. 

Dennoch bemüht sich die Stadt um inklusive Öffentlichkeitsarbeit. „Wir arbeiten eng mit Einrichtungen wie DOGEWO21, DEW21 und DSW21 zusammen und versuchen jetzt, ihre Online-Auftritte in Leichte Sprache umzustellen. In unseren Infobroschüren zu Themen wie Behindertenfahrdienste passiert das bereits“, so Vollmer weiter. Behördliche Mitarbeiter würden sich zumindest um verständliche Sprache bemühen.

An der TU Dortmund wird Leichte Sprache aktuell nicht benutzt. „Bei uns gibt es keine Studierenden, die auf Leichte Sprache angewiesen sind“, so Birgit Rothenberg vom Bereich Behinderung und Studium (DoBuS). Wenn nötig wird aber trotzdem mit Bildern und Grundsätzen des Netzwerks Leichte Sprache gearbeitet. Auf dem Campus werden andere Orientierungshilfen gegeben: „Wir lösen viel über Farbe und benutzen Piktogramme, also allgemein verständliche Bilder. So findet sich jeder zurecht.“

Teaserbild: Boris Thaser auf Flickr
Beitragsbild: sborchert auf Flickr
Alle anderen Bilder: Susanne Romanowski

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