Abmahnwelle: 250-Euro für ein Schmuddelfilmchen

Anfang dieser Woche ereilte Tausenden Freunden von Erwachsenenunterhaltung der Schreck beim Blick in den Briefkasten. Sie fanden eine Abmahnung der Anwaltskanzlei Urmann + Collegen. Den Empfängern – bis jetzt allesamt Telekom-Kunden – wurde vorgeworfen, sich auf der Streaming-Plattform Redtube.com folgende Filme angeschaut zu haben: „Miriam’s Adventures“, „Hot Stories“, „Amanda’s Secret“, „Dream Trip“ oder „Glamour Show Girls“.

 

 

Sebastian Brüggemann ist Rechtsanwalt in den Bereichen des Urheber-, Informationstechnologie- und Datenschutzrechts. Daneben betreut er einen Lehrauftrag an der Eberhard Karls Universität Tübingen (Internetrecht). Bild: Sebastian Brüggemann

Sebastian Brüggemann ist Rechtsanwalt in den Bereichen des Urheber-, Informationstechnologie- und Datenschutzrechts. Zudem betreut er einen Lehrauftrag an der Eberhard Karls Universität Tübingen (Internetrecht). Foto: Ralph Koch

Die Anwaltskanzlei U+C hat Tausende Abmahnungen an Menschen verschickt, die sich Pornofilme über die Streaming-Plattform Redtube.com angeschaut haben sollen. Weitere Abmahnungen sollen folgen. Das Pikante: Damit wird erstmals das Betrachten von Video-Streams geahndet. Sind diese Abmahnungen rechtmäßig?

Unter Juristen ist es umstritten, ob es sich bei der vorübergehenden, lediglich flüchtigen Zwischenspeicherung (Kopie), die technisch bedingt beim Streamen entsteht, um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht. Diese Zwischenspeicherung erfolgt automatisch und ausschließlich zum Zwecke der Wiedergabe. Sie ist also ein Nebenprodukt einer anderen Nutzung – des ruckelfreien Anschauens. Nach meiner Auffassung erfolgt diese Zwischenspeicherung rechtmäßig, solange ich mir nur den Film anschaue und ihn nicht mitschneide oder aufzeichne.

Manche Anwälte – und wahrscheinlich auch viele Rechteinhaber – vertreten da eine andere Sichtweise.

Manche Kollegen vertreten eine andere Auffassung und begründen dies zumeist mit der Rechtswidrigkeit der Quelle. Ein Werk, das aus einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle stamme, könne in der Folge auch nicht mehr legal genutzt werden. Dies sei vergleichbar mit dem Stehlen und dem An- und Weiterverkauf des Gestohlen durch einen Dritten, der um die Herkunft der Sache weiß: Aus dem An- und Verkauf wird Hehlerei.Im Falle des Urheberrechts findet diese Auffassung im Gesetz allerdings keinen Niederschlag. Die Rechtmäßigkeit des Angebots spielt nur dort eine Rolle, wo es um die spätere Vervielfältigung, also das Erstellen einer dauerhaften (Privat-) Kopie geht. Hier kommt es in der Tat darauf an, ob die Quelle offensichtlich rechtswidrig im Netz steht oder nicht.

Wie sieht es denn bei Video-Portalen wie Youtube aus? Schließlich werden ja auch hier Inhalte online gestellt, deren Rechte nicht beim Uploader liegen – zum Beispiel Musikvideos. Brauche ich fortan vor dem Betrachten solcher Clips jedesmal einen Rechtsbeistand, der mir die urheberrechtlichen Zusammenhänge erläutert?

Das sicherlich nicht. Bei Youtube wird unterschiedlicher Content angeboten: Einige Videos werden von Youtube lizensiert, andere werden von den Rechteinhabern selbst eingestellt, um sie zu vermarkten. Daneben gibt es den User Generated Content, also Inhalte, die die Nutzer selbst erstellen und dann hochladen, mitunter unter Verwendung alternativer Lizenzmodelle. Nutzer, die fremde Inhalte hochladen, für die sie keine Rechte haben begehen eine Urheberrechtsverletzung und machen sich mitunter strafbar. Dies betrifft vor allem aktuelle Kinofilme und TV-Serien, die ebenfalls auf Youtube zu finden sind. Die Frage ist, ob diese Rechtswidrigkeit fortwirkt, wenn man das Video betrachtet. Dass ist nach meiner Auffassung nicht der Fall.

Will man das Video aufzeichnen oder mitschneiden, stellt sich dagegen die Frage, ob es aus einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle stammt, oder nicht. Wann aber eine Quelle offensichtlich rechtswidrig ist und wie der Nutzer dies im Einzelfall erkennen soll, ist umstritten.

Das Anschauen eines Videos, also der bloße Werkgenuss an sich, ist kein Recht, über das der Urheber verfügen kann. Der Werkgenuss ist frei und somit stets rechtmäßig. Dementsprechend begehen Nutzer, die sich Videos über eine Streaming-Plattform anschauen, meiner Auffassung nach keine Urheberrechtsverletzung. Ob kinox.to, Youtube oder eben Redtube spielt keine Rolle.

Wie kam die Anwaltskanzlei U+C an die IP-Adressen?

In dem Zusammenhang ist nach wie vor unklar, wie die IP-Adressen ermittelt wurden. Aus einem der Anträge, die bei Gericht gestellt wurden, geht hervor, dass eine Software verwendet wurde, die sonst für Peer-to-Peer-Filesharing verwendet wird.

Wenn ich im Rahmen eines Tauschsystems an die Verbindungsdaten der Nutzer kommen will, muss ich nichts weiter machen, als mich selbst hieran zu beteiligen. Tun die Ermittler das, können sie die Kommunikation mittels bestimmter Software aufzeichnen.

Beim Streamen handelt es sich um Individualkommunikation, also eine Einzelverbindung zwischen Nutzer und der Plattform. Dritte haben keine Möglichkeit, sich durch hinzuschalten zu beteiligen. Es ist also zu bezweifeln, ob dieselbe Software in diesen Fällen relevante Resultate erbringen kann.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Portalbetreiber die IP-Adressen auf Anfrage herausgegeben hat – was dieser Zeitungsberichten zufolge aber bestreitet. Eine solche Anfrage gestaltet sich bei Streaming-Portalen wie Redtube mit Sitz in den USA, sofern sie nicht freiwillig erfolgt, juristisch allerdings schwierig.

Seite 2 – Was tun, wenn man betroffen ist?

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