Bilanz: Ein Jahr nach der Katastrophe in Bangladesch

Vor einem Jahr stürzte in der Nähe von Dhakar in Bangladesch das Rana-Plaza-Gebäude ein, in dem hauptsächlich Textilfabriken untergebracht waren. 1100 Menschen starben, über 2500 wurden verletzt. Internationale Verbände machen die schlechten Arbeits- und Sicherheitsbestimmungen in Bangladesch für dieses Unglück verantwortlich. Was hat sich seitdem getan und wie kann es sein, dass ein T-Shirt der aktuellsten Mode immer noch für 3,50 Euro in den Regalen liegt?

Primark Filiale

Die Modekette Primark. Foto: Lewis Clarke / geograph.co.uk

Hohe Qualität zum niedrigsten Preis – Wir wollen es billig und noch billiger. Bestes Beispiel ist hierfür wohl auch die Modekette „Primark“ aus Irland, wie es sie auch in der Dortmunder Thier-Galerie gibt. Vor allem junge Mädchen und Frauen sind süchtig nach den Läden, in denen es immer etwas merkwürdig nach Chemie riecht. Hunderte braune Primark-Tüten werden jeden Tag durch die Dortmunder Einkaufsstraße getragen. Schicke Schuhe für 10 Euro, Handtaschen in Lederoptik kosten zwischen 5 und 13 Euro. Ein komplettes Outfit gibt es hier für unter 50 Euro.

Einfach nur knapp kalkuliert?

Das Unternehmen begründet die niedrigen Preise unter anderem damit, dass es auf teure Werbung verzichte, große Mengen einkaufe und sich nur auf das für den Kunden Wesentliche konzentriere. Primark-Geschäftsführer Paul Merchant sagte dazu in einem Interview: „Wir sind besessen vom Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Das macht sich anscheinend auch in der Firmenzentrale in Dublin bemerkbar. Die Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“ sagte dazu: „Die Büros sind nackt, die Flure nüchtern. Hier regiert der Zweck. Schließlich geht es um jeden Cent und jede Nachkommastelle“. Ähnlich sieht es auch in den einzelnen Primark-Geschäften aus. Kein stylisches Interieur, sondern Wühltische auf denen sich die Kleidung nur so stapelt. Aber fehlende Werbekosten allein machen so niedrige Preise noch nicht möglich.

Made in Bangladesh!

Foto: wikimedia.org / creative commons

Die Ruine des Rana-Plaza-Gebäudes. Foto: wikimedia.org / creative commons

Auch Primark hat Kleidung in der Rana-Plaza-Fabrik fertigen lassen. Genau dort, wo vor einem Jahr über 1000 Menschen beim Einsturz des Gebäudes starben. Es geht um die Firma „New Wave Bottoms“, die in der zweiten Etage des Fabrikgebäudes untergebracht war. Von ihr hat Primark viele Textilien bezogen. Kurz nach dem Unglück mussten die Iren dementsprechend handeln. Ein gutes Image musste aufrecht erhalten werden. Die Modekette gründete die Internetseite primark-bangladesh.com. Zum Jahrestag der Katastrophe wurde darauf heute eine Mitteilung veröffentlicht, in der Primark erklärt, was das Unternehmen bisher an Hilfe geleistet hat. Dazu gehören Essenspakete, die damals an die Familien verteilt wurden, finanzielle Hilfe und Förderprogramme für bessere Arbeitsbedingungen. Trotzdem wird es Kleidung „Made in Bangladesh“ auch weiter bei Primark geben. Das schreibt das Unternehmen heute sehr deutlich auf seiner Internetseite. Dafür ist das Land als Produktionsstätte anscheinend viel zu profitabel. Profitabel aber nur, weil die Arbeitsbedingungen dort sehr fragwürdig sind.

Einstudierte Antworten und Klopapier

Demonstranten in Bangladesch

Protest für bessere Arbeitsbedingungen. Foto: flickr.com / Derek Blackadder

Ende 2011 gab es eine Studie, die von mehreren Menschenrechtsorganisationen in Auftrag gegeben wurde. Dafür wurden insgesamt 162 Mitarbeiter in zehn Fabriken in Bangladesch befragt. Nur knapp 41 Prozent der Befragten gaben an, dass sie einen Vertrag haben. Neun von zehn Befragten erklärten, dass sie mindestens 13 Stunden pro Tag arbeiten müssten. Wochenende gibt es nicht. Genauso viele gaben an, dass sie auch Nachtschichten haben, die oft nur einen Tag im Voraus angekündigt würden. Der Lohn liegt pro Monat zwischen 24 und 50 Euro. Geht man hier vom Maximallohn und 30 Arbeitstagen aus, macht das einen Stundenlohn von knapp 13 Cent. Dazu kommen Schikane am Arbeitsplatz und Beleidigungen der Chefs. Außerdem hatten Arbeiterinnen berichtet, dass sie sich Klopapier vom Vorgesetzten holen müssen und der sich genau notiert, wer wie lange nicht an der Nähmaschine steht. Primark schreibt auf seiner Internetseite, dass die Fabriken immer erst kontrolliert würden, bevor Verträge abgeschlossen werden, um solche Zustände nicht zu unterstützen. Allerdings wird in der Studie auch berichtet, dass die Arbeiter und Angestellten im Fall solcher Kontrollen ein einstudiertes Antwortschema abarbeiten, damit die schlechten Arbeitsbedingungen vertuscht würden. Da es sich bei den meisten Textilarbeitern um Frauen handelt, haben sie nur wenig Chancen, sich gegen ihre oft männlichen Vorgesetzten zu wehren.

Der Preis eines T-Shirts 

Gisela Burckhardt ist Chefin der Frauenrechtsorganisation Femnet und unterstützt die Kampagne „Saubere Kleidung“. Sie sagt, dass Billigkleidung grundsätzlich problematisch ist: „Man muss dann davon ausgehen, dass sie unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt worden ist.“ Aber auch teure Kleidung garantiert noch längst keine guten Arbeitsbedingungen. „An dem Preis erkennt man nicht, ob die Ware fair produziert wurde“, sagt Burckhardt. Im Interview mit der pflichtlektüre kalkuliert sie den Preis eines T-Shirts vom Einzelhandel bis zum Arbeiter in der Fabrik zurück: 

 

Hier wird deutlich, dass bei den Arbeitskosten am geringsten kalkuliert wird. So eine Kalkulation funktioniert nur in Ländern wie Bangladesch. Selbst wenn man den Lohn der Arbeiter dort verdoppeln würde, wären es immer noch mit die niedrigsten Löhne auf der ganzen Welt. 

Wann ändert sich was?

Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr ein Textilsiegel auf den Markt bringen. Damit will sie die deutsche Modebranche dazu bewegen, soziale und ökologische Mindeststandards einzuhalten. Ob sich dadurch allerdings die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern ändern, ist unwahrscheinlich. Das eigentliche Problem ist der Massenkonsum. Und es sieht so aus, als gehe dieser Billig-Trend weiter: Die Geschäftszahlen allein von Primark sprechen für sich. Die Modekette erzielte im Geschäftsjahr 2012/2013 einen Umsatz von rund 5 Milliarden Euro – ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Während die Mode-Firmen hier Millionen verdienen, warten in Bangladesch immer noch hunderte Familien auf finanzielle Hilfe.

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