Pegida ist weg – die Wutbürger bleiben

Foto: Caruso Pinguin/flickr.com

Pegida-Gründer Lutz Bachmann sprach am Montagabend zu seinen Anhängern in München – unter regem Protest der Gegendemonstranten. Sonst ist es um die Bewegung zuletzt ruhig geworden. Was macht Pegida eigentlich heute – und wieso sind sie weitestgehend von der Bildfläche verschwunden? Martin Florack, Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen, gibt Antworten. Er sagt: Pegida sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.

„Die Medien haben Pegida hochgetrieben und dann wieder runtergeholt“, erklärt Florack. Der Politikwissenschaftler der Universität Duisburg-Essen nennt das „den üblichen Medienusus“: viel Öffentlichkeit für wenig Inhalt. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ seien eine Wutbewegung ohne konstruktiv Kritik zu äußern. Es fehle an Inhalten und damit langfristig an Nachrichtenwert. Ein weiterer Grund für das Verschwinden aus der Öffentlichkeit: „Zu Beginn war der Extremismus innerhalb Pegidas nicht so offensichtlich“, sagt Florack. Inzwischen sei das deutlicher: „Es fühlt sich eben niemand in der Schmuddelecke wohl.“

Pegida-Sympathisanten: Weg vom großen Ganzen

Auch Pegida-Sympathisanten selbst scheinen sich vom Verein zu distanzieren – und engagieren sich eher lokal. „Wir sehen klar eine Dezentralisierung“, sagt Florack. Das heißt: Die Unterstützer entfernen sich vom großen Ganzen und organisieren sich in eigenen, kleineren Verbänden. Was bleibt da noch vom Wutbürger-Phänomen? „Die Ressentiments brechen durch und überbieten sich in ihrem Rassismus“, sagt Florack. Jetzt werde erst richtig deutlich, was Pegida ist: rassistisch und fremdenfeindlich.

Was ist Pegida?
Was als Facebook-Bewegung beginnt, wird zum Verein: Initiiert durch Frontmann Lutz Bachmann entsteht Pegida, was in Langform „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ bedeutet. Schon früh findet der erste Abendspaziergang durch Dresden statt. Während die Pegida-Anhängerschaft im Lauf des Novembers und Dezembers 2014 wächst und in weiteren deutschen Städten Pegida-Ableger aufkommen, formiert sich Widerstand: Am 5. Januar 2015 werden neben dem Kölner Dom und dem Brandenburger Tor weitere Sehenswürdigkeiten unter dem Slogan „Licht aus für Rassisten“ verdunkelt. Am 12. Januar demonstrieren 100.000 Menschen gegen Pegida.

Mit dem Begriff „Lügenpresse“ bedient sich die Pegida-Anhängerschaft am Nazi-Jargon, um deutsche Journalisten zu kritisieren – und schafft es damit zum „Unwort des Jahres 2014“. Ebenfalls Anfang des Jahres: Ausschreitungen während einer Pegida-Kundgebung, bei einer zweiten Demonstration des Leipziger Ablegers Legida werden Polizisten und Journalisten angegriffen. Nach und nach suchen die Pegida-Chefs die Medien: Kathrin Oertel stellt sich bei der Polit-Talkshow „Günther Jauch“, zusammen mit Lutz Bachmann gibt sie eine erste Pressekonferenz. Nach parteiinternen Konflikten tritt Kathrin Oertel schließlich zurück. 

Dass sich Pegida im Lauf der Zeit für die Medien geöffnet habe, dass Sprecherin Kathrin Oertel eine Talkshow besuchte und Pressekonferenzen gab, sei keine Taktik – eher das Ergebnis einer normalen menschlichen Reaktion. „Ich glaube, dass sich Pegida von der Aufmerksamkeit in den Medien gebauchpinselt fühlte“, sagt Florack. So sei die Bewegung über ihren eigenen Dilettantismus gestolpert als man sich der vermeintlichen Lügenpresse öffnete. 

Kathrin Oertel war Pressesprecherin von Pegida. Foto: blu.news.org/flickr.com

Kathrin Oertel war Pressesprecherin von Pegida. Foto: blu.news.org/flickr.com

Wutbürger gibt es weiterhin

„Das besondere bei Pegida ist, dass die Ressentiments, also der Rassismus, eine Organisationsstruktur bekommen“, erklärt Martin Florack die inzwischen abgeebbte Welle zum Start. Die Wutbürger, die sich einer Organisation wie Pegida anschließen, gibt es aber weiterhin – auch nachdem Pegida weitestgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Und das nicht nur in einer Organisation wie Pegida. „Diese Menschen findet man sicherlich auch in der Wählerschaft der größeren Volksparteien.“ Auch die Social-Media-Dimension zeichne Pegida aus – „damit hat das Phänomen natürlich deutlich an Dynamik gewonnen“, sagt Florack.

Insgesamt sieht er „helle und dunkle Seiten“ im Phänomen Pegida. Einerseits: Pegida sei befremdlich, das rechte Denken stoße ab. Andererseits entstehe eine Diskussion. „Die Politik kommt so in die Pflicht, sich zu begründen“, sagt Florack. Und die Medien? Von Pegida selbst als „Lügenpresse“ tituliert, war der Verein zeitweise medialer Dauerbrenner. „Eine Vereinbarung, über Pegida zu schweigen, würde das Vorurteil ‚Lügenpresse’ natürlich eher bestätigen“, sagt Florack. Die Medien hätten sich eher die Frage zu stellen: Wie viel Raum gebührt Pegida?

"Pegida hat sich totgelaufen", sagt Martin Florack. Foto: blu.news.org/flickr.com

„Pegida hat sich totgelaufen“, sagt Martin Florack. Foto: blu.news.org/flickr.com

Reaktionen gegen Rechts heute vehementer

Ein Vergleich zu anderen Phänomenen sei schwierig, sagt Florack. Die Hartz-IV-Proteste vor Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform beispielsweise seien deutlich massiver gewesen. Auch die Gefahr, dass sich Rechts dauerhaft in Deutschland durchsetzt, relativiert der Politikwissenschaftler: „Ich halte es grundsätzlich für sehr schwer, rechte Politik in Deutschland aufzubauen.“ Immerhin seien die Reaktionen gegen Rechts heute deutlich vehementer – eine Situation wie in Rostock-Lichtenhagen 1992, als Rechtsextreme ein Asylbewerberheim und ein Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter angriffen, hält Florack für fast unmöglich.

Und in die Zukunft? Martin Florack ist sicher: „Pegida wird sich totlaufen.“ Was bleibt, sind die Wutbürger – oder eher: Wutbürger und diejenigen, dich sich aus Unzufriedenheit zurückziehen, die schweigende Menge. „Das sind die, die in der Öffentlichkeit hinten runterfallen.“ Pegida sei zwar kein Thema mehr. „Aber es kann sein, dass Pegida in anderem Gewand zurückkehrt“, sagt Florack.

Teaserbild: Caruso Pinguin/flickr.com

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