Um die Ecke gedacht – Kunst trifft Wirtschaft

Ein Hochsitz aus rostendem Stahl, sechs Meter hoch, Kosten 11.800 Euro – das ist der Entwurf, der gestern den IDfactory-Preis der TU Dortmund gewonnen hat. Einen Blick über den Großstadtdschungel soll der Hochsitz verschaffen, sagt sein Designer, der Rehabilitationswissenschaftenstudent Jan-Gerd Terhüme. Eine fünfköpfige Jury hat gestern zum fünften Mal den IDfactory-Preis an die drei überzeugensten Projekte vergeben.

„Eine Idee für ein Haus“ lautete die Aufgabenstellung in diesem Semester. In zwei Seminargruppen beschäftigten sich 19 Studenten verschiedener Fakultäten damit, ein Kunstwerk für den Platz vor einem Bürogebäude zu entwickeln – dem Westfalentower, der zurzeit auf dem Westfalendamm gebaut wird. Dabei mussten sie die Vorgaben der Projektfirma beachten. Zum Beispiel durften sie maximal 30.000 Euro ausgeben. Wie bei allen Projekten der IDfactory stand aber auch hier das non-lineare Denken im Vordergrund.

Hat für seinen Hochsitz den ersten Preis bekommen. Jan-Gerd Terhüme. Foto: Susanna Zdrzalek

Hat für seinen Hochsitz den ersten Preis bekommen. Jan-Gerd Terhüme. Foto: Susanna Zdrzalek

Kunst in außerkünstlerischen Feldern

„Es geht darum, durch interdisziplinäres Denken völlig Neues zu produzieren“, erklärt Prof. Ursula Bertram, die Leiterin der IDfactory. Das fange damit an, dass in den Seminaren der IDfactory Studenten verschiedener Fakultäten aufeinander treffen, die völlig unterschiedlich an Dinge herangehen – ob Maschinenbau- und Kunststudenten, Germanisten, Archäologen oder Mathematiker. Eine Übung, durch welche Bertram die Studenten an das Projekt heranführte, sah so aus: Sie mussten in einem Ein-Euro-Laden irgendetwas kaufen und dann per Photoshop mit dem Westfalentower in Verbindung stellen. „So entstanden ungebremste Entwürfe, die in manchen Fällen tatsächlich auch weiterverfolgt wurden.“

Die Anforderungen an die Studenten seien viel höher gewesen, als das bei einer freien künstlerischen Arbeit der Fall ist, sagt Bertram. Ist das Kunstwerk stabil oder kippt es, wenn randalierende Jugendliche darauf herumklettern? Hält das Material dem Wetter stand? Wird das Kunstwerk dem Gebäude, vor dem es steht, gerecht? Und bleibt der Entwurf im Budget-Rahmen? Bis zu 40 Unternehmen haben die Studenten angeschrieben, um das günstigste Angebot zu finden. Entstanden sind ein vom Boden aufsteigender Ballon, die mathematische Formel für Sicherheit, eine Klobürste oder ein Faltboot.

Tower trifft Ein-Euro-Krimskrams: Die ersten Entwürfe der Studenten. Foto: Susanna Zdrzalek

Tower trifft Ein-Euro-Krimskrams: Die ersten Entwürfe der Studenten. Foto: Susanna Zdrzalek


Jonglieren mit 30.000 Euro

Jan-Gerd Terhüme hatte zwischenzeitlich gezweifelt, ob er und seine Kommilitonen überhaupt ein Endergebnis zustande bekommen. „Der Prozess hat gedauert. Unsere Projekte, wie sie hier stehen, sind das Ergebnis der letzten Wochen oder sogar Tage“, sagt der 23-Jährige. In der Anfangsphase wurden die Studenten fit gemacht für den Kurs, lernten, einen Kostenvoranschlag zu stellen und Kosten richtig zu kalkulieren.  Als Student hantiere man ja nicht jeden Tag mit mehreren zehntausend Euro.

Die eigentliche Idee wurde erst in der zweiten Hälfte des Kurses konkret. „Auf den Hochsitz bin ich gekommen, weil ich selbst Jäger und Falkner bin. Man kann den Turm aber auch als Aussichtskanzel oder Grenzturm sehen. Es geht einfach darum, mal objektiv über den Dingen zu stehen und sich alles von oben anzuschauen.“ Jan-Gerd Terhüme will das, was er in der IDfactory gelernt hat, in Zukunft auch in anderen Lebensbereichen anwenden: Sachen völlig neu anzupacken und statt in gewohnten Bahnen, mal um die Ecke zu denken.

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