Die Talfahrt des Euro

Euro-Krise, Griechenland-Pleite, Leerverkäufe, Finanztransaktionssteuer, Inflation – verliert auch ihr im Krisen-Wirrwarr langsam den Überblick? Der Euro-Absturz und seine Rettung sind Dauerthema. Doch warum geht es unserer Währung überhaupt so schlecht? Und was hat das alles mit Griechenland zu tun? pflichtlektuere.com erklärt es euch.

Der Euro ist auf Talfahrt. Hauptgrund: Horrende Staatsschulden in Europa. Foto/Grafik: Jonathan Focke

Der Euro ist auf Talfahrt. Hauptgrund: Horrende Staatsschulden in Europa. Foto/Grafik: Jonathan Focke

Dem Euro geht es so schlecht wie wohl nie zuvor. Knapp 1,25 US-Dollar ist ein Euro zur Zeit noch wert. Vor wenigen Monaten waren es zwanzig Cent mehr. Der Euro galt als besonders starke Währung. Daher reden alle von Euro-Absturz und Inflation. Aber was hat den Euro überhaupt zum Abstürzen gebracht?

Es sind zwei Dinge, wie der Dortmunder Finanzexperte Professor Wolfram Richter erklärt: Erstens die hohe Staatsverschuldung von EU-Ländern wie Griechenland und zweitens das wachsende Misstrauen von ausländischen Anlegern gegenüber dem Euro. Aber wie schwächen diese Entwicklungen nun unsere Währung?

Die Schulden sind an allem schuld

Die Ursache Nummer eins ist und bleibt die Griechenland-Pleite. Mit ihr begann die Euro-Talfahrt. „Sie ist eine Spätfolge der Bankenkrise“, erklärt Wolfram Richter. Griechenlands Staatsschulden sind im Vergleich zu anderen Ländern extrem hoch.

Der Schuldenberg des Mittelmeerlandes ist höher als die Wirtschaftsleistung eines Jahres. Um weiter handlungsfähig zu bleiben, braucht Griechenland Geld, also Kredite. Doch die bekommt das Land nicht.

„Nach der Finanzkrise sind Kreditgeber sehr viel vorsichtiger geworden“, erklärt Richter. Banken überlegen sich nun genauer, wem sie Geld leihen und wem nicht. Durch die hohen Staatsschulden ging Griechenlands Kreditwürdigkeit in den letzten Monaten in den Keller. Das heißt: Anleger sind sich nicht mehr sicher, ob sie das Geld, das sie Griechenland leihen, auch wirklich zurückbekommen. Die Folge: Die Banken geben Griechenland kein Geld mehr und das Land stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.

Angst vor der Inflation: Sind zwei Euro morgen nur noch einen Euro wert? Foto: Jonathan Focke

Angst vor der Inflation: Sind zwei Euro morgen nur noch einen Euro wert? Foto: Jonathan Focke

Damit Griechenland nicht völlig zahlungsunfähig wird, sind die anderen Euro-Länder zu Hilfe gekommen. Mit einem riesigen Rettungspaket, das vor eine Woche in Bundestag und Bundesrat beschlossen worden ist, haben die Euro-Staaten Not-Kredite über 110 Milliarden Euro an Griechenland vergeben.

Aber wie soll dieser Rettungsschirm finanziert werden? Woher kommt das Geld? „Das geht nur durch Inflation“, sagt Richter. Also durch die Abwertung des Geldes. Das geschieht, indem die Europäische Zentralbank (EZB), die für den Euro zuständig ist, Schuldpapiere von Griechenland aufkauft. Die EZB nimmt dem Land also Schulden ab. Sie gibt Griechenland damit Geld, das vorher gar nicht existiert hat. „Die EZB wirft praktisch die Geldpresse an und druckt neue Geldscheine“, erklärt Richter.

Auf dem europäischen Kapitalmarkt gibt es plötzlich mehr Geld als zuvor. Mehr Wirtschaftsleistung gibt es allerdings nicht. Das Geld verliert an Wert, weil es keinen realen Gegenwert hat. Zwar gibt es plötzlich mehr Geldscheine, aber nicht mehr Autos, Nahrungsmittel oder Produktivität, die man mit dem zusätzlichen Geld bezahlen könnte.

Das zusätzliche Geld verteilt sich auf dem Kapitalmarkt. Kostete ein Brot zum Beispiel vorher einen Euro, muss man jetzt durch das zusätzliche Geld, das sich auf alle Waren und Dienstleistungen verteilt, plötzlich 1,20 Euro bezahlen. Das Geld hat also an Wert verloren: Inflation. Der erste Grund für den Euro-Absturz.

Die Welt misstraut dem Euro

Prof. Wolfram Richter von der TU Dortmund: "Die unsoliden Staatsfinanzen sind schuld an der Euro-Krise"  Foto: privat

Prof. Wolfram Richter von der TU Dortmund: "Die unsoliden Staatsfinanzen sind schuld an der Euro-Krise" Foto: privat

Griechenland-Pleite, Rettungsschirm und Inflation bleiben bei Anlegern auf der ganzen Welt nicht unbemerkt. Ein Chinese zum Beispiel, der sein Geld in Europa investiert hat, befürchtet, dass er durch die Inflation Geld verliert, dass er also weniger zurückbekommt, als er ursprünglich angelegt hat. Hat er beispielsweise 1.000 Euro angelegt, sind diese durch die Inflation im Vergleich zu seiner Währung jetzt nur noch 900 Euro wert. Angst vor Kapitalverlust macht sich bei Investoren breit.

„Anleger investieren aber gerne in Währungen, bei denen sie vermuten, dass sie im Wert steigen“, sagt Richter. Beim Euro ist das Gegenteil der Fall.

Durch die Inflation sinkt sein Wert. Ein Anleger wird daher überlegen, ob er sein Geld nicht lieber in Dollar anlegen soll. Der Chinese wird versuchen, seine Anlage (zum Beispiel Schuldpapiere von EU-Staaten) zu verkaufen und das Geld in US-Dollar anzulegen. Der Dollar steigt dann im Wert, weil er mehr nachgefragt wird. Der Euro wird weniger nachgefragt, sein Wert sinkt somit noch weiter. Einfach zusammengefasst: Dinge, die keiner haben will, sind auch nicht viel wert.

Das äußert sich im Wechselkurs, der den Geldwert angibt: Die beliebtere Währung steigt im Verhältnis zur unbeliebteren. Dadurch kommt der schlechte Wechselkurs des Euro zustande. „Flexible Anleger gehen aus dem Euro raus und investieren in andere Währungen“, erklärt der Finanzexperte. „Darum geht der Euro runter.“

Die Euro-Länder sparen zu wenig

Anleger misstrauen dem Euro. Statt knallhart zu sparen wird Geld gedruckt. Foto: Linda Karlsson / pixelio

Anleger misstrauen dem Euro. Statt knallhart zu sparen wird Geld gedruckt. Foto: Linda Karlsson / pixelio

Neben der Inflation durch neues Geld sind es also vor allem die Erwartungen und Sorgen der ausländischen Anleger, die den Euro abstürzen lassen. „Im Ausland befürchtet man, dass der Euro doch nicht so stabil und stark ist, wie man zuerst gedacht hat“, sagt der Dortmunder Professor. Durch den großen Rettungsschirm entstehe im Ausland der Eindruck, Europa drucke lieber Geld, als vernünftig und hart zu sparen. Inflation statt Sparen steigere das Misstrauen gegenüber dem Euro, sagt Richter. „Es fehlt der Sparzwang.“

Und dann sind da noch Spanien und Portugal. „Es tun sich immer mehr unsolide Staatsfinanzen auf.“ Anleger befürchten, dass noch mehr Länder Not-Kredite brauchen könnten und somit die Inflation weiter zunehmen würde. Das macht den Euro noch unattraktiver.

„Das Problem bei der Euro-Krise sind nicht irgendwelche Spekulanten“, fasst Richter zusammen. „Es ist die katastrophale Staatsverschuldung einiger EU-Länder.“ Sie habe letztlich zum Euro-Absturz geführt.

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