Kommentar: Es sollte viel mehr Hausbesetzer geben!

Herner Straße 131 in Bochum

In den 70ern und 80ern waren Hausbesetzungen irgendwie normal und auch ein bisschen in Mode. Besonders in Frankfurt und in Hamburg gab es eine sehr große Szene – Häuserkampf wurde das damals genannt und glich einer sozialen Bewegung. Davon ist heute viel seltener zu hören. Wie aktuell in Bochum gibt es aber vereinzelt immer noch Hausbesetzungen. Und das ist gut so, denn Hausbesetzungen sollten nicht belächelt, sondern ernst genommen werden. 

Das Haus an der Herner Straße 131 wurde besetzt. Seit dem 19. Mai hatte die Initiative „Squat BO“ das Haus mitten in Bochum besetzt und möchte mit der Aktion auf den Wohnungsleerstand und die Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnraum in Bochum und Umgebung aufmerksam machen. In dem Haus wohnte zuletzt nur noch eine Partei. Dass dieser Mieter auch auszog, ist nun schon ein Dreivierteljahr her. Es handelt sich also um Wohnraum, den man seit Monaten – teilweise seit Jahren – sehr günstig und sinnvoll hätte nutzen können. Es müsste sich nur jemand darum kümmern.

Protest gegen steigende Mieten und Wohnungsleerstand

Teilweise saniertes Badezimmer im besetzten Haus in Bochum.

Ein Badezimmer im besetzten Haus an der Herner Straße. Zu sehen sind hier halbherzige Versuche einer Sanierung. Foto: Linda Fischer

Genau das wollen die Hausbesetzer erreichen. Es mag zwar erst mal seltsam wirken, wenn Menschen sich einfach in ein leer stehendes Haus einschleichen, ein Plakat mit der „BESETZT – WIR BLEIBEN ALLE! WOHNEN FÜR ALLE“ an die Außenwand hängen und dann mit viel Getöse anfangen, ohne Erlaubnis das Haus zu renovieren und Wohnkonzepte zu entwerfen. Aber die Probleme, auf die die Hausbesetzer hinweisen, rechtfertigen diese Methode.

Erstens sind die Mietpreise im Ruhrgebiet in den letzten Jahren angestiegen. In Bochum beispielsweise stiegen die Mieten seit 2012 um beinahe 12 Prozent an. Ein Trend, der sich in vielen Teilen Deutschlands wiederfinden lässt. Und zweitens wird der Wohnungsleerstand laut einer Prognose des Bundesinstitutes für Bau- Stadt- und Raumforschung bis 2030 wahrscheinlich noch steigen. Das liegt daran, dass es sich für Vermieter mehr lohnt, ein neues Haus zu bauen und zu vermieten, als ein altes, leer stehendes zu sanieren. Und wenn ein altes Haus dann doch renoviert wird, will der Besitzer es natürlich so lukrativ wie möglich vermieten – da ist kaum Platz für Menschen mit wenig Geld. Wie viel Leerstand es aktuell genau gibt, lässt sich schwer sagen, denn es gibt keine kontinuierliche und amtliche Datenerfassung dazu. Aber jedes leer stehende Haus, das eigentlich genutzt werden könnte, ist eins zu viel. Es ist die Aufgabe der Politik einzugreifen, um diesem Trend entgegenzuwirken.

Denn feststeht, dass das Haus an der Herner Straße in Bochum keine Seltenheit ist. Vielerorts leben Menschen in dringend sanierungsbedürftigen Mietwohnungen, ohne dass sich jemand darum kümmert – bis die Mieter irgendwann genug davon haben und ausziehen.

Druck auf die Politik ausüben

Hausbesetzungen sind zwar illegal. Gerade so kurz nach den Vorkommnissen beim G20-Gipfel in Hamburg mag die Protestkultur in der linken Szene – zu der ja auch die Hausbesetzungen zählen – einen eher Gewalt betonten Ruf haben. Das macht es einfach, die Hausbesetzer zu verteufeln. Wenn sie jedoch einen friedlichen Protest betreiben, steht lediglich die Politik im Vordergrund. Damit hat eine Besetzung einen weit größeren Effekt, als leises Klagen darüber, dass die Mieten in der neuen Wohnung mal wieder angestiegen sind, dass das Haus nebenan schon seit Jahren leer steht und zerfällt.

Ein vermummter Aktivist im Besetzten Haus in Bochum.

Ein vermummter Aktivist mit klaren Forderungen. Mehr Platz für Kultur – weniger Leerstand! Foto: Linda Fischer

Die Aktion im Haus an der Herner Straße wird nicht das Ende nehmen, das die Besetzer sich erhofft hatten. Kurz vor der geplanten Zwangsversteigerung wurde es Ende Juni von einer unbekannten Partei gekauft. Seit dem 9. Juni haben die Aktivisten von “Squat BO” das Haus wieder für alle, auch für die neuen Eigentümer, zugänglich gemacht. Aber auch, wenn ihr Protest nicht das erwünschte Ergebnis gebracht hat: Die Aktivisten haben ihre Forderung deutlich gemacht, die Debatte um Wohnungsleerstand befeuert und vor allem bis zum Ende friedlich gehandelt.

Beitrags- und Teaserbild: Luisa Pfeiffenschneider / Linda Fischer

 

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