Wilde Tiere erobern die Stadt

Wir reisen von einer Großstadt in die Nächste. Im Ruhrgebiet ist das ganz normal. Menschen sind überall, Autos machen Lärm… Und die Tiere? Viele von ihnen waren lange fast verschollen. Jetzt erobern sie sich langsam ihren Lebensraum zurück.

Du läufst abends durch die Innenstadt, kommst gerade vom Feiern. Du glaubst, du halluzinierst schon – war das letzte Bier doch schlecht? Du gehst weiter und fragst dich: Hat sich die Mülltonne da vorne gerade von selbst bewegt? Als du neben der Tonne stehst, hörst ein Rascheln. Du siehst rein und starrst direkt in die schwarzen Augen eines… Waschbärs.

Ja, in der Dortmunder Innenstadt laufen Waschbären herum. Sie suchen nach Futter. Der Müll von uns Zweibeinern ist für die Tiere wie ein riesiger, gedeckter Tisch. Und weil sich die Tiere nach Jahrzehnten so langsam wieder an den Menschen gewöhnt haben, haben sie auch keine Scheu, bis in die Innenstadt zu kommen. „Kulturfolger“ nennen sich diese Tiere. Dazu zählen weit mehr als nur die Waschbären.

Biologe Götz Loos.

Dachs, Ratten, Wildschweine und Co.

Auch viele Dachsarten, Füchse, Steinmarder, Ratten und andere Säuger laufen gerne durch die Straßen im Ruhrgebiet. Sogar schüchterne Tiere wie Rehe trauen sich ab und zu an die Gärten heran und fressen die Rosenknospen auf – wenn der Garten nicht allzu weit von einem Wald entfernt liegt. An manchen Stellen der Ruhr leben Nutrias, die sich manchmal sogar von Spaziergängern streicheln lassen. Das sind Biberratten, die ursprünglich aus Nordamerika kommen. Der Biologe Götz Loos von der TU Dortmund erklärt: „Schüchternheit ist kein Thema mehr für die Tiere. Wenn man Tiere sehen will, muss man in die Stadt gehen.“ Nur das Wildschweine hält sich noch etwas zurück und bleibt lieber ein bisschen außerhalb der Großstädte. Genaue Zahlen über die Entwicklung gibt es allerdings bislang nicht.

Gerade eine Stadt wie Dortmund ist laut Loos ideal, um viele verschiedene Tierarten anzulocken. Neben den Flüssen und Seen sind nämlich vor allem die alten Industriebrachen besonders geeignet für die Neuankömmlinge. Es ist der Mix aus Stadt und Natur, der so reizvoll zum Leben ist. Hinzu kommt die volle Speisekarte.

Auch in der Luft ist ‚was los

Doch nicht nur auf dem Boden wird es in der Stadt wieder wilder. Auch bei den Vögeln hat Götz Loos in den vergangenen Jahren schon viele neue Innenstadtbewohner begrüßen dürfen. Unter anderem einen Vogel, der heute aus der Stadt gar nicht mehr wegzudenken ist. „Die Rabenkrähe ist erst seit 15 Jahren hier bei uns. Davor war sie eher selten in der Stadt zu sehen.“ Seit deutlich kürzerer Zeit fliegt auch der Turmfalke über den Dächern Dortmunds. Er sucht sich zum Beispiel alte Schornsteine von Industrieanlagen, um dort sein Nest zu bauen. Der Naturschutzbund (NABU) vermutet, dass sogar ein Uhu wieder in der Stadt sein könnte.

Eine Rabenkrähe sucht im Müll nach Futter.

Denn auch Vögel werden hier in der Stadt immer wieder fündig und können ihre knurrenden Mägen Dank des Mülls beruhigen. Kleinere Vögel nutzen die Stadt aber noch anders: „Amseln sind ziemlich gerissen. Sie bauen Nester an unmöglichen Orten, wie zum Beispiel in Briefkästen. Sie verstecken sich so ziemlich erfolgreich vor Raubvögeln“, erklärt Götz Loos.

Kanada- und Nilgänse machen Probleme

Die zunehmende Zahl der fliegenden Kulturfolger sorgt für keine Probleme, mit Ausnahme von zwei Vogelarten: Die Kanadagans hat sich in den letzten Jahren sehr schnell ausgebreitet. Vor allem in der Nähe der Ruhr. In Essen sollten sie sogar zum Abschuss freigegeben werden. Auch die Nilgans fühlt sich im Ruhrgebiet immer wohler. Sie koten in großen Mengen auf die Wege und in die Teiche. Das könne zu einem Hygieneproblem werden.

Insekten überall

Auch Insekten und Reptilien gibt es laut Loos wieder mehr in der Stadt. „Die gewöhnen sich auch wieder mehr an die Umgebung“, so der Experte. Eine kleine Wiese in einer Siedlung reiche aus, um vielen der kleinen Tierchen wieder einen Lebensraum zu geben. Allerdings nur, wenn sie nicht immer bis auf wenige Millimeter abgemäht wird.

Die Tiere kommen also wieder in die Stadt zurück und fühlen sich auch wohl. Gefährlich ist das noch nicht. „Dafür laufen hier noch nicht genug von ihnen herum“, versichert Loos. Es müssen also im Normalfall keine Jäger eingesetzt werden – außer für ihre normalen Aufgaben. Dazu zählt zum Beispiel das Jagen der Kaninchen auf dem Campus der TU Dortmund. Ansonsten werden die Tiere wieder mehr zum Teil unseres normalen Lebens. Ein paar Pfoten und Federn mehr um uns herum stören ja auch niemanden.

 

Beitragsbild: flickr.com/Tobias Barz unter Verwendung der CC-Lizenz.

Weitere Fotos: Cedrik Pelka

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