Blutsbrüder

Im Mai vor zwei Jahren fing alles an. Frank Brose fühlte sich schlapp und hatte penetrante Rückenschmerzen. Wird schon nichts schlimmes sein, dachte er sich. Nach einem Bandscheibenvorfall kann man ja schon mal auch später noch Probleme haben. Als er dann kalkweiß und mit hohem Fieber von der Arbeit nachhause kam, drängte seine Frau Corinne darauf, ins Krankenhaus zu fahren.

Erst jetzt, zwei Jahre später, ergibt es für Frank alles ein zusammenhängendes Bild. Im Krankenhaus wurde zunächst die Diagnose Lungenentzündung gestellt. Zwei Wochen blieb er stationär und ahnte noch nicht, dass dieser schwere Infekt wohl schon ein erstes Anzeichen für die Leukämie war, die ihn im brodelte. Als auch nach der Entzündung die Blutwerte irgendwie nicht in Ordnung waren, schickte sein Hausarzt ihn zu einem Hämatologen, einem Facharzt für das Blutsystem. Eine Biopsie aus dem Beckenkamm soll klären, was nicht stimmt.

Frank und Corinne

Frank und Corinne Brose heute, zwei Jahre nach der Transplantation. Foto : Janna Cornelissen

Es folgen 14 lange Tage, in denen Frank und seine Frau auf das Ergebnis warten. Auf der Fahrt zum Arzt war noch alles gut. „Ich bin dann zum Arzt gefahren und habe mir gedacht, joah der schreibt mir irgendwelche Eisenpräparate auf und dann geht das schon wieder in Ordnung“. Doch nichts ist in Ordnung. In der nächsten Stunde sollte sich das Leben von Frank und Corinne komplett ändern. „Herr Brose, Sie haben eine akute Leukämie. Ohne Spende werden Sie nur noch ein paar Wochen, höchstens fünf Monate leben können“.

Alle Bahnen entgleisen

Es fällt Frank schwer an diesen Tag zurück zu denken. Mit belegter Stimme versucht er zu beschreiben, was in ihm vorgegangen ist.“Es ist als ob alle Bahnen entgleisen“. Erst vor einem halben Jahr ist seine Mutter verstorben- an Leukämie. „Auf einmal dieses Déjà-vu. Du bist in der anderen Rolle, unfassbar“. Jetzt geht es weiter. Was muss man tun, an wen wendet man sich? Das Ehepaar aus Dortmund setzt sich mit der Stefan Morsch Stiftung in Verbindung, Deutschlands ältester Stammzell- und Knochenmarkspendendatei.

Mit dem Einsatz von Franks Frau Corinne und der Stiftung, wurde ein Aufruf zur Typisierung gestartet. 300 Menschen nahmen teil. Sie ließen sich Blut abnehmen, das dann auf Gewebemerkmale untersucht wird. Frank weiß jetzt: Bei dieser Aktion wurde kein passender Spender für ihn gefunden. „Aber anderen Leukämieerkrankten konnte damit geholfen werden. Ein Freund von mir hat sehr wahrscheinlich passende Gewebemerkmale und wird Stammzellen spenden können“.

ghghh

Die Transplantation wird eingeleitet: Die Chance auf ein neues Leben. Fotos: Privat

Riskante Wochen nach der Transplantation

Eines Abends dann der erlösende Anruf. Vier potentielle Spender wurden über eine Datei gefunden. Im Uniklinikum Essen wird eine hochdosierte Chemotherapie eingeleitet. Eine schwere Behandlung, die einige Patienten gar nicht überstehen. Die Folge der „Chemo“ ist ein vollständiges Verschwinden der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen und eine Verminderung der roten Blutkörperchen. Es werden damit mutierte, aber auch leider gesunde Zellen zerstört.

Das Knochenmark kann sich ab jetzt ohne Spende nicht mehr erholen. Frank beschreibt, dass es wie das Drücken eines Reset-Knopfes an einem Gerät ist. Alles an Zellen, an Erinnerungen des Immunsystems, wird unwiderruflich gelöscht. Jetzt liegt es an den Spenderzellen ihre Arbeit zu übernehmen. Ist es ein „gutes“ Transplantat, dass den neuen Körper annimmt?

Ohne ein funktionierendes Immunsystem liegt Frank Brose frisch Transplantiert auf seinem Isolationszimmer. „Sieben Wochen war ich komplett abgeschottet, dass war die härteste Zeit. Meine Frau durfte zwar voll steril eingepackt in das Zimmer aber wir durften uns nicht berühren.“ Völlige Sterilität bedeutet: gefilterte Luft, Essen, das durch den Sterilisator läuft, mehrere Schleusen durch die Ärzte und Pfleger gehen müssen. Ein kleiner Keim kann ihn töten. „Das war auch meine ständige Angst, sagt Corinne. Ich wollte natürlich immer bei ihm sein, aber andererseits hat man Panik, ihm zu schaden“.

hgfghfhgh

Frank Brose durfte lange Zeit nur mit Mundschutz und Handschuhen das Haus verlassen. Zu groß war die Gefahr, dass er sich mit einem Krankheitserreger infiziert.

Langsam geht es bergauf

Wenn man so schwer krank ist und darum bangen muss, dass man überlebt, freut man sich schon über die kleinsten Fortschritte. Es war Frühjahr als Frank die neuen Stammzellen erhalten hat, und die Aussicht auf einen Baum vor seinem Fenster gab ihm Kraft. „Ich hab mich wie ein Baum gefühlt der Knospen hatte. Und so wie der Baum, fing auch in mir alles an langsam zu wachsen. Die Thrombozyten und Leukozyten erholen sich langsam. Man wartet täglich auf den Zettel mit den Blutwerten und man ist über den kleinsten Erfolg überglücklich.“


jhhjkk

"Der schönste Moment seit langem", so Frank Brose. Er durfte das erste mal mit seiner Frau zusammen ein paar Schritte raus.

Dass Frank jetzt zuhause auf seiner Couch sitzt und nach zwei Jahren schon immerhin 50 Prozent seines Immunsystems wieder aufgebaut hat, ist nur möglich weil sich genügend Menschen haben typisieren lassen. Die Gefühle die er und seine Frau Corinne für seinen Beinahe- Blutsbruder haben, sind unbeschreiblich. Corinne sagt, dass sie ihn einfach nur umarmen möchte und danken möchte, dass er es ermöglicht hat, dass sie ihre silberne Hochzeit feiern können.

Frühjahr 2012: Es ist soweit. Die Zwei Jahre sind um. Wenn Spender und Empfänger beide einwilligen, dürfen sie sich kennen lernen. Und Ja, sie wollen. Dass Frank so ein Glück hat, dass sein Spender ganz in der Nähe wohnt, kann er noch gar nicht fassen. „Theoretisch könnte mein Spender aus ganz Europa und den USA kommen und dann wird mir gesagt, dass er in NRW wohnt- ich habe mich unglaublich gefreut“.

Unglaublich ist auch, dass Frank Brose trotz allem nie aufgeben hat und immer versucht hat alles optimistisch anzugehen. „Das ist meine Geschichte, die ich mit ganz viel Hilfe gemeistert habe. Und ohne meinen Spender würde ich jetzt hier nicht sitzen.“