Wer den Wasserhahn aufdreht, erwartet klares sauberes Wasser. Es soll nach nichts riechen und neutral schmecken. Außer Wasser und Mineralstoffen soll nichts drin sein. Alles klar? Hände unter den Wasserhahn halten und das saubere Wasser schlürfen. Trotz Top–Noten ist dies in Deutschland in einigen Regionen nicht ratsam. Das sagen selbst die offiziellen Stellen.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat dem deutschen Trinkwasser in seinem letzten Bericht Top-Noten gegeben. Nur bei Blei gibt es immer noch Warnungen. Auch im Ruhrgebiet. Bei einem Check von Gelsenwasser, einem der größten Wasserversorger Deutschlands, wurde bei 3,4 Prozent der Kunden Blei im Trinkwasser nachgewiesen. Blei ist so gefährlich, da auch geringe Konzentrationen langfristig bei Erwachsenen zu Schäden führen. Betroffen sind hiervon mehr der Norden und der Osten Deutschlands, da hier noch eher alte Bleirohre vorhanden sind. Wie man feststellt, ob man betroffen ist oder was man dagegen tun kann, erklären die Landesgesundheitsämter auf ihren Webseiten. Auch Reste von Kunstdünger und Gülle belasten das Grundwasser in Form von Nitrat. Das Trinkwasser sei dennoch fast überall annähernd frei von Nitrat, so der Bericht des UBA, weil die Wasserversorger stark nitrathaltiges Grundwasser mit unbelastetem Wasser verdünnen. Das ist allerdings teuer.
Shampoo und Arzneimittelreste im Trinkwasser
Aber es gibt noch andere Stoffe im Wasser, die dort nichts zu suchen haben. Das Deutsche Ärzteblatt warnte schon 2008 vor möglichen Spätfolgen durch Langzeitaufnahme von kleinen Medikamentenmengen, wie sie im Trinkwasser vorkommen. Was im Trinkwasser alles drin ist, bezeichnete sie sie so: „…fast alles, was der Arzneischrank hergibt: von Hormonen und Lipidsenkern über Schmerzmittel und Antibiotika bis hin zum Röntgenkontrastmittel.“ Und selbst ein Lobbyverein, in dem auch die Wasserversorger organisiert sind – der Verband kommunaler Unternehmen – warnt aktuell vor bedenklichen Substanzen im Trinkwasser und zählt auf: Medikamente, Pestizide, Waschmittel, Körperpflegeprodukte, Kosmetika und Pflanzenschutzmittel, die in dem klaren Trinkwasser gefunden werden.
Dass Medikamentenreste dadurch am Ende auch in Cola-Getränken landen, zeigte die ZDF-Doku „McDonald’s gegen Burger King“. Bei beiden Fastfood-Ketten wurden solche Rückstände in der Cola gefunden. Dabei war nicht die Cola schuld, sondern das in den Fastfood-Ketten verwendete Leitungswasser, das zum Mixen der Getränke mit dem Sirup genommen wird. Diese unerwünschten Stoffe im Wasser finden sich im Trinkwasserbericht des Umweltbundesamts nicht, aber es gibt einen eigenen Hintergrundbericht des UBA zu Arzneimittelrückständen. In Oberflächengewässern weist der Bericht 131 Stoffe aus. Nur für die Hälfte der 131 nachgewiesenen Wirkstoffe konnte abgeschätzt werden, ob die gefundenen Konzentrationen umweltrelevant sind. Auch hier ist die Liste der Stoffe lang: Röntgenkontrastmittel, Schmerzmittel wie Diclofenac oder Naxapren, Reste der Antibabypille, Antibiotika, Lipidsenker, Psychopharmaka und Beta-Blocker.
Das Wasser mit den meisten Rückständen wird bei der Gewinnung von Trinkwasser aus Oberflächenwasser festgestellt. Das ist gerade das Wasser, das im Ruhrgebiet für Trinkwasser verwendet wird. Die Medikamentenrückstände im Trinkwasser beklagt auch die Zeitschrift Ökotest, die in 69 Städten das Röntgenkontrastmittel Gadolinium gesucht und gefunden hat. Die Städte an Rhein und Ruhr sind demnach besonders oft betroffen: 18 Proben fielen mit erhöhten und leicht erhöhten Gadoliniumgehalten auf. Die Tester sagen: „Akut giftig sind selbst die höchsten gefundenen Mengen von 34 bis 40 Nanogramm Gadolinium pro Liter (ng/l) im Trinkwasser von Mülheim, Oberhausen, Bochum nicht, der gesundheitliche Orientierungswert von 100 ng/l wird unterschritten.“ Doch das ist schwer zu beurteilen: Es gibt zwar teilweise Orientierungs-, aber keine Grenzwerte. Regelmäßige Analysen sind auch nicht vorgeschrieben.
Wie gefährlich sind die Medikamentenrückstände?
Offiziell heißt es überall: Im Allgemeinen sind die Konzentrationen zu gering, um einen Effekt zu zeigen. Ein Glas Trinkwasser am Morgen wird also nicht die Kopfschmerzen wegzaubern, auch kann es bei Frauen nicht die Pille ersetzen. Aber bisher seien die Folgen zu wenig erforscht, erklärt Professor Klaus Kümmer, Umweltchemiker aus Lüneburg. Er sagt, es sei völlig ungeklärt, ob es nicht chronische Effekte geben könne, die durch die dauerhafte Einnahme von Kranwasser entstehen. Auch nehmen Erkrankungen wie Allergien und manche Krebsarten zu. Der Forscher sagt, er wisse nicht, ob diese Stoffe dazu beitragen, aber ausschließen könne er es eben auch nicht. Bei Wasserorganismen wie Fischen, Schnecken und Krebsarten wissen die Forscher, was passieren kann: Sie zeigen Verhaltensveränderungen durch Antidepressiva oder das Geschlecht ändert sich durch die im Wasser vorhandenen Hormone.
In Zukunft werden diese Stoffe im Wasser wohl noch ansteigen. Einmal wird die Bevölkerung immer älter, also werden mehr Medikamente benötigt und landen im Wasser. Und auch aus der Tiermast werden steigende Medikamentenrückstände im Wasser erwartet. Ebenso werden die Nitratbelastungen zunehmen. Die wohl einzige Lösung: schon die Verwendung solcher Stoffe zu minimieren.
Teaser-/Beitragsbild: Katja Engel