Wenn Sparen Geld kostet

Es galt lange als Selbstverständlichkeit – fast schon als Naturgesetz: Wer Geld auf sein Konto bei der Bank legt, bekommt dafür Zinsen und das Geld vermehrt sich automatisch beim Kreditinstitut. Doch mit dieser grundsätzlichen Sicherheit ist jetzt Schluss. Zumindest Studierende müssen sich aber noch keine Sorgen machen. 

Strafzins Foto_ M.Großmann/pixelio.de

Erste Banken erheben Strafzinsen auf Bankguthaben. Droht jetzt unser Geld auf der Bank zu zerbröseln?  Foto: M.Großmann/pixelio.de

Nach der relativ unbekannten Skatbank kassiert jetzt auch die Commerzbank Strafzinsen von bestimmten Kunden. Sprich: Einige Kunden zahlen der Bank einen bestimmten Prozentsatz ihres Guthabens dafür, dass sie ihr Geld bei der Commerzbank aufs Konto legen. Das Guthaben nimmt automatisch ab statt zu – Finanzwelt paradox. Eine Entwicklung, die auch bei einer Umfrage auf dem Campus der TU Dortmund Unverständnis hervorrief.

Vor allem aber fragten sich viele: Müssen wir bald alle damit rechnen, dass wir Geld dafür bezahlen, wenn wir unser Geld den Banken anvertrauen?

Wir geben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum erheben die Banken Strafzinsen?
Die Banken begründen diesen Schritt mit der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB kassiert nämlich ihrerseits einen Strafzins von 2,0 Prozent, wenn die Geschäftsbanken ihr Geld kurzfristig bei der EZB parken. Diesen Negativzins geben die ersten Banken jetzt an ihre Geschäftskunden weiter, die besonders hohe Einlagen haben. Da die Zinsen aktuell überall sehr niedrig sind, wissen die Banken selber nicht, wo sie ihr Geld gewinnbringend anlegen können.
Warum hat die Europäische Zentralbank den Strafzins eingeführt?
Die EZB versucht über den Leitzins auf die wirtschaftliche Situation zu reagieren. Der Leitzins gibt an, unter welchen Bedingungen die Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen können. Aktuell liegt der Leitzins mit 0,05 Prozent auf einem Rekordtief. Diesen niedrigen Zinssatz sollen die Geschäftsbanken, so die Idee der EZB, an die Firmen- und Privatkunden weitergeben. So sollen Anreize für Investitionen und letztendlich Wachstum in Europa geschaffen werden.

Viele Geschäftsbanken scheuten sich aber davor, vermehrt Kredite zu vergeben. Sie parkten ihr Geld lieber bei der EZB und kassierten dafür Zinsen. „Das war aber nicht unsere Absicht“, erklärte EZB-Direktor Yves Mersch in Dortmund auf der Konferenz „on the record“. Deswegen bestraft die EZB aktuell die Geschäftsbanken mit einem negativen Zins von 2,0 Prozent, wenn sie Geld bei der EZB einlagern wollen. Die Geschäftsbanken sollten damit zur vermehrten Kreditvergabe gedrängt werden. In Bezug auf den Strafzins sagte Mersch deshalb: „Das betrifft nicht den Otto-Normal-Verbraucher.“

Denken alle Banken über Strafzinsen nach?
Wie heiß das Thema „Strafzins“ bei den Banken ist, zeigt eine Aussage des Co-Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen. Bezogen auf Strafzinsen auf Kundeneinlagen sagte Fitschen gegenüber dem Spiegel in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbands deutscher Banken: „Jedes einzelne Institut muss sich mit dem Thema auseinandersetzen.“ Wie schnell die Kreditinstitute in diesem Thema umdenken, zeigt das Beispiel der Commerzbank. Diese hatte am 6. November noch Strafzinsen für Privat- und Firmenkunden ausgeschlossen – zwei Wochen später sind sie da.
Wen betrifft der Strafzins aktuell?
Bislang trifft es sowohl bei der Skatbank als auch bei der Commerzbank nicht die breite Masse. Bei der kleinen Skatbank wird erst ab Einlagen von über drei Millionen Euro ein Strafzins von 0,25 Prozent fällig. Ähnlich verhält es sich bei der Commerzbank, einem der größten Kreditinstitute Deutschlands. Wie ein Unternehmenssprecher erklärte, behält es sich die Commerzbank ab Dezember „bei einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie bei Großkonzernen und institutionellen Anlegern“ vor, eine „Guthabengebühr“ zu erheben. Zuletzt zog die WGZ-Bank in Düsseldorf nach: Auch sie will von einigen Firmenkunden Negativzinsen kassieren.
Gibt es bald Strafzinsen für alle?
Das ist sehr unwahrscheinlich, genau sagen kann das im Moment aber niemand. „Man muss die nächsten Schritte abwarten, ob es nur ein Testballon der Banken ist“, sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW gegenüber pflichtlektüre online. Mit Vorhersagen hält er sich aber zurück. „Bei der Bank gibt es de facto keine Habenszinsen mehr, und jetzt sind wir in einer Situation, in der die Banken schauen, ob sie stattdessen sogar Strafzinsen erheben.“ Theoretisch hält es Scherfling für möglich, dass die Banken schrittweise auch niedrigere Guthaben mit einem Strafzins belasten. „Es wäre aber sehr überraschend, wenn als nächstes Studenten mit ihren Guthaben von maximal 2.000 oder 3.000 Euro betroffen wären.“

Auch Christoph M. Schmidt, Mitglied des Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, versuchte auf der Konferenz „on the record“ in Dortmund zu beruhigen: „Von der aktuellen Diskussion würde ich mich nicht verunsichern lassen.“

Flächendeckende Strafzinsen sind aber vor allem wegen des großen Wettbewerbsdrucks der Banken untereinander unwahrscheinlich. Werden Strafzinsen erhoben, wechseln die Kunden die Bank. Zudem gibt es Bedenken, ob Strafzinsen rechtskonform sind.

Gab es schon einmal Strafzinsen?
„Das ist eine Sache, die ich so noch nicht erlebt habe – und ich bin seit 25 Jahren dabei“, sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale NRW gegenüber pflichtlektuere.com. Allerdings: Gänzlich neu ist die Situation trotzdem nicht. Die Inflation, der Verlust der Kaufkraft, liegt aktuell bei 0,8 Prozent. Der Durchschnittzins, den Banken zurzeit zahlen, liegt allerdings nur bei 0,29 Prozent. Die Verzinsung auf Anlagen reicht also nicht aus, um die Inflation auszugleichen. Auch das Geld von Kleinanlegern verliert also aktuell auf der Bank real an Wert.

Es ist eine verfahrene Situation, ein Teufelskreis: Die Europäische Zentralbank versucht die Banken zu einer großzügigen Kreditvergabe zu erziehen. Die Banken würden gerne Kredite vergeben, aber nur mit entsprechenden Sicherheiten und Konditionen. Doch die Verbraucher scheuen in einer unsicheren wirtschaftlichen Lage große Investitionen. Das hemmt das Wachstum und ruft wieder die EZB auf den Plan. So gleicht die Finanzpolitik einem Schachspiel, das sich in einer Pattsituation befindet. Um diese aufzulösen, muss sich ein Akteur bewegen. Die Frage ist, wer zuerst die Geduld verliert.

Teaserfoto: Lupo/pixelio.de

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