Fußball trifft Oper

Ein Beitrag von Sabine Knodt

Der BVB ist deutscher Meister – passend dazu wird derzeit ein besonderes Stück im Dortmunder Opernhaus gezeigt: „Fangesänge“. Dabei geht es um den Fußball, seine Fans und ihre Lieder. Eigentlich ein außergewöhnliches Stück für die Opernbühne. Aber außergewöhnlich ist an diesem Projekt auch, dass Laien mitmachen dürfen. Wir haben das Projekt von Anfang an begleitet und erklären euch, worum es bei diesem Stück geht.

Fangesänge

Schauspieler und Laien stehen gemeinsam auf der Bühne. In einer Szene schießt Schauspieler Bastian Thurner ein entscheidendes Tor. Fotos: Thomas M. Jauck/ StagePictures

Es ist ein grauer Abend Ende Januar. Draußen ist es schon dunkel, weit nach Feierabend ist es auch, doch über 70 Menschen warten in der Cafeteria der Oper Dortmund ungeduldig auf den Beginn des Vorsingens für das Fußball-Oratorium. Fußballgesänge im Opernhaus? Wie soll das denn überhaupt zusammenpassen? Die Verbindung schafft die musikalische Form: das Oratorium. Das ist so ähnlich wie eine Oper, nur mit einer religiösen Geschichte. Am häufigsten gibt es Oratorien zur Weihnachtsgeschichte oder zur Passion, also zum Leiden und Sterben von Jesus. Und da wären wir dann auch schon irgendwie beim Fußball. Denn für viele ist der Fußball doch auch eine Art „Religion“. Da ist zum Beispiel vom „Fußballgott“ die Rede oder vom „Tempel“, wenn das Stadion gemeint ist.

Im Laufe der Proben für das Stück haben sich die Verantwortlichen aber gegen den Titel „Fußballfangesänge-Oratorium“ entschieden. Zu sperrig, zu lang, vielleicht auch zu unvertraut. Denn nicht jeder kann etwas mit dem Begriff „Oratorium“ anfangen. Deswegen heißt das Stück jetzt auch einfach „Fangesänge.“ Der Untertitel lautet „Hymne in zwei Halbzeiten.“ Und wo, wenn nicht in der Fußball-Stadt Dortmund wäre der richtige Platz für solch ein Projekt? Das findet auch der 25-jährige Student Christian Richter, der sich auch zum Casting angemeldet hat: „Ich meine, man ist ja Fußballfan in Dortmund, was kann man anderes sein, und wenn es die Möglichkeit gibt, Musik und Fußball so gut zu verbinden, sollte die auch genutzt werden.“

Das Steigerlied für einen Platz im Fußballchor

Fangesänge

Hier erinnern die Fans an die Katastrophe in Hillsborough. Auf den Schals stehen die Namen der Opfer.

Hobbysänger, Fußballbegeisterte, Kinder, Studenten, Berufstätige und Rentner warten darauf, dass es endlich losgeht. Die meisten sind aus Neugierde da und wissen gar nicht so genau, was sie erwartet. Trotzdem sind sie meist locker. Auch Christian Richter hat sich nicht groß vorbereitet, sondern lässt die Sache entspannt auf sich zukommen. Immer in 5er-Gruppen werden die Bewerber in den Chorsaal gerufen. Da singen sie dann den Ruhrgebietsklassiker „Glück auf, der Steiger kommt“. Meistens im Chor, manchmal aber auch alleine, wenn die Jury eine Stimme noch mal genauer hören möchte. Die Jury besteht aus dem Chordirektor Granville Walker und dem Regieassistenten Erik Petersen. Der Intendant Jens-Daniel Herzog und der argentinische Regisseur des Stücks, Marcelo Diaz, sind natürlich auch mit dabei.

Wichtig ist neben einer kräftigen Stimme auch, dass die Leute keine Hemmungen haben, sich auf der Bühne wie im Stadion zu verhalten, mit Hüpfen, Tanzen und Fahneschwenken. Um das zu testen, müssen die Bewerber beim Casting natürlich auch Fußballklassiker wie „Heya BVB“ singen. Dazu sollen sie dann zum Beispiel die Arme schwenken, als ob sie einen Fußballschal in den Händen hochhalten. Manchmal geht das ziemlich durcheinander. Die einen bewegen sich nach links, die anderen nach rechts. Und manche trauen sich gar nicht richtig. Meistens klappt es aber schon ganz gut. Markus Grieshaber ist nach dem Vorsingen zuversichtlich, einen Platz zu ergattern: „Das war sehr nett und locker, hat Spaß gemacht. Da, wo man in den Saal reinkam, war schon so ein bisschen ‘oh, was wird das jetzt‘, aber ich hatte ja die Stimmen vorher gehört, also wusste ich schon ungefähr, was auf mich zukam.“ Er hat Erfolg: er bekommt später einen Platz im Chor – und das gleich beim ersten Vorsingen. Denn er hat vorher noch nie bei so einem Projekt mitgemacht und noch nicht mal im Chor gesungen.

Hommage an den BVB

Fangesaenge

Auch die Ultras spielen im Stück eine Rolle: Ein Polizist versucht radikale Fans abzuwehren.

Doch nicht nur für ihn ist dieses Projekt eine spannende Sache. Der Brite Granville Walker ist Chordirektor an der Dortmunder Oper. Für ihn ist das Fußball-Projekt mit Laien eine Möglichkeit, mal etwas ganz anderes kennenzulernen: „Es ist immer sehr schön, man kommt ein bisschen rein, ich besonders, weil ich das ganze sogenannte Liedgut von Fußballfans nicht kenne. Die Leute kommen völlig ohne Allüren. Geben was von sich selbst. Das macht Spaß im normalen Leben, in unserer heiligen Theaterwelt so was zu hören.“

Bei der Premiere kam dann auch echte Stadionatmosphäre im Opernhaus auf. Vor der Oper stand ein Bierwagen, Fan-Artikel wurden verkauft und so einige BVB-Schals waren im Publikum zu sehen.
Die gecasteten Laien bilden im Stück den „Chor der Fußballfreunde“ und stehen zusammen mit dem Opernchor auf der Bühne. Schwarz-gelb sind sie gekleidet und stellen einen Teil der Südtribüne dar. Neben Fußballgesängen gibt es aber auch Schlager, Knabengesang und Popsongs. Die „Fußballhymne in zwei Halbzeiten“ ist eine Hommage an den BVB, die Rahmenhandlung ist ein fiktives Fußballspiel der Borussen mit allen Höhen und Tiefen: Tore, Abseits, Elfmeter. Alles ist dabei und die Fans auf der Bühne leiden mit ihrem Verein und feuern ihn an. Aber in den Szenen zwischen den Liedern gibt es auch mal kritische Anmerkungen zu wichtigen Momenten und Entwicklungen im Fußball. In einer Szene sieht man zum Beispiel, wie Polizisten versuchen, aggressive Ultras zurückzudrängen, und in einer anderen wird an die Stadionkatastrophe von Hillsborough in England im Jahre 1989 erinnert, bei der 98 Menschen ums Leben kamen und knapp 800 Fans verletzt wurden, weil es viel zu voll war im Stadion und die Menschen einfach niedergetrampelt oder erdrückt wurden. Doch vor allem geht es um den „12. Mann“, um die Fans und ihre Fußballlieder aus der ganzen Welt. Die Fangesänge aus Dortmund von „Heya BVB“ bis „Dortmunder Jungs“ sind natürlich auch dabei.

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