Nachwuchsforscher – wenig Sicherheit, viel Freiheit

Dr. Kai Phillip Schmidt ist erst 34 und doch schon einer der ganz Großen seiner Zunft. Am Montag wurde der theoretische Physiker mit dem Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen in der Kategorie Nachwuchs ausgezeichnet. 50.000 Euro bekommt er für seine Forschung nach dem „Supercomputer der Zukunft“. pflichtlektüre online-Redakteurin Susanne Zdrzalek hat ihn an der TU Dortmund getroffen. – Ein Gespräch über Leistungsdruck und Konkurrenz in der deutschen Wissenschaft.

Hat den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie "Nachwuchs" gewonnen: Dr. Kai Phillip Schmidt. Er ist Arbeitsgruppenleiter an der Fakultät Physik an der TU-Dortmund.  Foto: Florian Hückelheim

Hat den Innovationspreis des Landes NRW in der Kategorie "Nachwuchs" gewonnen: Dr. Kai Phillip Schmidt. Er ist Arbeitsgruppenleiter an der Fakultät Physik an der TU-Dortmund. Foto: Florian Hückelheim

pflichtlektüre online: Herr Schmidt, 2007 haben Sie den renommierten „European Young Investigator Award“ bekommen, in diesem Jahr wurden Sie in das „Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaft und Künste“ aufgenommen. War Ihnen klar, dass jetzt der Innovationspreis folgt?

Schmidt: Erwartet habe ich das nicht, denn es gibt schon viele gute Leute in Deutschland. Außerdem kommen die Nominierten aus den gesamten Wirtschafts- und Naturwissenschaften. Ich habe mir schon Chancen ausgerechnet, war mir nicht ganz sicher, wie praktisch die Juroren es gerne hätten. Sie hätten ja auch sagen können: ‚Das ist spannend, was du da machst, aber noch solche Zukunftsmusik, das wollen wir jetzt noch nicht würdigen.‘ Ich finde es aber super, dass auch mal Grundlagenforschung gewürdigt wird, wo man eben nicht direkt das Produkt sieht und die Arbeitsplätze und das Geld.

pflichtlektüre online: Verändert dieser Zukunftspreis Ihre Arbeit?

Schmidt: Im Alltag wird sich nichts ändern und an Motivation fehlt es mir ohnehin nicht. Der Preis wirkt sich natürlich trotzdem auf meine Arbeit aus. Einmal ist da das Preisgeld, wir können neue Rechner anschaffen und Ähnliches. Das Preisgeld stärkt auch die Motivation der Gruppe. Ich hoffe natürlich, dass der Preis sich positiv auf meine berufliche Entwicklung auswirken wird. Im deutschen Wissenschaftssystem ist es nun mal so, dass man an einer Uni nicht beliebig aufsteigen kann. Ich kann hier in Dortmund also nicht so einfach Professor werden und eine feste Stelle bekommen. Ein Preis kann so etwas aber beschleunigen.

pflichtlektüre online: Sie können sich jetzt also beruhigt zurücklehnen?

Schmidt: Unabhängig von Auszeichnungen ist der Druck, den man als Wissenschaftler hat, immer sehr groß. Zurücklehnen will ich mich sowieso nicht, aber man hat im deutschen System immer einen existenziellen Druck. Das ist ein großes Problem in Deutschland, denn meiner Erfahrung nach würden die Leute auch ohne Druck sehr gute Arbeit machen. Ich denke schon, dass es viel sinnvoller wäre und auch familienfreundlicher, wenn man als Wissenschaftler mehr Sicherheit hätte. Da ist sozusagen ein Fehler im System.

pflichtlektüre online: Auch als erfolgreicher Nachwuchsforscher ist man in Deutschland nicht auf Rosen gebettet?

Schmidt: Grundsätzlich haben wir keinen Grund zu jammern. Aber diese befristeten Stellen sind natürlich ein großes Problem. Und man kann sich fragen, ob die Gehälter leistungsgerecht sind. Aber es gibt auch viele positive Aspekte im deutschen System. Solche Stellen wie meine, als unabhängiger Forschungsgruppenleiter, die gibt es in anderen Ländern nur bedingt. Ich habe hier wirklich für fünf Jahre meine Mittel, eine komplette Gruppe aufzubauen. Ich habe im Grunde genommen keinen Vorgesetzten, bin also unabhängig. Das macht mich natürlich sehr flexibel und frei.

Schmidt kennt den harten Wettkampf in der theoretischen Physik: "Wenn man ein Problem als Fünfter gelöst hat, dann hat man gar nichts davon" Foto: Florian Hückelheim

Schmidt kennt den harten Wettkampf in der theoretischen Physik: "Wenn man ein Problem als Fünfter gelöst hat, dann hat man gar nichts davon." Foto: Florian Hückelheim

pflichtlektüre online: Oft gehen Forscher ins Ausland, weil dort die Bedingungen besser seien. Planen Sie, Deutschland irgendwann den Rücken zuzukehren?

Schmidt: Ich würde es nicht ausschließen. Meine Zeit in der Schweiz war super und auch mein Studienaufenthalt in Australien. Das kann ich nur jedem empfehlen. Inzwischen bin ich aber ein bisschen älter. Irgendwann will man vielleicht gar nicht mehr so flexibel sein, weil man eine Familie hat. Dazu kommt, dass es gar nicht so einfach ist, zu Forschungszwecken ins Ausland zu gehen. Denn wenn Forschung irgendwo sehr gut ist, dann ist man bestimmt nicht der Einzige ist, der da gerne hingehen würde.

pflichtlektüre online: Wie geht es mit Ihrer Grundlagenforschung zum Supercomputer weiter?

Schmidt: Wir sind wir doch sehr erstaunt, wie gut wir vorankommen. Das hat irgendwann als kleines Projekt angefangen, aber wir haben ständig neue Ideen und sehen Entwicklungspotenzial. Wir sind also immer noch sehr motiviert und sind gespannt, wann wir gegen eine Wand laufen – oder auch nicht. Und da ist der Konkurrenzdruck, der uns antreibt. Wenn man ein Problem als Fünfter löst, hat man gar nichts davon, auch wenn man vielleicht eine exaktere Lösung hat.

pflichtlektüre online: Verraten Sie uns Ihre Zukunftsträume?

Schmidt: Ich hoffe natürlich schon, dass ich irgendwann eine Stelle habe, die so gut ausgestattet ist, dass ich sagen kann: Hier ist ein angenehmer Ort zum Arbeiten und Nachdenken, ich habe ein spannendes Team mit guten Leuten, hier kann ich etwas aufbauen. Ich könnte mir auch vorstellen, irgendwann politisch zu arbeiten. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Aber es wäre schon spannend, darüber zu entscheiden, wo Forschungsgelder hingehen und welche Projekte gefördert werden.

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Text: Susanna Zdrzalek
Fotos: Florian Hückelheim

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